Der Präsident ist nackt

Medientagebuch Werbung fürs eigene Blatt oder das bessere Mittel, um Missstände zu enttarnen? Warum ein Sportredakteur der "Taz" DFB-Präsident werden will

Manchmal sind Medien einfach nur Medien: Mittel, die dazu da sind, Informationen zu transportieren. Wenn zum Beispiel der Deutsche Fußballbund (DFB) einen neuen Präsidenten ausrufen will, dann ist die Rolle der Sportmedien sehr einfach zu bestimmen: Sie sollen am Ort der Verkündung anwesend sein und den einzigen Kandidaten, der für das Amt auserkoren wurde, halbwegs richtig schreiben: Niersbach mit ie, Vorname: Wolfgang. So wird ab März der neue Präsident des größten Sportfachverbandes der Welt heißen.

Niersbach hat nämlich keinen Gegenkandidaten. Es sei denn, man nähme die Medien ernst. Andreas Rüttenauer ist Sportredakteur der Taz und hat seine Kandidatur angekündigt. Er wird aber nicht DFB-Präsident werden. Und zwar weil er es nicht darf: Nominiert werden kann ein Kandidat nur von einem Landesverband des DFB. Nicht von Vereinen, nicht von Fans und natürlich auch nicht von den Medien.

Was Rüttenauer will, hat er der Sport­öffentlichkeit mitgeteilt: den Fußball zu einer „Graswurzelbewegung“ machen, dem DFB „echte Demokratie“ beibringen und die „ungebremste Kommerzialisierung“ doch irgendwie ausbremsen. Was Rüttenauers – nennen wir ihn einfach mal so – Gegenkandidat Wolfgang Niersbach inhaltlich will, hat er noch nirgends gesagt. Keine Konzepte, nur Verlautbarungen à la er, Niersbach, sei ein „Mannschaftsspieler“, er kenne den DFB „in all seinen Facetten seit über 20 Jahren“. Und: „Ich habe höchsten Respekt vor diesem Amt.“ Ein Wulff im DFB-Dress also. Oder – mit einem Textil weniger formuliert: Der Präsident ist nackt, und nur eine kleine Tages­zeitung hat sich getraut, diese Wahrheit auszusprechen.

Farblose Bürokraten

Auch wenn die Kandidatur von Andreas Rüttenauer nicht dazu führen wird, dass die Taz künftig den DFB-Chef stellt, so hat sie doch offengelegt, wie undemokratisch eine der wichtigsten Chefpositionen in dem, was sonntags gerne Zivilgesellschaft genannt wird, vergeben wird. Und sie hat gezeigt, wie wenig Ideen ein farbloser Bürokrat braucht, um Präsident des wichtigsten Sportverbandes des Landes zu werden.

Den Trick, dass man Missstände mit anderen Mitteln als einem scharfen Kommentar viel effektiver offenlegen kann, haben Rüttenauer und die Taz nicht erfunden. Im Mai letzten Jahres hatte der FAS-Feuilletonredakteur Claudius Seidl sich für das Amt des ZDF-Intendanten beworben – und mit dem bloßen Akt der Kandidatur offenbart, wie ausgekungelt die Postenver­gabe bei dieser Anstalt abläuft, die sich so gerne als öffentlich-rechtlich preist. Und im Frühjahr 2011 hatte der amerikanische Fußballjournalist Grant Wahl eine Kampagne für das Amt des Präsidenten des Weltfußballverbandes Fifa gestartet. Auch Wahl wurde nicht erst zur Wahl vorgelassen, denn es hätte sich – ähnlich wie bei Rüttenauer – ein Fifa-Mitgliedsverband finden müssen, der ihn nominierte. Doch Wahl gelang, was ihm mit einer Story im Blatt seines Arbeitgebers Sports Illustrated nie gelungen wäre: einer möglichst großen Öffentlichkeit zu zeigen, wie undemokratisch es im Weltfußball zugeht.

Ein Taz-, ein FAS- und ein Sports-Illustrated-Redakteur – nutzen hier nicht Zeitungsverlage bloß eine Bühne, um Werbung für ihre Print-Titel zu betreiben? Könnte man vermuten – wenn da nicht die anderen wären, die Amtsinhaber. Der designierte ZDF-Intendant Thomas Bellut ist gelernter Journalist, Fifa-Präsident Sepp Blatter war früher Sportjournalist, und was hat eigent­lich Wolfgang Niersbach vor seiner Funktionärskarriere gemacht? Er war Redakteur beim Sportinformationsdienst.

Martin Krauß ist Sportjournalist

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