Man muss schon größenwahnsinnig sein, um sich „Alphabet“ zu nennen. Die neue Google-Obergesellschaft zeigt sich in gewohnt naiver Optik, fast erinnernd an die „Kinderpost“. Mit dem Namen aber beansprucht Google die Weltherrschaft der (phonografischen) Zeichen. Alpha und Omega stehen für alles vom Anfang bis zum Ende – wer so spricht, ist Gott, der sich uns als verspieltes Kind zeigt.
Kühl betriebswirtschaftlich gesehen, ist die Aufteilung Googles in mehrere Gesellschaften allerdings nachvollziehbar: die Holding rechtlich in kleinere autonome Einheiten zu trennen, begrenzt die Risiken, wenn die Untergesellschaften in verschiedenen Märkten operieren. Google ist ja längst mehr als eine Suchmaschine oder ein Videokanal (youtube), aber all die Gesundheitsprodukte, selbstfahrenden Autos, Roboter und Drohnen stecken noch in den Kinderschuhen. Und trotz aller Finanzkraft ist nicht so klar, ob es wirklich Google ist, das mit seinen Sparten am Ende das Rennen macht. Künftige Aktionäre wollen wissen, wohin ihr Geld fließt.
Google wird mit diesem Schritt zu einem Mischkonzern wie Siemens, General Electric oder das indische Konglomerat Tata Gruppe. Spätestens jetzt wird klar, dass bei Google nicht einfach große Jungs mit bunten Technikspielzeugen herumprobieren. Der Mischkonzern braucht neue Führungsstrukturen, die sich auf der einen Ebene kenntnisreich auf einzelne Sparten konzentrieren. Und auf einer zweiten Ebene das Ganze steuernd im Blick halten – mit der Distanz eines Finanzinvestors. Google habe sich an der „Berkshire Hathaway“-Holding orientiert, titelten viele Medien, das ist das Börsen-Vehikel des Großinvestors Warren Buffett. Google ist mit 90 Prozent Umsatzanteil in Werbung noch heute ein Zirkuspferd, das nur einen Trick kann. Die Metamorphose in Alphabet nimmt den übernächsten Schritt vorweg: Man glaubt an das große Wachstum der anderen Geschäftsbereiche.
Aber die Umstrukturierung von Google ist nicht nur eine interne Reorganisation, an deren Ende autonome Einheiten mit eigenen Führungskulturen stehen. Alphabet hat nun die Möglichkeiten, einzelnen Tochterunternehmen Kapital zuzuführen, ihnen Partner für Joint-Ventures beizustellen oder Drittunternehmen in sie zu verschmelzen.
Spätestens mit Alphabet stellt sich für Google die Frage, was eigentlich der Kern des Imperiums ist, an dessen Rändern immer neue Ländereien angeschlossen wurden. Was hält Google zusammen? Ist es die technische Kompetenz, große Software-Plattformen für Endkunden zu entwickeln? Oder eine eigene grenzenlose Google-Ingenieurskultur, die jedem die Chance gibt, das Genie in sich zu entdecken? Oder ist der Kern eher, mit technischen Innovationen alte Industrien „disruptiv“ aufzubrechen?
Es wird spannend werden, zu beobachten, welche Rolle Kulturen und Haltungen auf der einen Seite, auf der anderen aber Digitalisierung und veränderte Geschäftsmodelle bei Google spielen. Wenn es sein Modell – wie auch immer man den Wesenskern definieren mag – nicht pflegt und entwickelt, kann der Erfolg durch Fehlinvestitionen auch gefährdet sein. Solange kein Managament-Fehler geschieht, scheint dieses Szenario absehbar: Google alias Alphabet wird noch mächtiger. Es arbeitete ja bereits hoch expansiv. Nun wird Google wohl zu einem der leistungsfähigsten und angriffsfreudigsten Private-Equity-Häuser der Welt. Ob uns das gefällt oder nicht.
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