Seit nunmehr einer Woche tobt in Deutschland eine Diskussion über steigende Benzinpreise, angestoßen von Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen. Mit ihrer Aussage, dass die Benzinkosten ab Herbst schrittweise um 16 Cent pro Liter steigen sollen, hat sie die Gemüter erregt. Neben plumper und teils heuchlerischer Kritik von SPD bis FDP, die plötzlich allesamt ihre vermeintlich soziale Ader entdecken, hatten auch einige Politiker*innen der Linken gegen Baerbocks Pläne protestiert. Dies wiederum sorgte für Kritik an der Linkspartei: Die einen watschten sie als ignorant ab, andere machten sie gar zur Partei der Autobefürworter. Dabei ist eine linke Kritik am CO2-Preis schlichtweg notwendig, weil er Verantwortung auf das Individuum verlagert und s
erlagert und sozial ungerecht ist.Die aktuelle Diskussion zwischen der LINKEN und den Grünen um die Erhöhung der Benzinpreise zeigt zwei grundlegende Differenzen beider Parteien in puncto Klimapolitik. Die eine dreht sich um die Frage, wer die Kosten für mehr Klimaschutz tragen soll. Die andere darum, wie der Übergang in eine klimagerechte Gesellschaft organisiert werden soll. Die Grünen wollen einen marktkonformen Klimaschutz, in dem die Verbraucher*innen die Zeche zahlen und der ökonomisch Schwächere überproportional trifft. DIE LINKE will hingegen diejenigen zur Kasse bitten, die es sich leisten können, und scheut darüber hinaus nicht, sich mit den Konzernen und den Reichen anzulegen.Wieso eignet sich gerade das Beispiel der erhöhten Benzinpreise so gut, um diese grundlegenden Differenzen zu erklären? Erhöhte C02-Preise auf Sprit trifft alle Autofahrer*innen – jedoch nicht alle gleich. Während die SUV-fahrende Gutverdienerin in der Großstadt die Erhöhung der Preise kaum spürt, trifft sie den pendelnden Leiharbeiter auf dem Land hart. Jahrzehnte neoliberaler Politik haben nicht nur seinen Lohn schrumpfen lassen. Sie haben auch dafür gesorgt, dass zwischen Arbeitsstätte und Wohnung kein Zug – ja wahrscheinlich nicht mal mehr ein Bus fährt.Menschen mit schlechtem Einkommen und ohne Anbindung an den Nahverkehr nun überproportional die Kosten der Klimapolitik tragen zu lassen ist nicht nur sozial blind, sondern schadet auch der Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen. Dieser obige, fiktive Vergleich ist für viele bittere Realität: Die Ergebnisse einer Studie der TU Dortmund zeigen, dass vier Millionen Menschen in Deutschland sogenannte „erzwungene“ Autobesitzer*innen sind. Das bedeutet, sie fahren Auto, weil es ihre Lebensumstände erfordern und nicht, weil es ihnen so viel Spaß macht. Ein Großteil dieser Menschen lebt im ländlichen Raum und gehört niedrigeren Einkommensgruppen an – auch das zeigt die Studie. Sie alle träfe eine Erhöhung der Benzinpreise besonders hart. Die Kosten des Klimaschutzes überproportional auf sie abzuwälzen, ist schlichtweg falsch.An dieser Stelle zeigt sich: Klimaschutz ist eine Klassenfrage. Zudem ist es doch absurd zu glauben, eine Mobilitätswende ließe sich über höhere Benzinpreise durchsetzen. Dies kann nur mit einem attraktiven, günstigen und flächendeckenden ÖPNV geschehen.Zahlen sollte, wer von der Klimakrise profitiertEs steht dabei völlig außer Frage, dass der Ausbau des ÖPNV und alle weiteren Klimaschutzmaßnahmen viel Geld kosten werden. Die entscheidende Frage ist, wie die entstehenden Kosten verteilt werden. Nach dem Willen der Grünen sollen hauptsächlich Verbraucher*innen für mehr Klimaschutz zahlen. Zwar sollen die Kosten eines erhöhten CO2-Preises durch ein Energiegeld teilweise zurück gezahlt werden, dennoch bleibt untem Strich ein Nachteil für diejenigen, die auf den Besitz eines Autos nicht verzichten können. Einen Vorteil haben hingegen Menschen in Städten, die kein Auto brauchen, da Wege kurz sind oder der ÖPNV gut ausgebaut ist. Ein solcher Klimaschutz vertieft die soziale Spaltung der Gesellschaft weiter.Dies ist der grundlegend falsche Weg. Vielmehr muss es darum gehen, durch Klimaschutzmaßnahmen, die soziale Spaltung zu verringern, indem diejenigen für Klimaschutz zahlen, die es sich leisten können und die von der bisherigen Klimaverschmutzung profitiert haben. Die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs und die Einführung einer Steuer auf Kerosin würden dem Staat pro Jahr rund 12 Milliarden Euro mehr Geld einbringen. Das hätte fiskalisch eine weit größere Auswirkung als die Erhöhung der Benzinpreise durch den CO2-Preis. Zudem würden Menschen mit höherem Durchschnittseinkommen stärker belastet – diese beiden Maßnahmen beträfen also diejenigen, die es sich leisten können.Und warum nicht eine jährliche Klimaabgabe für Millionär*innen einführen? Damit kann der Ausbau des Nahverkehrs und der klimagerechte Umbau der Industrie finanziert werden. Anstatt die fossile Industrie weiterhin mit Milliarden zu subventionieren, wie beispielsweise durch die Strompreisausnahmen bei der EEG-Umlage, sollten auch Konzerne für Klimaschutzmaßnahmen zahlen. Während DIE LINKE genau das möchte, scheuen die Grünen davor zurück, sich mit der Industrie anzulegen. Die Mammutaufgabe Klimakrise kann jedoch nur bewältigt werden, wenn diejenigen zur Kasse gebeten werden, die mit dem Befeuern der Klimakrise Milliardengewinne machen.Und damit sind wir bei der zweiten großen Differenz zwischen links und grün in der aktuellen Debatte: Es geht um nichts weniger als die Frage, in welchem System an der Bewältigung der Klimakrise gearbeitet werden soll. Die Grünen streben einen grünen Kapitalismus an. An den grundsätzlichen Missständen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung wird damit nicht gerüttelt. Ausbeutung, soziale Ungleichheit und Milliardenprofite für Konzerne sollen bestehen bleiben. Dieses Vorgehen ist bequem, weil es sich nicht mit den Konzernen und den Reichen anlegt. Es ist jedoch gleichermaßen verlogen. Denn ohne einen Bruch mit der kapitalistischen Profitlogik wird keine klimagerechte Gesellschaft möglich sein. Während das Haus brennt, wollen die Grünen die Ölkanne grün anstreichen und hoffen, so den Brand zu löschen.Was es hingegen braucht ist der Mut, sich mit den Energie- und Autokonzernen anzulegen. Was es braucht, ist das gemeinsame Engagement von Klimabewegung, Gewerkschaften, Arbeiter*innen und Parteien für eine sozial-ökologischen Wende. Was es braucht, ist eine breite gesellschaftliche Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen und damit eine Debatte über die Überwindung des zerstörerischen Kapitalismus, statt Scheindebatten über erhöhte CO2-Preise. Nur so kann ein breit getragener, sozial gerechter Übergang in eine klimagerechte Gesellschaft bewältigt werden.Placeholder authorbio-1