Derzeit steht im Fall Bob Woolmer nur eines zweifelsfrei fest: Der Coach des pakistanischen Cricket-Nationalteams ist seit dem 18. März 2007 tot (Freitag 14 vom 6. April 2007). Warum er am Morgen nach dem überraschenden Ausscheiden seines Teams bei der WM in Jamaika plötzlich aufhörte zu atmen, ist mehr als zwei Monate, nachdem ihn ein Zimmermädchen bewusstlos im Bad seiner Hotelsuite fand, allerdings unklarer denn je.
Bis vorletzte Woche waren sich die Ermittler um Kriminalkommissar Mark Shields sehr sicher, es mit einem Mordfall zu tun zu haben. Dr. Ere Seshaiah, der mit der Obduktion beauftragte Kingstoner Pathologe, hatte bei der Untersuchung der Leiche unter anderem einen gebrochenen Nackenknochen und Verletzungen unter der Zunge gefunden, entsprechend lautete
prechend lautete seine Diagnose "Tod durch Erwürgen".Bei einer Gewebeuntersuchungen wurden außerdem Spuren einer toxischen pflanzlichen Substanz festgestellt (Freitag 16 vom 20. April 2007), so dass Mediziner und Beamte davon ausgehen mussten, dass der oder die Täter den stämmigen, gut durchtrainierten Coach betäubt hatten, um ihn wehrlos zu machen.Nun erfuhr der Fall allerdings eine neue Wendung: Mehrere britische und indische Zeitungen berichten übereinstimmend, ein englischer Pathologe habe die Obduktionsergebnisse sowie Fotos eingehend studiert und mehrere Fehlbeurteilungen entdeckt. Dr. Nat Carey, der bereits in mehreren spektakulären Mordfällen die Leichenschau durchführte, ist demnach zu dem Ergebnis gekommen, dass der kleine gebrochene Knochen durchaus von einem Sturz herrühren könne, außerdem fehlten zum Beispiel im Gesicht des Toten einige typische Merkmale, die auf Erwürgen deuteten.Während Carey Reportern gegenüber jegliche Stellungnahme ablehnte, erklärte der Pathologie-Professor Derek Pounder, dass die Arbeitsbedingungen für seine jamaikanischen Kollegen katatrophal seien. "Eine Handvoll Mediziner", sagte er, müsse bis zu 2.000 Mordopfer jährlich untersuchen, "die Pathologen in Kingston sind unterbezahlt, schlecht ausgerüstet und haben es zudem mit einer archaischen Verwaltung zu tun."Nun soll ein FBI-Experte die Obduktionsunterlagen erneut sichten, aber auch er wird vermutlich nur Anhaltspunkte für diese oder jene Todesursache finden, denn Woolmers Leichnam wurde nach der Freigabe Anfang Mai in seine Heimat Südafrika gebracht und dort kremiert.Und es bleiben weitere Fragen, nicht nur danach, wie die im Fall Woolmer unter Verdacht stehende und den Cricket-Sport in Asien weitgehend kontrollierende Wettmafia bekämpft werden kann. Denn da ist immer noch die toxische Substanz, die im Körper des Toten gefunden wurde. Zunächst hatten die Ermittler angenommen, dass sie in zwei Champagnerflaschen appliziert wurde, die man in Woolmers Suite gefunden hatte. Diese hotelfremden Flaschen waren dem Trainer jedoch vom Assistenzcoach Mushtaq Ahmed weiter geschenkt worden, der sie von einem Bekannten bekommen hatte, der nicht wusste, dass Ahmed strikt abstinent lebt.Den Co-Trainer zu betäuben, um den Trainer erwürgen zu können, wäre ein denkbar blödsinniges Vorgehen etwaiger Täter gewesen, außerdem fand sich in Woolmers Blut kein signifikanter Promillegehalt. Insofern war das erst vor zwei Wochen veröffentlichte Ergebnis der Labortests nur wenig überraschend: Weder in den Flaschen noch an Gläsern fanden sich Spuren der tödlichen Substanz. Nun sollen weitere toxikologische Tests erfolgen. Ob involviert oder nicht, die Aktivitäten der Wettmafia werden zunehmend auch in Europa diskutiert. Denn gerade erst wurden die Produzenten der britischen Version von Big Brother von Insidern gewarnt, dass ein asiatisches Buchmacherkartell über technisches Know-how verfüge, die telefonischen Votingergebnisse zu manipulieren. Big Brother sei ins Visier der Wettmafia geraten, nachdem die letztjährige Staffel von der beliebten indischen Schauspielerin Shilpa Shetty gewonnen wurde.Zusätzlich kündigte der berühmte indische Regisseur und Produzent Mahesh Bhatt jetzt an, dass seine Firma einen Film über den Fall Woolmer vorbereite. Im Mittelpunkt werde allerdings nicht der Cricket-Coach stehen, sondern ein Buchmacher. Um die Geschichte möglichst realistisch zu gestalten, habe man im Vorfeld ausgiebig im Wettmilieu recherchiert.Mit einer rührseligen Kitsch-Story ist ohnehin nicht zu rechnen. Bhatt, dessen sozialkritische Werke es nicht immer ohne Probleme an der Zensur vorbei schaffen, ist berühmt dafür, sowohl soziale als auch gesellschaftliche Tabuthemen aufzugreifen. In einem Interview mit IndiaGlitz sagte der 57-Jährige vor einiger Zeit: "Ich habe ein Problem mit Autoritäten. Warum sollte ich mich zum Beispiel an Moralvorstellungen halten, die von doppelzüngigen Heuchlern diktiert werden? Ich weiß, dass es in jedem Land ungeschriebene Verhaltensregeln und Tabuthemen gibt und dass man, wenn man sie bricht oder über sie spricht, den Preis dafür bezahlen muss - etwas, worauf ich übrigens absolut gefasst bin."