Der Mann vom Zirkus

Aussichten Vermutlich wäre die Ursache nie bekannt geworden, aber die drei Minuten Verspätung, mit denen der linke Verteidiger des nicht ganz so erfolgreichen ...

Vermutlich wäre die Ursache nie bekannt geworden, aber die drei Minuten Verspätung, mit denen der linke Verteidiger des nicht ganz so erfolgreichen Vereins der zweiten Bundesliga zum Punktspiel auf dem Platz erschien, führten in der Halbzeit doch zu Reporterfragen. "Ich wusste nicht, dass die Schuhe nicht mehr geputzt werden", entschuldigte sich der Fußballer und fügte vorwurfsvoll hinzu: "Aber seit der Kirch-Pleite ist wohl alles möglich!
Der Reporter wollte mitfühlend eine Frage stellen, wurde aber von einem Kollegen unterbrochen: "Ja, die Lage ist ernst. Vorgestern wurde in der Münchner Fußgängerzone ein Bettler vertrieben. Er warb mit dem Schild "Fußballstar bittet um Hilfe". Klar, dass die Polizei an einen üblen Scherz glaubte. Die hatten nicht erkannt, dass es sich um einen ehemaligen Nationalspieler handelte, der fast die ganze Saison auf der Ersatzbank verbracht hatte. Wie man später hörte, soll sein Einkommen nach der Kirch-Pleite von 65.000 auf nur noch 52.000 gesunken sein. Monatlich in Euro. Aber er hatte auf sein bescheidenes Häuschen im Grünen eine Millionen-Hypothek aufgenommen. Dass sich seine finanzielle Lage so dramatisch verschlechtert, konnte der Ärmste doch nicht ahnen!"
"Das kann ich nur bestätigen", rief jetzt ein Fotograf, der ständig zu Spielen in allen Stadien unterwegs ist. "Als ich letzte Woche in Hamburg schnell in einem dieser Burger-Lokale was essen ging, saß mir ein Typ mit starkem Schnurrbart und großem Schlapphut gegenüber. Weil er so irrsinnig schnell aß, schaute ich ihn näher an. Als sein angeklebter Bart dann ins Essen fiel, bin ich erschrocken: es war kein Geringerer als ... (Name dem Autor bekannt). Er hat mir dann gebeichtet, dass er mit seiner fünfköpfigen Familie zum Essen jetzt öfter verkleidet in Schnellrestaurants fährt. Bei seinem gesunkenen Einkommen könne er sich die besseren Lokale ganz einfach nicht mehr leisten." "Bitte mal Ruhe!", rief der Platzhirsch im Reporterrudel streng und hielt sein kleines Taschenradio in die Höhe, aus dem es tönte: "... verwirrt im Wald aufgefunden. Der Mann ist achtundzwanzig bis fünfunddreißig Jahre alt, stammelt ständig unzusammenhängende Worte vor sich hin. So viel die Polizei bisher ermitteln konnte, soll der Mann sein Hausmädchen entlassen und dem Sohn das monatliche Taschengeld auf 500 Euro gekürzt haben. Seiner Frau habe er angekündigt, den Maserati gegen einen einfachen BMW zu tauschen, worauf diese wütend das Haus verlassen habe und drohte, zu ihrem Freund, einem Schlagerkomponisten, zu ziehen. Als ihn dann seine Mutter aus dem Karibikurlaub anrief und schnell noch um einige tausend Euros bat, ist er wohl ausgeflippt. Möglicherweise ist der Mann vom Zirkus, denn er balanciert auf dem Polizeirevier ununterbrochen das Mittagessen eines Streifenbeamten auf dem Fuß - einen großen Apfel. Weitere Meldungen hierzu später."

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden