Der Posaunist im Elysée

Dissonanzen Merkel und Sarkozy stutzen ungerührt die deutsch-französische Partnerschaft weiter

Angela will nicht mit dem kleinen Nicolas spielen. Gerüchteweise soll sie bei ihrem letzten Besuch sogar sein kleines blaues Auto mitgenommen haben. Nicolas ist jetzt zu Gordon nach nebenan gegangen. Den besucht sonst eigentlich niemand einfach so. Dem Gordon hat das gefallen, vielleicht darf er jetzt auch einmal zu Nicolas nach Hause. Andererseits gut, dass der Kindergarten bald schließt: Nicolas Sarkozys Ratspräsidentschaft über die EU ist ab 31. Dezember Geschichte, und mit ihr gehen auch die Schnellfeuer-Ankündigungen in den Orkus und die spontanen Mini-Gipfel, in deren Genuss die deutsche Kanzlerin zuletzt nicht mehr kam.

Wahrscheinlich gibt es noch eine DVD für die Journaille, sechs Monate Europa unter französischer Führung. Best of Sarko zum Anschauen und Mitbibbern: Zuchtmeister der Iren, die den Lissabon-Vertrag nicht toll fanden, Friedensstifter im Kaukasus, Retter in der Weltfinanzkrise. Und auf dem Deck des Figaro, der die Ehre hat, das Kanonenboot des Elysée-Palastes zu sein, werden schon die Rohre für die Nachrufe auf die glän­zendste aller EU-Präsidentschaften geladen. Die Wahrheit aber ist, dass man Nicolas Sarkozy außerhalb Frankreich nicht wirklich ernst nimmt. Sein im Alleingang angekündigter OSZE-Sondergipfel für den Sommer 2009, wo Russlands Forderung eines neuen europäischen Sicherheitsvertrags beraten werden sollte, haben die anderen EU-Außenminister gerade beim Jahrestreffen der Organisation mit einer gewissen Arglist versenkt. Ähnlich erging es dem Drei-Männer-Gipfel, den der französische Staatschef zusammen mit dem britischen Premier Gordon Brown und EU-Kommissionspräsident Barroso Anfang der Woche in London abhielt. Als Testlauf gedacht vor dem EU-Gipfel wenige Tage später, halb Brainstorming, halb Schnick-Schnack für die Medien, war der Effekt schon verpufft, kaum hatten die drei ihr Rednerpult verlassen. Zurück blieb die sonderbare Idee dieses Treffens. Was genau wollten Sarkozy und Brown zu Konjunkturprogrammen gegen die Finanzkrise besprechen, das für die anderen 25 EU-Staaten zu exklusiv war oder sich besser zu zweit entscheiden ließ?

Kein Gipfel ist besser als ein schlecht vorbereiteter Gipfel. Frankreichs Staatspräsident nimmt diese Grundregel der Diplomatie nur sehr widerwillig zur Kenntnis. Anfang Oktober, nach der Pleite des Hauses Lehman Brothers, hatte er im Hauruck-Verfahren zu einem Vierertreffen nach Paris eingeladen; Angela Merkel kam, doch eine konzertierte Aktion Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens zur staatlichen Bankenfinanzierung scheiterte an ihrem Widerstand. Die Optik stimmte nicht, der Plan schien zu wenig durchdacht. Sarkozy ließ nicht locker. Zehn Tage später und in einem politisch akzeptableren, größeren Kreis gelang das gemeinsame Signal an Banken und Märkte. Den Deutschen kann man vorhalten, dass sie damals die Lage mancher Banken im Land unterschätzten; den Franzosen, dass ihr Staatsoberhaupt eigene Inszenierungen und Ankündigungen wichtiger nahm als eine vorherige Absprache mit den anderen Staats- und Regierungschefs in der EU.

Geändert hat sich an diesem deutsch-französischen Gegeneinander nicht viel. "Frankreich arbeitet daran, Deutschland denkt darüber nach", stellte Sarkozy mäßig höflich fest, als Angela Merkel Ende November zu Besuch im Elysée-Palast war und sich die Zustimmung zu einem EU-weiten Konjunkturprogramm nicht abringen ließ. In Gordon Brown glaubt Frankreichs Präsident nun einen Mitstreiter gefunden zu haben, und sei es auch nur der Form halber; ein Affront gegen Merkel, die nicht zum Vorbereitungstreffen nach London sollte, ist ihm das wert.

Sarkozy und Merkel haben die deutsch-französische Freundschaft auf ein Mindestmaß gestutzt. Die Regierung in Berlin hat in diesen Tagen nicht einmal die Debatte über die Mittel zur Bekämpfung der Rezession im Griff, geschweige denn die Rezession selbst. Die Regierung in Paris dagegen posaunt morgens eine 320-Millionen-Euro-Garantie für die Banken hinaus - ohne Gegenleistung und Kapitalbeteiligung - und abends die Berufung eines "Konjunkturministers" ohne klaren Auftrag. So viel Dissonanz war selten.

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