Was zu erwarten war, trat ein. Es gab mit 76,7 Prozent eine überwältigende Mehrheit für Wladimir Putin, während „Korruptionsjäger“ Alexei Nawalny mit seinem Boykottaufruf gescheitert ist. Die Botschaft dieser Wahl ist unüberhörbar: Stabilität, Sicherheit, keine Revolution, kein Weg zurück, keine Abenteuer voraus, alles wie gehabt. Ruhe ist der erste Wunsch des postsowjetischen Menschen. Wär’s nicht nachweislich ein russisches, es könnte ein deutsches Wahlergebnis sein.
Und doch, wer glaubt, dass alles so weitergeht wie bisher, der irrt. Der Sieger selbst versprach Veränderungen für den Fall der erneuten Präsidentschaft: Entbürokratisierung, Wachstum, Reformen im Sozialen. Und er versprach diesen Wandel nicht nur. Mit rigider Umbesetzung von Ämtern traf er schon im Vorfeld des Votums Vorsorge dafür, das Notwendige durchsetzen zu können. Denn so viel ist klar: Das erneute Mandat erhielt Putin zwar für die von ihm verfolgte Stabilitätspolitik, aber ewige, zudem noch autoritäre Stabilität muss letztlich enden – in Stagnation. Und das ist wohl die größte Herausforderung, außenpolitisch wie auch innenpolitisch. International wird sich nach der Eingliederung der Krim, der Teilbefriedung Syriens wie dem Bündnis mit China die Bilanz kaum ausbauen lassen. Die Welt verharrt beim Status quo. Russlands, konkret Putins Part dabei ist der des Krisenmanagers. In dieser Hinsicht kommt derzeit niemand an ihm vorbei, aber Perspektiven ergeben sich daraus kaum. Putin hat in seiner kürzlich gehaltenen Rede an die Nation deutlich zu verstehen gegeben, dass er Russland gegen jedweden Angriff verteidigen wird.
Innenpolitisch stehen lange vernachlässigte Reformen an. Das beginnt mit so banalen, aber drängenden Themen wie der nationalen Müllbeseitigung, geht über den Wohnungsbau, die Zweiklassenmedizin, marode Infrastrukturen bis hin zu der weit auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich. Bezogen auf die innere Lage hat Putin vor der Abstimmung erklärt, er wolle die Kräfte der Selbstorganisation stärken. Sein Aufruf an seine Mitbewerber nach der Wahl, Ressourcen zu bündeln, geht in die gleiche Richtung. Von der Bevölkerung könnten solche Töne, verbunden mit der Ankündigung sozialer Reformen, als Versprechen von Liberalität und Wohlstand verstanden werden. Soll Wachstum der Motor für Reformen sein, bedeutet das mehr sozialen Druck auf die Bevölkerung bis hin zu Vorschlägen aus Beraterkreisen des Kreml, die Renten zu kürzen, indem das Rentenalter hinaufgesetzt wird.
Kurz gesagt: Putins Programm wird ein Spagat zwischen Modernisierung und sozialen Versprechen, der auch von einem erfahrenen Kampfsportler wie ihm schwer zu halten sein wird. Im Land wachsen Stimmungen, wonach sich Russland nicht weiterhin einfach dem Prozess der kapitalisierenden Globalisierung unterwerfen dürfe, sondern wieder auf einen eigenen Weg finden müsse. Nur auf welchen? Alle bisherigen Versuche, den zu definieren, blieben unvollendet. Auf Gorbatschows ökologischen Aufbruch traf das ebenso zu wie auf Jelzins nationale Idee. Wird Putins Weg nach Eurasien sinnstiftender sein?
Nein, es wird keine Ideologie helfen. Entscheidend wird sein, ob es der Präsident schafft, die Basiskräfte zu aktivieren. Das heißt, Initiativen auf allen Ebenen der Gesellschaft nicht nur zuzulassen, sondern zu fördern. Daran wird er gemessen. Daran wird sich zeigen, wohin die russische Gesellschaft geht.
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