Der Presslufthammer hat ausgedient

Neu im Kino Colin Farrell statt Arnold Schwarzenegger: Auch davon abgesehen ist Len Wisemans Remake des Sci-Fi-Klassikers "Total Recall" die überzeugendere Dystopie

Wie mag ein Blockbuster im Jahre 2084 aussehen? Die aktuelle Schwemme der Sequels, Prequels und Remakes scheint darauf hinzudeuten, dass das Kino in den nächsten Jahrzehnten byzantinische Formen annehmen wird: eine Ikonographie der rituellen Wiederholung, in der bestimmte Figuren und Handlungsverläufe nach überlieferten Traditionen immer wieder neu inszeniert werden. Ein strenges Konsortium aus Online-Rezensenten wird darüber wachen, dass keine Abweichung unbemerkt bleibt.

Len Wisemans Neuverfilmung von Paul Verhoevens Arnold-Schwarzenegger-Vehikel Total Recall von 1990 hätte 2084, im Jahr, in dem seine Handlung angesiedelt ist, dann sehr wahrscheinlich die sofortige Exkommunikation aller Beteiligten zur Folge. Nicht etwa, weil Wisemans Version im Plot tatsächlich so anders wäre als die Vorlage, nein, eher ist es die Summe der kleinen Unterschiede, die letztlich den „Geist“ des Films ganz anders erscheinen lässt. Was schon heute der Gemeinde der eingeschworenen Fans nicht in den Kram passt.

Fabrikarbeiter mit Albträumen

Dabei scheinen die Unterschiede und Abweichungen zu Beginn kaum ins Gewicht zu fallen: Colin Farrell übernimmt für Arnold Schwarzenegger, das kann man zunächst nur als angenehm bewerten. Wie im Original ist er ein verheirateter „Fabrikarbeiter“, den nachts Albträume plagen, in denen eine ihm unbekannte Frau auftaucht. Wo Schwarzenegger noch mit dem Presslufthammer agierte, steht Farrell am Fließband und fertigt Roboter – wie doch die Jahre das Bild der Zukunft modernisiert haben. Die einschneidendste Änderung besteht darin, dass Wiseman und seine Drehbuchautoren das Geschehen vom Mars zurück auf die Erde verlegt haben – die aber sehr wesentlich ihre Gestalt verändert hat. Im Jahr 2084, so informiert eine Schrifttafel zu Beginn, gibt es in Folge von „chemischen Kriegen“ auf der Erde nur noch zwei bewohnbare Gegenden: die „UFB“, die United Federation of Britain, und „The Colony“, hervorgegangen aus dem, was einmal Australien war. Verbunden sind diese beiden überbevölkerten Territorien durch einen Fahrstuhl, der durch den Erdkern führt und so schlicht wie nachdrücklich „The Fall“ genannt wird.

Im veränderten Setting ereignen sich jedoch mehr oder weniger die gleichen Dinge – die hier aus Rücksicht auf die Spoilerempfindlichen ungenannt bleiben sollen. Nur so viel: Alles erscheint „politischer“, verhandelt aber ebenfalls existenzielle Identitätsfragen, wie: „Wer bin ich, wenn ich nicht ich bin?“ oder auch: „Alle scheinen mich zu kennen – außer mir“.

Humorlose Düsternis

Anders als diese pointierten Sätze vermuten lassen, liegt der Hauptunterschied von Original zu Remake jedoch in der Abwesenheit von Humor. Wer Arnold Schwarzeneggers launige One-Liner, mit denen er stets seine besonders gewalttätigen Akte abschloss, aber schon immer reichlich stupide (und sexistisch, rassistisch oder schlimmeres) fand, wird dies kaum als Mangel empfinden. Im Gegenteil, gerade in der ernsten Düsternis von Wisemans Variante liegt deren besonderer Charme. Unterstrichen wird die dystopische Atmosphäre noch durch ein großartiges Setdesign. Das London des Jahres 2084 ist labyrinthisch überbaut und überformt, in kleinen Details aber erkennt man das vormals Vertraute: ein Supermarktwagen, ein U-Bahn-Waggon und einmal auch Big Ben, ein kleines Glockentürmchen unter gigantischen Stahlbetonkonstruktionen. Kinos scheint es im Übrigen 2084 keine mehr zu geben.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

Avatar

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden