Der Meister des Quellcodes

Medientagebuch Der Betriebssystemadministrator unserer Computerwelten ist gestorben: Die Bedeutung von Dennis Ritchie (1941-2011) für die Technikgeschichte reicht bis aufs iPad

Vor 40 Jahren erschien in den USA ein Buch, das Technikgeschichte schrieb: Am 1. November 1971 wurde das Unix Programmers Manualin drei Bänden auf den Markt geworfen, eine vollständige Erläuterung des Betriebssystems Unix, dessen kompletter Quellcode kenntnisreich kommentiert wurde. Geschrieben von Ken Thompson und Dennis MacAlistair Ritchie, den beiden Programmierern, die die Grundlagen von Unix schufen. Das von Ritchie betreute Manual erlebte in rascher Folge sechs Auflagen, weil ständig neue Programme für Unix entwickelt wurden. Mit der siebten Auflage 1979 änderte sich der Titel zu Unix Time-­Sharing System, und der Abdruck des Quellcodes verschwand, ebenso die früheren Auflagen des Manuals. Das geschah auf Betreiben von Unix-Eigentümer AT, der sein Eigentum am Quellcode geltend machte. Unix war so populär geworden, dass AT um seine Verwertungsrechte fürchtete.

Im Jahre 1976 fing der australische Informatikprofessor John Lions an, seine Kommentare zu Unix und den Code-Beispielen im Manual zu einem Vorlesungsskript zusammenzustellen, aus dem schließlich ein Buch wurde, das ein Buch enthielt – eben das Programmers Manual von Thompson und Ritchie. Lions Buch entwickelte sich zum maßgeblichen Buch für Unix-Nutzer – und wurde 1979 verboten. AT fürchtete einmal mehr um seine Rechte. Aber es wurde in zahllosen Copyshops rund um die Welt kopiert und wiederkopiert. Der Besitz der 15. Kopie einer Kopie machte glücklich, auch wenn einige Seiten unlesbar waren.

1986 ärgerte sich der in den Niederlanden lehrende Informatikprofessor Andrew Tanenbaum so sehr über den Zustand der Progammierliteratur, dass er ein Lehr-Betriebssystem namens Minix entwickelte, das eng an Unix angelehnt war und von ihm ausführlich kommentiert wurde. Und 1991 schrieb ein finnischer Informatiker, geschult durch die Kommentare von Ritchie, Lions und Tanenbaum, ein System namens Linux, weil er ein Unix-System auf seinem Rechner haben wollte.

Die hohe C der Programmierung

Unix selbst machte in dieser Zeit eine rasante Entwicklung durch. Aus dem ersten Unix von Thompson und Ritchie gingen über 200 Unix-Versionen als direkte Nachkommen hervor, nicht mitgerechnet die Ableger wie Windows NT und Mac OS. All diese Versionen wurden von Programmierern entwickelt, die den „Klassiker“ lasen und den Quellcode bewunderten. Einen ähnlichen Erfolg wie das Programmers Manual hatte The C Programming Language von Brian Kernighan und Dennis Ritchie. Es brachte Generationen von Informatikern das Programmieren nahe. Die Programmiersprache C wurde von Dennis Ritchie entwickelt, damit Unix ein ordentliches Fundament hatte. Die Entwicklung von Microsoft Windows startete als C-Programm, eine Erweiterung namens Objective C ist für die Programme in der Apple-Welt zuständig; der Einfluss von Ritchie reichte also weit, sogar bis zum iPad.

Dennis MacAlistair Ritchie mied die große Öffentlichkeit. Auf Usenix-Konferenzen tauschte er gern die Namensschilder mit ähnlich bärtigen Wesen. Er erhielt zahlreiche Preise wie den Turing-Award, die höchste Auszeichnung für Informatiker. Stets betonte er, dass seine Arbeit Vorläufer hatte, dass Softwareentwicklung Teamwork ist und dass es keinen großen Zampano geben könne. Drei Jahre lang trotzte er dem Krebs. Im Alter von 70 Jahren starb Ritchie vereinsamt in seinem Haus in Murray Hills. Er starb wenige Tage nach Steve Jobs, nur wenige Medien vermeldeten seinen Tod.


Detlef Borchers ist IT-Journalist und sprach einstmals mit dem falschen und richtigen Ritchie

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