Der Messias kommt noch nicht

USA Rasse spielt keine Rolle, rufen junge "Obamanics". Man wird sehen

Barack Obama - der erste Schwarze mit realistischen Aussichten, amerikanischer Präsident zu werden. Nicht nur emotional veranlagte Zeitgenossen werden von Gefühlen überwältigt, wenn sich bei Obamas Wahlerfolg Erinnerungen aufdrängen an die zahllosen Afroamerikaner, die für Gleichberechtigung gekämpft, gelitten und ihre Leben verloren haben - man denkt unwillkürlich an Martin Luther Kings letzte Rede in der Nacht vor seiner Ermordung vor 40 Jahren: "Ich bin auf dem Berggipfel gewesen, und habe das Gelobte Land gesehen... Vielleicht komme ich nicht mit euch dorthin. Aber ihr sollt heute Abend wissen, dass wir - als ein Volk - in das Gelobte Land gelangen werden."

Er habe gewonnen, sagt Obama, weil "Millionen Menschen eine tiefe Sehnsucht haben nach Wandel". Gewonnen hat er nicht mit Programmen, sondern mit einer konstanten Botschaft, die vorzugsweise junge Menschen mobilisiert: In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, in der Amerikaner trennende Gräben und Mauern überwinden. Mehr Miteinander, weniger Gegeneinander.

Sehnsucht nach Wandel allein bringt freilich keine Delegiertenstimmen. Rund 18 Millionen Menschen stimmten für Obama, rund 18 Millionen für Hillary Clinton. Obama hat aber 276 Delegierte mehr. Clinton rechnete fest mit einem entscheidenden Sieg beim Super-Dienstag am 5. Februar (Vorwahlen in 22 Staaten) und hatte nach dem Unentschieden erst einmal keine Strategie und kaum noch Geld. Ihre ursprüngliche Zuversicht war verständlich: Bei Umfragen im Vorjahr lag die Senatorin beständig 20 und mehr Punkte vorn. Aber Obamas Botschaft kam an, auch bei den so genannten "Superdelegierten" - und beim "großen Geld": Er erhielt bisher 264 Millionen Dollar Wahlspenden, Clinton 193 Millionen und der Republikaner John McCain 89 Millionen. Ein beachtlicher Teil der Wirtschaftselite macht sich offenbar Hoffnung auf einen Neuanfang mit Obama nach acht Jahren George Bush. Leitende Mitarbeiter und Direktoren der größten Wall Street Investmentfirmen und Banken von Goldman Sachs über Citigroup bis zu Credit Suisse haben Obama Millionen-Spenden überwiesen, denn George Bush hat ihre Erwartungen nicht erfüllt.

Foreign Affairs, das Magazin des Council on Foreign Relations, der Denkfabrik der US-Elite, macht sich in seiner neuesten Ausgabe Sorgen "um die Zukunft der amerikanischen Macht". Autor Fareed Zakaria schreibt, die USA besäßen trotz des Irak-Krieges, ihrer ökonomischen Schwierigkeiten und des Hochkommens rivalisierender Mächte mehr als genug "Stärke und Dynamik", um "weiterhin die Welt zu gestalten". Ein Problem müsse man allerdings lösen: Lobby- und Interessensgruppen, sensationslüsterne Medien und ideologische Kampfgruppen hätten das Regierungssystem lahm gelegt. Die Politik müsse kompromiss- und entscheidungsfähiger werden.

Auch Hillary Clinton hat Geschichte geschrieben mit ihren 18 Millionen Stimmen. In einem zukunftsweisenden Wahljahr aber brachte sie wohl zu viel Gepäck mit. Die Clintons sind für viele - zu Recht oder zu Unrecht - Inbegriff der alten Politik. Der Vorwahlsieg eines afroamerikanischen Politikers bedeutet, dass mehr Menschen eine politische Stimme haben werden. Das Spiel bekommt neue Nuancen. Vielleicht wird sogar der Spielplatz vergrößert. Aber ob sich auch Spielregeln verändern, das bleibt abzuwarten. Als Robert F. Kennedy vor 40 Jahren mit seiner sehr ähnlichen Botschaft des Wandels Millionen Schwarze, Latinos und junge Menschen begeisterte, warnten Skeptiker aus der Antikriegs- und Studentenbewegung: Man wisse nicht, ob RFK nur die "Illusion" des Neuen anbiete. Vielleicht werde er letztendlich die Oppositon kooptieren, ohne wirkliche Veränderungen zu schaffen.

Fünf Monate dauert der Hauptwahlkampf Obama gegen McCain. Der Republikaner macht den Wählern Angst vor dem Neuen. Obamas sehr verschiedene Anhänger wetteifern, dessen Reden über Hoffnung mit Inhalten zu füllen. "Race does not matter", Rasse spielt keine Rolle, rufen junge "Obamanics" in ihren Sprechchören. Man wird sehen.

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