Der Sushi-Bomber

Sportplatz Der Samstagabend ist gerettet, alles wie gehabt. Der Ball rollt wieder, ist rund wie immer, das Spiel hat 90 Minuten und am Ende gewinnen die Bayern ...

Der Samstagabend ist gerettet, alles wie gehabt. Der Ball rollt wieder, ist rund wie immer, das Spiel hat 90 Minuten und am Ende gewinnen die Bayern aus München.

Pünktlich zu Rückrundenbeginn hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) diesmal aber einen neuen Ball ins Spiel geworfen: Der heilige Anstoßtermin von 15.30 Uhr soll in die Mittagsstunden vorverlegt werden, einzig und allein um die Partien der Fußballbundesliga auf dem asiatischen Markt besser an den Mann und die eine oder andere Frau zu bringen, des Zeitunterschiedes wegen. Oh schnöder Mammon.

Die DFL beklagt, man spiele derzeit nur 15 Millionen Euro mit dem Verkauf der Fußballrechte ins Ausland ein - in England etwa, dem Mutterland des Kickens, werden fünf Mal so viele Einnahmen mit dem buy-out der Ware premier league nach abroad erzielt. Das muss historische Gründe haben, immerhin war es ein Offizier aus Großbritannien, der einst - 1873 - den soccer nach Japan brachte. Heute boomt die 1993 gegründete J-league und Fußball ist "in", auf dieser Insel, erst recht nach der WM 2002 in Japan und Südkorea, obwohl sich die Fußballrecken aus Japan dort eher mit bescheidenen Leistungen präsentierten.

Seit Mitte der neunziger Jahre findet ein Spieler Im- und Export zwischen Deutschland und Japan statt. Das Ergebnis ist ein in Japan gestiegenes Interesse am deutschen Fußball - umgekehrt wurde bislang kein Stollenschuh daraus.

"Unser" Pierre Littbarski, der "Litti" mit den Säbelbeinen, fand in der J-league ein spätes sportliches Glück und die Liebe noch dazu. Litti spricht jetzt japanisch, isst Sushi und fühlt sich als Botschafter Japans in der Welt. Neben Littbarski wagte Guido Buchwald den Sprung in die J-league, wahrlich auch das ein erstaunliches Bild: der großgewachsene Schwabe mit der rustikalen Spielweise neben den laufstarken und technisch filigranen einheimischen Spielern.

Vergangenes Jahr schließlich vermeldete der HSV die Verpflichtung des japanischen Nationalspielers und Erfolgsstürmers Naohiro Takahara, von den Fans liebevoll "Taka" genannt. "Taka" brachte den letzten Schub in die Angelegenheit. Nach weiland Yashuhiko Okudera bei Werder Bremen (zuvor 1. FC Köln) ist er erst der zweite Japaner in der Liga. Obendrein ein Mädchenschwarm. Da kann der Mehmet Scholl einpacken!

Die Japanerinnen und Japaner sind verrückt nach ihm - neuerdings auch die Hamburger Jungs und Deerns. Der HSV verkauft das geschickt. Die offizielle Website kommt in Deutsch, Englisch und Japanisch daher; die lokale Presse lobt den "Sushi-Bomber" und "Nippon-Mann" (Bild-Hamburg) und betont, dass der sein Geld wert ist - in jeder Hinsicht: "Taka, der Sponsoren Köder" (Bild Hamburg). Die Sponsoren Casio (1, 8 Millionen) und Olympus (1, 4 Millionen) stiegen beim HSV ein; alles wegen "Taka".

Klar hat Takahara längst seine eigene Website www.takahara.de. Dort werden alle Japanbilder und Klischees bedient, vom smarten Samurai zum Sushi-Esser und Shogi-Spieler (die japanische Variante des Schachs).

Am 1. Februar 2004 muss der HSV beim "Nordderby" in Hannover antreten. "Taka" feiert dann eine kleine Premiere: ein Jahr beim HSV. Und was sagt "Taka"? Er will noch acht Tore für den HSV schießen und sein Deutsch verbessern. Das Hamburger Abendblatt weiß zu vermelden, eine Freundin hat er noch nicht (23.1. 2004).

Wenn Taka schon Deutsch lernt, müssen wir dann Anstoß am Anstoß nehmen? Lang und breit war die Diskussion um das samstägliche Anpfiff-Ritual 15.30 Uhr, das seit Beginn der Bundesliga steht. Doch die Gleichung heißt: Japan = wirtschaftliche Supermacht = großer Markt = Kohle ohne Ende = die Bedingungen dafür müssen her. Die Entscheidung für die frühere Anstoßzeit wird kommen, so sicher wie "Taka" ein Exportschlager bleibt. Dazu befragte Profis sehen das ganz cool: "Wenn das ein neuer Markt ist, klar, machen wir da mit!" Es wird ihnen auch nix anderes übrig bleiben; selbst die Arbeitsplätze der Profis und "Millionarios" sind nicht mehr sicher, die Clubs brauchen neue Einnahmen und in good old Germany sind sprudelnde Geldquellen nicht mehr zu finden.


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