Der Star ist das Team

Sportplatz Ja, Ja, Ja, aus Ljubljana in Slowenien wurde für die deutsche Herrenhandball-Mannschaft am 1. Februar "Jubel-ja-na". Im dritten Anlauf hat es ...

Ja, Ja, Ja, aus Ljubljana in Slowenien wurde für die deutsche Herrenhandball-Mannschaft am 1. Februar "Jubel-ja-na". Im dritten Anlauf hat es geklappt. Nach den Finalniederlagen 2003 bei der WM in Portugal (gegen Kroatien) und 2002 bei der EM in Schweden (Finalgegner Schweden). Den Gastgeber Slowenien haben die Jungs im Finale diesmal mit 30: 25 geschlagen. Der Fluch des "ewigen Zweiten" ist gebannt; Nation und Medien sind stolz, die Tagesthemen am Finalabend begannen mit der Handball-EM, von Anne Will mit sichtlicher Freude anmoderiert. Das hat es lange nicht gegeben. DSF hatte die Spiele übertragen, das Finale sahen bis zu fünf Millionen Zuschauer. Zuvor fühlte sich der Handball von den Medien stiefmütterlich behandelt, übertragen würde immer erst bei großen Erfolgen - und solche liegen lange zurück.

Ganze 26 Jahre zum Beispiel ist her, dass Deutschland 1978 überraschend Handball-Weltmeister wurde. Ein legendäres Team mit großen Stars stand damals, 1978, auf dem Parkett; dazu gehörten: Erhard Wunderlich, als Handballer des Jahrhunderts gefeiert, Joachim Deckarm, mit der gewaltigen Wurfkraft, der nur ein Jahr nach dem Triumph schwer verunglückte, und Heiner Brand.

1980 übrigens wurde die Herrenmannschaft der DDR Olympiasieger. Fast kein Bericht über den Titel 2004 lässt dies unerwähnt. Gesprochen wird vom "dritten Titel" der Männer im Handball. Wenn es um die sportlichen Erfolge geht, sind die Ostdeutschen offensichtlich schon 1980 Bestandteil der gesamtdeutschen Sporterfolgsgeschichte.

Das Team 2004 ist anders gestrickt als die 78er Mannschaft. In der Berichterstattung wird einmütig betont: der Teamgeist war der Schlüssel zum Erfolg in Sloweniens Tivolihalle. Der Star ist das Team. DHB Präsident Ulrich Strombach greift zu markigen Worten: "Es war ein Triumph der mannschaftlichen Geschlossenheit und des unbedingten Willens". Trainer Heiner Brand, wegen des mächtigen Schnurrbartes "Antje" genannt (Namenspate: das Walross des NDR), ergänzt: "Das sind alles Spieler mit Charakter, die eine Einheit bilden und immer alles für den Erfolg geben". Für Heiner Brand schließt sich der Kreis: 1978 wurde er als beinharter Verteidiger Weltmeister, 2004 als Trainer.

Mannschaftsport ist immer auch Spielphilosophie. Zieht ein herausragender Spieler die Fäden? Spielt er auch mal egoistisch, ist er vielleicht eine "Diva", ein "Sensibelchen" - wie Deisler und Simak im Fußball - und degradiert dabei die Mitspieler zu Wasserträgern, oder ist die Taktik das System perfekt harmonierender, etwa gleich starker Sportler?

Wie war das beim Team 2004? Der schrille Stefan Kretzschmar, Star im deutschen Handball und, nebenbei, "Franzis Freund", war verletzt. 17 andere Spieler machten sich auf die Reise, und in guten wie in schlechteren Spielen klappte das Zusammenspielen hervorragend.

In den siebziger Jahren war Individualität gefragt, echte Typen waren in. Heute ist anscheinend realistischer Pragmatismus als Gebot der Stunde, auf dem Spielfeld und anderswo. Die jüngere Spielergeneration ist leise und bescheiden im Auftreten. Verpönt ist es, den eigenen Stern heller leuchten zu lassen, als den der Mitstreiter.

Ein Beispiel: der Torwart Henning Fritz, genannt der "Hexer", gebürtiger Magdeburger. Wenn es mal nicht läuft bei ihm, gibt er dem zweiten Mann, Christian Ramota ein Zeichen. Der springt ein. Selbstverständlich ist das. Und was ist mit Pascal Hens, Spitzname "Pommes", der dünnen Ärmchen wegen. Auch er ordnet sich ein, will keine Extralorbeeren. Dabei sagt sein Trainer, Pascal habe das Zeug zum "Weltklassespieler im linken Rückraum", der "neue Erhard Wunderlich" wird er genannt. "Ach nein" wehrt der so Gelobte ab; bis zu der Klasse eines Erhard Wunderlich sei es noch weit und da müsse er erst mal die entsprechenden Titel gewinnen.

Einer der Weltmeister von 1978 ist inzwischen erfolgreicher Geschäftsmann: Erhard Wunderlich betreibt mit Ehefrau Pia das Hotel "Villa Wunderlich" am Mondsee im Salzkammergut. Die Suiten und Zimmer hat er nach seinen Karrierestationen benannt: "Suite Kopenhagen", "Doppelzimmer Gummersbach", "Doppelzimmer Barcelona". Vielleicht kommt jetzt eine Suite "Ljubljana" dazu, als Anerkennung für die neuen bescheidenen "Helden" im deutschen Handball?


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