Der Osterhase als Unternehmer

Aussichten Des Osterhasen Frau war mit ihrem Fell nicht mehr zufrieden. Sie wollte unbedingt Nerz tragen und so trieb sie ihren Mann an, mehr Eier zu ...

Des Osterhasen Frau war mit ihrem Fell nicht mehr zufrieden. Sie wollte unbedingt Nerz tragen und so trieb sie ihren Mann an, mehr Eier zu produzieren. Doch das konnte der Osterhase nicht selbst. Und weil seine Frau dann auch noch auf den Osterinseln Urlaub machen wollte, war der Osterhase gezwungen, neue Geldquellen zu erschließen.
Natürlich fragte der Osterhase sofort das Huhn. Das Huhn grinste, denn es wusste, dass des Hasen Kapazität begrenzt war. Er kann ja bekanntlich nur in der Osterwoche Eier legen. Um einen günstigen Preis zu erzielen, verpflichtete das Huhn den Hasen, hundert Eier abzunehmen. Doch die hundert Eier konnte der Osterhase weder allein bemalen noch liefern. Also engagierte er eine ihm flüchtig bekannte Graugans, die in der Toskana letztes Jahr einen Malkurs besucht hatte. Die Graugans sicherte ihm zu, die hundert Eier unter Mithilfe ihrer wirklich kunstsinnigen Familie, zu bemalen. Für den Transport holte sich der Osterhase die Unterstützung eines älteren Ziegenbocks, welcher versprach, die Eier mit einem kleinen Wägelchen zu transportieren, das er im Stall stehen hatte und vor das die Kinder ihn gern spannten. Der Osterhase hatte nun Zeit, sich um Marketing und Verkauf zu kümmern.
In der Osterwoche ging der Osterhase dann zum Huhn, um die fertigen Eier zu besichtigen. Sein Schrecken war groß, als das Huhn ihm nur dreißig Eier vorlegen konnte. Mehr sei nicht möglich gewesen, denn vor rund vier Wochen sei ein junger Hahn auf dem Hof erschienen und habe ihre vier Töchter, die mit produzieren sollten, so verwirrt, dass die kaum noch etwas legen konnten. Das Huhn lief dabei puterrot an, und als Mann merkte der Osterhase sofort, dass auch dieses an dem jungen Hahn starken Gefallen gefunden hatte. "Diese dummen Hühner!", schimpfte der Osterhase und begab sich zur Graugans.
"Ich habe jetzt leider nur dreißig Eier zum Bemalen", sagte er zu ihr. "Das ist ohnehin zu viel für mich, weil meine Familie letzte Woche wegen des schlechten Wetters in den Süden geflogen ist", schnatterte die Graugans, "aber ich werde mich beeilen, vielleicht schaffe ich die Menge ja doch." Der Osterhase lief sofort zum Ziegenbock, der immerhin sein Wort hielt und die Eier vom Huhn zur Graugans transportierte. Natürlich konnte der Osterhase für die fehlenden Eier keinen Ersatz mehr finden und deshalb Tage lang nicht schlafen.
Am Ostersamstagnachmittag ging der Osterhase zur Graugans, um die bemalten Eier zu besichtigen. Entsetzen packte ihn, als er die Malerei sah. Alles nur hingeschmiert, nichts fein ausgemalt, wie er es gewohnt war und wie seine Kunden es auch von ihm erwarteten. "Bei dem Zeitdruck war einfach nicht mehr möglich", krächzte die Graugans. "Blöde Gans", dachte der Osterhase und ahnte, dass der Malkurs in der Toskana ganz anderen Zwecken gedient hatte. Nun aber rasch zum Ziegenbock! Als er sich dem Hof näherte, sah er schon von weitem auf dem Feld den Ziegenbock mit einer ihm bis dahin nicht bekannten äußerst jungen Ziege. Und wie der Bock um sie herumsprang! Er rief ihm zu, dass nun die Lieferung der Eier an seine Kunden fällig sei. Doch der Ziegenbock wackelte nur mit dem Kopf und sprang wie ein junges Zicklein ständig im Kreis um die junge Ziege. "Dieser alte Bock!", ärgerte sich der Osterhase, weil er nun die ganze Nacht selbst die Eier in Kleinstmengen zu den Kunden transportieren und sich anhören musste, wie hässlich die Eier aussähen.
Des Osterhasen Frau aber, die einen sehr preisgünstigen Nerz entdeckt haben wollte, irrte sich: es war Fuchs. Der Eigentümer lebte - und genoss das Mahl. Die Fuchsfrau trägt an kalten Tagen nun einen schicken Schal aus Hasenfell. Und der Osterhase beschränkt sich jetzt wieder auf seine eigenen Eier - selbst gelegt und selbst bemalt. Garantiert!

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