Der neue Bubble-Trend

Finanzkrise Eigentlich sollten billige Kredite helfen, die aktuelle Wirtschaftskrise zu überstehen. Stattdessen heizen sie aber vor allem die nächste Spekulationsrunde an

Heiner Flassbeck blickt pessimistisch in die Zukunft. Trotz der Ankündigungen der Regierungschefs in aller Welt – auf dem Weg zu einer Regulierung der Finanzmärkte sei „unglaublich wenig passiert“. Im Gegenteil: „Wir leben in einer neuen Bubble-Welt“, warnt der Chefvolkswirt der UN-Handelsorganisation.

Überall sehen Experten neue Spekulationsblasen wachsen – bei Aktien und Rohstoffen, bei Währungen und Gold. Wie Ernst die Lage ist, lässt sich an den Alarmrufen der internationalen Wirtschaftsinstitutionen ablesen. Weltbankchef Robert Zoellick warnte vor dem neuen Bubble-Trend, dieser könne sich „als Fallstrick für die Weltwirtschaft erweisen und die Lebensgrundlagen von Millionen zerstören“.

Die nächste Rechnung

Hinzu kommen immer noch versteckte Altrisiken in den Bankbilanzen. Dass bei einem neuerlichen Kollaps der Märkte abermals hunderte Milliarden in den Finanzsektor gepumpt werden, glaubt der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, nicht. „Die öffentliche Meinung und die Parlamente werden es nicht hinnehmen, die Rechnung ein zweites Mal zu bezahlen.“

Kaum zu glauben, dass dem Finanzsektor nicht bewusst ist, wohin die ungezügelte Spekulationstätigkeit führen kann – man hat es ja vor Augen: In der aktuellen Krise haben bisher weltweit nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation 20 Millionen Menschen ihre Jobs verloren, eine Verdoppelung im Laufe des kommenden Jahres ist nicht auszuschließen.

Trotzdem wird weitergemacht wie bisher. Den Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Spekulationswelle bilden Währungen. Mit denen läuft derzeit ein ultimativer „Carry Trade“. Dabei leihen sich Investoren Geld in Währungen mit niedrigen Zinsen und investieren dieses anschließend in Währungen mit hohen Zinsen. Statistiken darüber gibt es nicht, aber das hochriskante Dreiecksgeschäft blüht, seit die Notenbanken in Washington und London quasi für umsonst verleihen. Seit Jahresbeginn konnten Spekulanten dank „Carry Trade“ mit Rohstoffen rund 12 Prozent, mit Euro-Unternehmensanleihen über 15 Prozent und mit dem Währungskorb der G10-Staaten gar 20 Prozent Profit machen.

Unbelehrbare Hybris

Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken sollte eigentlich zum Wiederaufschwung beitragen. Doch das Geld wird lieber in alle möglichen und oft risikoreichen Kapitalklassen angelegt. Es hat auch was mit der unbelehrbaren Hybris von Händlern zu tun. „Wer nicht die Warmduscher-Strategie verfolgt, sondern es etwas mehr spicy möchte, nutzte die visionäre Version mit den kommenden Stars“, beschreibt der Unicredit-Analyse Michael Rottmann die Strategie. Der CEE-Index für osteuropäische Währungen hat seit dem Beginn der neuen Spekulationsblase im März um rund 35 Prozent zugelegt, wer in brasilianischen Real oder indonesischen Rupiah anlegte, konnte bis November über 70 Prozent Rendite einfahren.

Den Gewinnern stehen Verlierer gegenüber. Für die unfreiwilligen Empfängerländer ist der spekulative Geldstrom in der aktuellen Wirtschaftskrise sehr gefährlich. Er treibt ihre Devisenkurse nach oben. In der Folge werden die eigenen Waren im Ausland teurer. Das so erschwerte Exportgeschäft bremst das Comeback von Industrie und Gewerbe. Besonders brisant ist „Carry Trade“ für wirtschaftlich schwache Länder und Staaten, die knapp vor dem Bankrott stehen. Die Nutznießer sitzen vor allem in Großbritannien und den USA. Deren Regierungen versuchen, den Kurs von Dollar und Pfund weiter niedrig zu halten, um die eigenen Warenausfuhren zu stärken. Davon profitiert auch Exportweltmeister China.

Die gefürchtete Nadel

Allen Krisen zum Trotz darf enormer privater Reichtum weiter nach lukrativen Anlagemöglichkeiten suchen. Es sind die selben Akteure, die nach der Asienkrise von 1997 munter weiterspekulierten wie nach dem Platzen des „Neuen Marktes“ 2000 und der Immobilienblase von 2007. Geändert hat sich allenfalls der Gegenstand der Spekulation. Doch schon nähert sich der gegenwärtigen Blase die gefürchtete Nadel. Ökonomen fürchten vor allem einen plötzlichen Anstieg des Dollar-Kurses. „Der Tag der Abrechnung wird kommen“, ist sich Bankanalyst Rottmann sicher.

Und auch Heiner Flassbeck ist davon überzeugt. Spannend werde sein, sagt der Weltökonom, wie die Regierungen reagieren werden. In jedem Fall wird es dann wieder einmal zu spät sein.

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