Der Preis des Sieges

Frankreich Der Front National hat seine ehrgeizigen Ziele bei den Regionalwahlen zwar nicht erreicht, kann sich aber für die Präsidentenwahl 2017 ermutigt fühlen
Ausgabe 51/2015
Nach Premier Valls ist Frankreich gerade noch einem „Bürgerkrieg“ entkommen
Nach Premier Valls ist Frankreich gerade noch einem „Bürgerkrieg“ entkommen

Foto: Dominique Faget/AFP/Getty Images

Zuletzt erlebte die Kampagne bei den französischen Regionalwahlen noch einen Paukenschlag. Premier Manuel Valls warnte vor nichts Geringerem als einem „Bürgerkrieg“, falls der Front National (FN) in einigen der 13 Regionen an die Macht gelange. Wie fast immer sind starke Worte in der Politik ein Zeichen der Schwäche. Gerade erst hatte Valls eine Neugründung des Parti Socialiste (PS) als Sammlungsbewegung „aller progressiven Kräfte“ vor der Präsidentenwahl 2017 verlangt.

Die Aufgeregtheit vor der Wahl mit dem Tenor „Sturmflut“, „Schock“ und „Katastrophe“ beruhte auf oberflächlicher Analyse. Wenn man die absoluten Zahlen und nicht die prozentualen Wähleranteile betrachtet, hat der FN seine Wählerschaft seit Ende der 90er Jahre von fünf auf knapp sieben Millionen vergrößert. Stärker gestiegen ist die Zahl der Nichtwähler (auf 50 Prozent oder 22,4 Millionen). Die Wählerzahl der fünf mit dem FN konkurrierenden Parteien lag im ersten Wahlgang zusammen bei 14,6 Millionen. Das entspricht 32,7 Prozent der Wählenden.

Mehr als eine plötzliche „Sturmflut“ des Rechtspopulismus dokumentiert die Regionalwahl eine schleichende Krise und Auszehrung der Parteien sowie politische Indifferenz bei immer mehr Franzosen. Das relativiert die Rede vom „Sieg“ des FN – die Resultate der Stichwahl bestätigen das.

Die Wahlbeteiligung stieg auf 59 Prozent, womit der FN keine Chance hatte, auch nur eine Region zu erobern. Konservative Republikaner aus dem Sarkozy-Lager und Sozialisten klopfen sich zum x-ten Mal mit dem Spruch an die Brust, le barrage républicain (der republikanische Widerstand) gegen den Rechtspopulismus habe funktioniert.

Funktioniert hat gar nichts, denn keines der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Defizite, die den FN erfolgreich machen, hat auch nur den Hauch einer Chance, gelöst zu werden. Es wird weitergewurstelt wie bisher und nichts wird verändert – in einer erst einmal nur stillen großen Koalition. Deren Preis: Der FN wird noch stärker, die konservativen Republikaner um Sarkozy rücken noch mehr nach rechts und die Sozialisten versuchen, ihre Position zu halten, indem sie die am 13. November verletzte „französische Identität“ (Valls) mit Kriegsbereitschaft à tous azimuts kompensieren.

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