Der Mutmacher

Nachruf Roger Willemsen war ein Intellektueller, der sich in politische Debatten einschaltete und Haltung zeigte, auch wenn es unbequem war. Er wird uns fehlen
Ausgabe 06/2016
Wird Muslimen wie Nicht-Muslimen fehlen: Roger Willemsen (1955 – 2016)
Wird Muslimen wie Nicht-Muslimen fehlen: Roger Willemsen (1955 – 2016)

Foto: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Meine erste Begegnung mit Roger Willemsen war 2006 in Köln bei der lit.cologne. Sein Buch Hier spricht Guantánamo war neu erschienen. Er hatte ehemalige Guantánamo-Häftlinge getroffen und gesprochen. Willemsen war ja ein Intellektueller, der sich in politische Debatten einschaltete und Haltung zeigte. Einer, der sich nicht scheute, heiße Eisen anzufassen, auch wenn das nicht jedem gefiel.

Gemeinsam mit dem Herausgeber der Islamischen Zeitung, Andreas Abu Bakr Rieger, traf ich ihn in einem Kölner Hotel. Wir sprachen nicht nur über sein Guantánamo-Buch, den war on terror und die Islamdebatte, sondern auch über seine Reise nach Afghanistan, sein Engagement für karitative Projekte dort und über Gott und die Welt. Kurz vor dem Interview gab es eine Begegnung mit Götz Alsmann. Am Abend vorher hatte er ihm erwartungsfroh von diesem Interviewtermin erzählt. Götz Alsmann begrüßte uns mit einem freundlichen „As-salamu ’alaikum“. Willemsen war jemand, der andere mit seiner Herzlichkeit und seinem Einfühlungsvermögen anstecken konnte. Er freute sich ehrlich auf die Begegnung mit einem muslimischen Journalisten. Überhaupt war es ihm ein Anliegen, den Muslimen in diesen nicht einfachen Zeiten mit teils hysterischen Islamdebatten zur Seite zu stehen.

Auch nach dieser Begegnung blieben wir im Austausch. Immer wieder traf man sich spontan auf Buchmessen oder Veranstaltungen. Und immer nahm er sich die Zeit für ein Gespräch. Einmal begegneten wir uns zufällig an einer Ampel in Köln. Obwohl er „eigentlich“ keine Zeit hatte, nahm er sie sich und hörte bei einem Espresso zu, stand mit Rat und Tat zur Seite und ermutigte mich, mit der Arbeit weiterzumachen, als muslimischer Journalist seinen eigenen Akzent zu setzen, so schwierig das sein mag. Ein Satz von ihm bleibt haften: „Herr Güvercin, wir kämpfen an derselben Front. Heute werden Sie attackiert, morgen ich. Trotzdem machen wir weiter.“

Zuletzt hatte sich Roger Willemsen von der Öffentlichkeit zurückgezogen. Wie bei seinen Reisen und Büchern hat er sich auch beim Tod ganz auf die eine Sache konzentriert. In den Medien stand nichts. Ich hatte die Hoffnung, dass er wieder zurückkommt. Nun hat er uns verlassen. Er wird uns fehlen – Muslimen und Nicht-Muslimen.

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