Der Pinguin im Parlament

www.bundestux.de Der Ältestenrat des deutschen Bundestages findet einen Kompromiss zwischen Linux und Windows

Mit der kürzlichen Entscheidung des Ältestenrates des deutschen Bundestages, das Betriebssystem Linux auf den 150 Internet-Servern des Parlaments zu installieren, erlebt dieses frei zugängliche Programm einen wichtigen Reputationsgewinn. Einst von IT-Anarchisten und Hackern entwickelt, scheint Linux immer mehr zu einer echten Alternative nicht nur bei Computerfreaks, sondern auch bei Unternehmen, Behörden und privaten Nutzern zu avancieren.

Die Entscheidung des Bundestages war nötig geworden, weil die Firma Microsoft angekündigt hatte, ihr Betriebssystem Windows NT 4.0, das momentan auf den Servern des Bundestages installiert ist, nicht mehr zu unterstützen. Im Vorfeld gab es eine heftige Debatte über die Einführung von Linux. Konkurrent Microsoft versuchte, sowohl mit offenen Briefen als auch mit diskreten Verlockungen Einfluss auf die Mitglieder des Ältestenrates zu nehmen. Und der Konzern scheute sich nicht, den 11. September in die eigene Werbestrategie einzubauen: Wer, wenn nicht Microsoft, sei in der Lage, schnell und kompetent auf künftige Cyberterror-Anschläge zu reagieren?

Die Linux-Befürworter schlossen sich in einem Internetforum unter www.bundestux.de zusammen - benannt nach dem Linux-Maskottchen, dem Pinguin Tux. Innerhalb kurzer Zeit sammelten sie mehr als 28.000 elektronische Unterschriften für das freie System, das - so die Begründung der Initiatoren - "aus ordnungs-, wettbewerbs-, und standortpolitischen Gründen", aber auch als ein Gebot der Demokratie vom Parlament den Vorzug erhalten sollte. Microsoft Deutschland reagierte empört und fragte scheinheilig, was denn an dem eigenen Angebot undemokratisch sei. Die Emissäre von Bill Gates setzten wohl darauf, dass dessen fragwürdige Praktiken im Umgang mit Kunden und Konkurrenten noch nicht bis zum Reichstag vorgedrungen waren.

Am Ende einigte sich der Ältestenrat auf einen Kompromiss: die 150 Internet-Server, nicht aber die 5.000 Arbeitsplatzrechner der Abgeordneten und Mitarbeiter werden mit Linux bestückt. Die Bundestux-Aktivisten sehen darin zumindest einen Teilerfolg und glauben an die Signalwirkung für ganz Deutschland. Denn Linux sei nicht nur wegen seiner Offenheit besser für die Demokratie, sondern werde als quasi organische Komposition herausragender Informatiker auch ständig weiterentwickelt.

Ludwig Späth, Leitender Ministerialrat am bayerischen Obersten Rechnungshof, hat sich bereits seit längerem für eine Umrüstung der bayerischen Verwaltung auf freie Software stark gemacht. So basiert die IT-Infrastruktur der bayerischen Vermessensverwaltung praktisch komplett auf Linux, und die Server der bayerischen Verwaltungsbehörden werden ebenfalls mittlerweile von Linuxanwendungen dominiert. Der Einsatz freier Software in der öffentlichen Verwaltung sollte erheblich ausgeweitet werden, meint Späth. Schließlich könne die öffentliche Hand durch den Wegfall von Lizenzkosten für kommerzielle Produkte eine Menge Geld sparen.

Computerexperten bezeugen, dass Linux vor allem wegen seiner Effizienz und Leistung nicht mehr das schwarze Schaf der Computerbranche ist, sondern Microsoft mittel- und langfristig den Rang ablaufen könnte. Im Internetbereich hat Linux den gängigen Programmen von Windows NT 4.0 und Windows XP schon jetzt einiges voraus. Allerdings tut die öffentliche Hand immer noch viel zu wenig, um sich dem Klammergriff des amerikanischen Konzerns zu entziehen. So werden Fortbildungsmaßnahmen im Normalfall mit Produkten aus dem Microsoft-Imperium bestritten. Anwenderkenntnisse für Linux wirken noch immer extravagant und rebellisch.

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