Der tödlichen Umarmung entkommen

E-Books Wer bestimmt die Konditionen auf dem Buchmarkt? Amazon bekommt öffentlich Druck von amerikanischen Schriftstellern – nun haben sich auch deutsche Autoren eingeschaltet
Ausgabe 33/2014
Amazon-Chef Jeff Bezos steht unter Druck
Amazon-Chef Jeff Bezos steht unter Druck

Foto: David Ryder/ AFP/ Getty Images

Am vergangenen Sonntag veröffentlichten 909 Autorinnen und Autoren einen offenen Brief in der New York Times, unter ihnen so bekannte Schriftsteller wie Douglas Preston, John Grisham und Stephen King. Sie fordern Amazon-Chef Jeff Bezos auf, Produkte aus dem Verlagshaus Hachette nicht länger zu boykottieren und den seit Monaten andauernden Streit zu beenden. Statt den Lesern Bücher vorzuenthalten, solle sich Bezos seiner eigentlichen „Obsession“ widmen – dem perfekten Service am Kunden. Um den Worten auch Taten folgen zu lassen, gaben die Autoren Bezos’ E-Mail-Adresse an: Vielleicht könnten Leserzuschriften den Amazon-Chef ja umstimmen.

Die Reaktion der Gegenseite erfolgte prompt. Noch am selben Tag veröffentlichte Amazon ebenfalls einen offenen Brief. Darin wiederholt der Konzern seine Forderung, die Preise für E-Books müssten auf unter zehn Dollar fallen. Nur dann wachse auch der Umsatz – vor allem der von Amazon. Denn zugleich verlangt der Konzern von den Verlagen höhere Preisnachlässe auf E-Books: 50 statt der bisher üblichen 30 Prozent. Am Ende ließ es sich auch Amazon nicht nehmen, die E-Mail-Adresse von Hachette-Geschäftsführer Michael Pietsch weiterzugeben. Dessen Postfach dürfte nun ebenfalls überquellen.

Nun haben sich auch deutsche Autoren mit einem öffentlichen Brief an Amazon gewandt, in dem sie gegen die Vorgehensweise des Internet-Konzerns protestieren und ihre angloamerikanischen Kollegen unterstützen. Unter ihnen sind die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, Günther Wallraff, Nele Neuhaus und John von Düffel.

Was mitunter wie der Rosenkrieg zerstrittener Ehepartner anmutet, ist bitterer Ernst. Amazon steht unter immensem Druck, endlich aus den roten Zahlen zu kommen. Allein im laufenden Quartal rechnet der Konzern mit einem Minus von 800 Millionen US-Dollar. Die Verlage hingegen wollen sich nicht noch mehr Geld von dem Konzern abpressen lassen. Vor allem aber wird der Ausgang des Streits darüber entscheiden, wer künftig die Konditionen auf dem Buchmarkt bestimmt.

Der Haken ist nur: Amazon sitzt auf die Dauer am längeren Hebel. Denn letztendlich entscheiden die Kunden, wo sie ihre Bücher kaufen. Und für sie zählt in erster Linie nur die eine Frage: Wer hat den niedrigsten Preis und den besten Service? Gerade auf diesem Feld ist Amazon derzeit nicht zu schlagen – auch weil es bislang keine nennenswerte Alternative gibt.

Amazons Marktmacht lässt den Verlagen somit keine andere Wahl. Um dem Unternehmen erfolgreich die Stirn bieten zu können, müssen sie eine eigene, unabhängige Buchhandelsplattform aufbauen. Gerade hierzulande sind die Voraussetzungen dafür ideal. Verlage, Zwischen- und Buchhandel sind im Börsenverein des Deutschen Buchhandels bestens vernetzt. Was fehlt, sind Geld und ein paar Kreative. Beides aber sollte sich finden lassen.

Den Kunden böte eine solche Amazon-Alternative einen echten Mehrwert. Das breite Sortiment und die noch immer rekordhohe Buchhandelsdichte ermöglichten vielerorts eine Lieferung noch am gleichen Tag. Zudem könnte hier der Kunde selbst entscheiden, welche Daten er preisgibt und was mit diesen geschieht. Und gekaufte E-Books dürfte er auch dann noch lesen, wenn er sein Nutzerkonto löscht – anders als bei Amazon. Die Verlage müssen den Internetkonzern Amazon also nicht nur kopieren, sondern besser machen. Nur dann entkommen sie auch dessen tödlicher Umarmung. Und nur dann hat auch das Kulturgut Buch eine sichere Zukunft.

Daniel Leisegang veröffentlichte vor kurzem Amazon. Das Buch als Beute

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Geschrieben von

Daniel Leisegang

Redakteur der »Blätter für deutsche und internationale Politik« (http://www.blaetter.de ) und Autor des Buches »Amazon – Das Buch als Beute«

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