Der Spion, der aus dem Laptop kommt

Staats-Trojaner Nach der Entschlüsselung des Trojaners bleibt vorerst unklar, welche Behörde die Software eingesetzt hat. Die Bundesregierung lässt jetzt nachforschen

Nach der Entschlüsselung einer staatlichen Spionage-Software durch den Chaos Computer Club (CCC) bleibt vorerst unklar, wer den Trojaner programmiert und welche Behörde ihn eingesetzt hat. Im Bundeskanzleramt wurde am Montag beteuert, dass keine Bundesbehörde hinter dem jetzt debattierten Big Brother-Modul stecke. Möglich ist allerdings der Einsatz durch eine Landesbehörde. Denn Landeskriminal- und Verfassungsschutzämter haben das Recht, im jeweiligen Bundesland Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen. Die Bundesregierung hat sie jetzt aufgefordert, zur Aufklärung des Ursprungs der vom CCC gehackten Software beizutragen.

Grundsätzlich gilt diese nicht als wirklich neu oder einmalig. Denn es gibt schon heute fast nichts, was Online-Ermittler nicht ausspähen können – ob es nun um Funkaufklärung, Internetausspähung oder Telefonüberwachung geht, ob Kontenbewegungen, Texte in Blogs, in E-Mails, Absprachen auf Homepages, in Chats oder auf einer Videokonferenz mitgelesen werden sollen. Zur Terrorabwehr ist die verschlüsselte Vernetzung von Behörden und ihren Ermittlern über digitale Sende- und Empfangsmasten, über Satelliten, über Richtfunk, unterirdische Erdkabel und geheime Verbindungsknoten längst Realität. Um Informationen „Verdächtiger“ abzuschöpfen, ist den Spähern nationaler und internationaler Ermittlungsbehörden letzten Endes keine Wohnung wirklich heilig – und keine Software zu teuer.

Neu an dem nun enthüllten Programm ist, dass es eben nicht nur die Telekommunikation und den Datenverkehr über Email überwacht („Quellen-Telekommunikationsüberwachung“), sondern zusätzlich als so genannter Trojaner missbraucht werden kann. Diese Zusatzfunktion kann den befallenen Rechner fernsteuern, darauf beliebige Dateien ablegen und ausführen lassen, ihn in seiner Gesamtheit durchsuchen und ihn als audiovisuelle Überwachungswanze im privatesten Lebensumfeld des Betroffenen in Betrieb nehmen.

Kommunikationsspion und Allroundwanze

Diese Verzahnung von Kommunikationsspion und Allroundwanze verstößt vermutlich gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2008. Wörtlich heißt es da: "Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen." Also bei Gefahr für "Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt".

Experten vermuten, dass die nun aufgetauchte Software in Bayern genutzt worden sein könnte. Das dortige Landeskriminalamt (LKA) observierte Mitte 2009 einen Kaufmann aus Landshut, der angeblich gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen und wegen "banden- und gewerbsmäßigem Handel und Ausfuhr von Betäubungsmitteln" verdächtig war. Der Mann stand also weder unter Terrorverdacht, noch war er eines Kapitalverbrechens beschuldigt worden. Doch die Ermittler setzten eine Software ein, die nicht nur die Telekommunikation des Kaufmannes abschöpfte, sondern auch Fotos anfertigte, wenn der Mann vor seinem Rechner saß, seine Skype-Kommmunikation per Video und Sprache mitschnitt und sämtliche Dateien und den Internetbrowser kopierte und an das LKA Bayern sendete. Die Polizei nutzte die Spionage-Software also nicht zur Gefahrenabwehr, wie es das Bundesverfassungsgericht vorschrieb, sondern, um eine mutmaßliche Straftat aufzuklären. Eine Anklage gibt es bis heute nicht, womöglich weil die Staatsanwaltschaft ahnt, dass die Ermittler unlauter vorgegangen waren.

Im Zusammenhang mit dem CCC- Fund der kombinierten Spionagesoftware weichen Vertreter des Bundesinnenministeriums geschickt aus. „Wir haben alle relevanten Behörden der Länder aufgefordert, uns bei der Aufklärung behilflich zu sein“, heißt es da. Interessanterweise halten sich die Ministerialen eine Möglichkeit offen: Dass der Trojaner nicht aus einer Behörde stammt sondern von einem externen „Dienstleister“, der im Auftrag des Staates Bürger beschnüffeln darf.

Dieses Vorgehen wäre in der Tat dann doch neu in Deutschland.

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