Der Mord an Trainer Woolmer (II): Anonymer Anruf

Sportplatz Kolumne

Einen Monat ist es her, dass der pakistanische Cricket-Nationaltrainer Bob Woolmer in einem jamaikanischen Hotel ermordet aufgefunden wurde (Freitag vom 06.04.07). Noch immer stehen nach wie vor weder Täter noch Motiv fest, dafür wurde jetzt eine zweite Todesursache gefunden: Bevor der Coach erwürgt wurde, war er vergiftet worden. Bei einer histologischen Untersuchung fanden sich eindeutige Spuren einer bislang nicht benannten "toxischen Substanz" im Magen, Blut und Urin des Opfers.

Kommissar Mark Shields, bei Scotland Yard ausgebildeter zweithöchster Polizeibeamter Jamaikas und Leiter der Ermittlungen, hatte bereits kurz nach der Tat erklärt, dass es nicht leicht sei, einen 1 Meter 85 großen, 125 Kilo schweren durchtrainierten Mann zu erwürgen und nicht ausgeschlossen, dass mehrere Personen an dem Mord beteiligt gewesen sein könnten. Einen 1 Meter 85 großen, 125 Kilo schweren durchtrainierten Mann dazu zu zwingen, eine giftige Substanz zu sich zu nehmen, dürfte allerdings genauso schwer sein, deswegen untersuchen die Experten der jamaikanischen Polizei nun, ob die letzte Mahlzeit des Trainers vergiftet war, was wiederum Rückschlüsse auf den oder die Täter sowie den Zeitpunkt des Mordes zulassen würde.

Womöglich stellt sich bei den jetzt folgenden Untersuchungen heraus, dass es sich bei der giftigen Substanz um Aconitum variegatum, zu deutsch: Eisenhut gehandelt hat. Woolmer sei mit Acontin vergiftet worden, hatte ein anonymer Anrufer bereits Anfang April in einem Telefongespräch mit der jamaikanischen Polizei gesagt, bevor er hastig wieder auflegte. Eisenhut, in Deutschland 2005 "Giftpflanze des Jahres", enthält Acontin, kann schon in geringen Mengen zum Herzstillstand führen - die Substanz wurde früher als Pfeilgift verwendet und war in Salbenform eine beliebte Mordwaffe.

Bob Woolmer dürfte, so er das Gift in seinem aufs Hotelzimmer gelieferten Abendessen zu sich genommen hat, erst gemerkt haben, dass etwas nicht stimmte, als es schon zu spät war. Dass er sich gegen den oder die Täter nicht gewehrt hatte, spricht für die Verabreichung von Acontin, das auf das Nervensystem lähmend wirkt. Das verwendete Gift wird die Polizei bei ihrer Tätersuche zwar nicht wesentlich weiterbringen, ihr aber vielleicht bei der Ermittlung des Motivs helfen: Woolmers Mörder, soviel steht mittlerweile fest, wollten sicherstellen, dass der 58-Jährige den Morgen des 18. März 2007 nicht überlebte und gingen entsprechend professionell vor.

Kommissar Shields: "Wir haben drei Möglichkeiten. Die erste ist, dass jemand zu uns kommt und die Tat freiwillig gesteht. Die zweite ist, dass wir ganz plötzlich bei unseren Ermittlungen den entscheidenden Durchbruch erzielen. Wir befinden uns in der dritten Phase, langwierigen Überprüfungen und Beweisaufnahmen."

Dazu gehört auch ein gründlicher Check der hoteleigenen, auf die Flure und Aufzugseingänge gerichteten Überwachungskameras, die eingefangen haben müssten, wer im Mord-Zeitraum im 12. Stock, wo Woolmers Zimmer lag, unterwegs war. Shields musste allerdings zugeben, dass technische Schwierigkeiten die Durchsicht bislang verhindert hatten: "Wir haben die Original-Bänder sofort konfisziert, standen dann allerdings vor dem Problem, dass wir sie nicht sofort auswerten konnten, sondern erst in ein digitales Format umwandeln mussten. Dies ist jetzt geschehen, und nun werden Beamte sie sehr sorgfältig ansehen."

Die Polizei erwartet jedoch nicht, die pakistanischen Cricket-Nationalspieler auf den Bändern zu sehen, denn die Athleten werden definitiv nicht als tatverdächtig angesehen. Sie hatten, nach kurzen Verhören, das Land verlassen dürfen. Allerdings geht der Cricket-Weltverband ICC davon aus, dass "matchfixing", also illegale Ergebnisabsprachen, ein Tatmotiv gewesen sein können. Jeff Rees, Chefermittler des Anti-Korruptionsreferats des ICC, beschäftigt sich derzeit detailliert mit der dem Mord vorangegangenen WM-Niederlage Pakistans gegen Irland. Der Schiedsrichter der Partie wurde bereits ausführlich angehört, nun wird das Spiel selber genauestens auf erkennbare Unregelmäßigkeiten geprüft. Ergebnisse dieser Prüfung lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.


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