Der Pannwitz-Blick

Schamlose Zeiten? Wer nicht mithalten kann, schämt sich. Und im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit hat sich das Beschämungstheater grundlegend verändert
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Man muss sich der Scham nicht schämen, jedenfalls dann nicht, wenn man sich wissenschaftlich mit ihr auseinandersetzt. Das Thema ist en vogue, zuletzt hatte sich im April der größte deutschsprachige Psychotherapeutenkongress, die Lindauer Psychotherapiewoche*, ausführlich mit dem Affekt Scham befasst. Scham ist längst nicht mehr das "Aschenbrödel im Reich der Gefühle", wie dies der Psychoanalytiker Léon Wurmser noch vor 20 Jahren, 1987 angeprangert hat: "Andere Affekte - Angst, Schuld, Depression - füllen die Schriften, nicht so die sichtbare oder die verborgene Scham und ihre Schicksale ... So mancher persönliche oder soziale Konflikt wird unbefriedigend angepackt, da ein Schamproblem angegangen wird, als ob es ein Schuldproblem sei."

Mit d