Vor allem in der politischen Praxis sind die SPÖ und die Freiheitlichen von der FPÖ nicht so weit voneinander entfernt, wie von den Sozialdemokraten und den Medien immer wieder gern unterstellt wird. Wenn der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) meint, dass es „keine Barrieren gibt, die nicht zu überwinden sind“, und auch der freiheitliche Spitzenkandidat Johann Tschürtz feststellt, dass es „keinerlei Unstimmigkeiten“ gäbe, dann mogeln sie nicht. Es ist so. Leider. Es gibt keinen Rechtsruck, die SPÖ war vorher nicht linker als jetzt. „Real ändert sich nichts, was aber optisch getrennt gewesen ist, wird nun wieder vereint“, schreibt Hans Göttel, der Studienleiter des Europahauses in Eisenstadt
adt.„Grenzen kontrollieren. Wirtschaftsflüchtlinge abschieben“ (FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache), da ist man sich näher als gemeinhin angenommen werden darf. So wird es im Burgenland kein Erstlager, kein Asylzentrum und keine Kasernen für Flüchtlinge geben. Wir hätten uns bemüht, werden fortan die Sozialdemokraten treuherzig erzählen, aber uns sind die Hände gebunden. Gleichzeitig werden sie sich die Hände reiben und in Unschuld waschen. Die FPÖ ist direkter und gröber, aber mehr als eine Vollstreckerin herkömmlicher Politik in Österreich ist sie nicht. Damit wird die Partei nicht verharmlost, sondern umgekehrt werden ihre etablierten Gegner nicht mehr bagatellisiert. Vom Großteil ihrer Wählerschaft wird der SPÖ eine restriktive Politik in der sogenannten Ausländerfrage alles andere als übel genommen. Das ist die traurige Realität, die es zwar nicht anzuerkennen, aber doch zu erkennen gilt. Das große Problem sind weniger die Parteien als die Wähler selbst. Das jedoch traut sich niemand offen auszusprechen.Hans Niessl, der jetzt als Buhmann erscheint, hat nur auf den Punkt gebracht, was ist. Niessl, Jahrgang 1951, von Beruf Hauptschullehrer, war von 1987 bis 2000 Bürgermeister in Frauenkirchen, einer kleinen Gemeinde im burgenländischen Seewinkel. Seit 2005 ist er Landeshauptmann in Eisenstadt, außerdem noch stellvertretender Bundesvorsitzender der SPÖ. Vom Typus her ein braver Parteioffizier, in keiner Hinsicht auffällig. Aber jetzt, wo es um den Posten des Landeshauptmannes ging, wollte sich Niessl von ÖVP und FPÖ nicht austricksen lassen. Worum es geht, offenbarten die parallelen Ereignisse in der Steiermark. Dort hatte die ÖVP nach verlorener Wahl – und obwohl nur Zweiter – von der SPÖ den Landeshauptmann erpresst und gedroht, ansonsten hätte sie mit den Freiheitlichen koaliert. Die SPÖ hat sich in Graz als stimmenstärkste Partei zwar in die Regierung „gerettet“, aber eine große Demütigung erfahren.Würde man Niessls rot-blaues Regierungsübereinkommen wirklich analysieren, müsste eigentlich etwas anderes auffallen. Und zwar die neoliberale Stoßrichtung des gemeinsamen Programms mit der FPÖ. Dabei wird Modernität in den Totschlag-Begriffen einer ökonomifizierten PR-Sprache reklamiert. Niessl reiht Textbausteine aneinander, es dominiert das Copy-&-Paste-Verfahren. Zuhauf finden sich Sätze wie „Zudem ermöglicht die Neuausrichtung des ‚Konzerns Burgenland‘ mehr Effizienz, Transparenz und die Hebung von Synergien.“ Im neuen Tourismusgesetz gelte es, das Prinzip „weniger Geld für die Verwaltung, mehr Geld für Marketing“ umzusetzen. Niessl weiß, was man zu sagen hat, auch wenn er nicht so genau weiß, was er sagt.Es war immer nur eine Frage der Zeit, bis die Ausgrenzung der FPÖ durch die SPÖ kippen wird. Das ist nun der Fall. Dass es ausgerechnet Hans Niessl ist, der sich zur Koalition entschließt, scheint hingegen Zufall. Wenn man ihm gar vorwirft, dass er jetzt ein Tabu bricht und Unerhörtes tut, dann wird so getan, als hätte die SPÖ das Schlimme bisher nicht auch schon getan. In nicht wenigen Gemeinden koalieren SPÖ und FPÖ, oft verdeckt, manchmal ganz offen. Bis vor kurzem gab es in fast allen österreichischen Bundesländern eine Proporzregelung. Ab einer gewissen Stärke standen sämtlichen Parteien Landesräte in der Regionalexekutive zu. Die FPÖ war also schon bisher in den meisten Landesregierungen vertreten. Was früher automatisch galt, ist nun eine Frage freier Partnerwahl. Eine richtige Premiere ist das nicht.Zweifellos hat Niessl einen SPÖ-Parteitagsbeschluss ignoriert, der da lautet, dass mit der FPÖ auf keiner Ebene koaliert werden darf. Der Landeshauptmann nennt diese Vorgabe inzwischen auch offen einen Fehler. Niessl tut nichts Außergewöhnliches, er tut das, was in solchen Situationen oft getan wird. Politik konstituiert sich durch die Differenz zwischen Aussage und Handlung. Diese Differenz ist kein Widerspruch, sondern eine Entsprechung. Seit langem gibt es in der SPÖ prominente Vertreter, die sich für eine engere Kooperation mit den Freiheitlichen ausgesprochen haben. Man denke nur an Karl Schlögl, den Ex-Innenminister und nunmehrigen Bürgermeister von Purkersdorf, der immer schon diese Variante forcierte. Viele Gewerkschafter und Lokalpolitiker meinen, dass sie mit der rechtspopulistischen Partei besser fahren als mit der marktliberalen ÖVP. So ziemlich nichts ist neu, was da abgeht.Dass Niessl mit der Entscheidung Grundsätze über Bord geworfen haben soll, kann man nicht sagen, und die SPÖ-Basis im Burgenland sieht das genau so. Niessl ließ sich sein Bündnis ausdrücklich durch eine Mitgliederbefragung demokratisch legitimieren. Man soll das nicht goutieren, aber so zu tun, als sei da nun Verrat im Spiel und die Identität der SPÖ (welche?) in Gefahr – das ist allemal theatralisches Getöse. Ebenso die obligate Rücktrittsforderung an Bundeskanzler und Parteichef Werner Faymann.