Am vergangenen Sonntag veröffentlichten 909 Autorinnen und Autoren einen offenen Brief in der New York Times, unter ihnen so bekannte Schriftsteller wie Douglas Preston, John Grisham und Stephen King. Sie fordern Amazon-Chef Jeff Bezos auf, Produkte aus dem Verlagshaus Hachette nicht länger zu boykottieren und den seit Monaten andauernden Streit zu beenden. Statt den Lesern Bücher vorzuenthalten, solle sich Bezos seiner eigentlichen „Obsession“ widmen – dem perfekten Service am Kunden. Um den Worten auch Taten folgen zu lassen, gaben die Autoren Bezos’ E-Mail-Adresse an: Vielleicht könnten Leserzuschriften den Amazon-Chef ja umstimmen.
Die Reaktion der Gegenseite erfolgte prompt. Noch am selben Tag veröffentlichte Amazon ebenfalls einen offenen Brief. Darin wiederholt der Konzern seine Forderung, die Preise für E-Books müssten auf unter zehn Dollar fallen. Nur dann wachse auch der Umsatz – vor allem der von Amazon. Denn zugleich verlangt der Konzern von den Verlagen höhere Preisnachlässe auf E-Books: 50 statt der bisher üblichen 30 Prozent. Am Ende ließ es sich auch Amazon nicht nehmen, die E-Mail-Adresse von Hachette-Geschäftsführer Michael Pietsch weiterzugeben. Dessen Postfach dürfte nun ebenfalls überquellen.
Nun haben sich auch deutsche Autoren mit einem öffentlichen Brief an Amazon gewandt, in dem sie gegen die Vorgehensweise des Internet-Konzerns protestieren und ihre angloamerikanischen Kollegen unterstützen. Unter ihnen sind die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, Günther Wallraff, Nele Neuhaus und John von Düffel.
Was mitunter wie der Rosenkrieg zerstrittener Ehepartner anmutet, ist bitterer Ernst. Amazon steht unter immensem Druck, endlich aus den roten Zahlen zu kommen. Allein im laufenden Quartal rechnet der Konzern mit einem Minus von 800 Millionen US-Dollar. Die Verlage hingegen wollen sich nicht noch mehr Geld von dem Konzern abpressen lassen. Vor allem aber wird der Ausgang des Streits darüber entscheiden, wer künftig die Konditionen auf dem Buchmarkt bestimmt.
Der Haken ist nur: Amazon sitzt auf die Dauer am längeren Hebel. Denn letztendlich entscheiden die Kunden, wo sie ihre Bücher kaufen. Und für sie zählt in erster Linie nur die eine Frage: Wer hat den niedrigsten Preis und den besten Service? Gerade auf diesem Feld ist Amazon derzeit nicht zu schlagen – auch weil es bislang keine nennenswerte Alternative gibt.
Amazons Marktmacht lässt den Verlagen somit keine andere Wahl. Um dem Unternehmen erfolgreich die Stirn bieten zu können, müssen sie eine eigene, unabhängige Buchhandelsplattform aufbauen. Gerade hierzulande sind die Voraussetzungen dafür ideal. Verlage, Zwischen- und Buchhandel sind im Börsenverein des Deutschen Buchhandels bestens vernetzt. Was fehlt, sind Geld und ein paar Kreative. Beides aber sollte sich finden lassen.
Den Kunden böte eine solche Amazon-Alternative einen echten Mehrwert. Das breite Sortiment und die noch immer rekordhohe Buchhandelsdichte ermöglichten vielerorts eine Lieferung noch am gleichen Tag. Zudem könnte hier der Kunde selbst entscheiden, welche Daten er preisgibt und was mit diesen geschieht. Und gekaufte E-Books dürfte er auch dann noch lesen, wenn er sein Nutzerkonto löscht – anders als bei Amazon. Die Verlage müssen den Internetkonzern Amazon also nicht nur kopieren, sondern besser machen. Nur dann entkommen sie auch dessen tödlicher Umarmung. Und nur dann hat auch das Kulturgut Buch eine sichere Zukunft.
Daniel Leisegang veröffentlichte vor kurzem Amazon. Das Buch als Beute
Kommentare 8
Die Zusammenhänge sind klar. Die Reaktion der Kunden müsste ebenso klar wie eindeutig sein, ist es aber nicht. Verstehe es wer will! Und vor allem gilt das für die E-Books, die auch noch an den Kindle gebunden sind. Nachteile über Nachteile.
Denn es gibt genügend Alternativen zu Amazon. Wer Libreka nicht will - dort ist die Zeit des runterladens auf 3 Jahre begrenzt (soweit ich dass bei einigen Käufen gesehen habe), - kann z.B. "Buch24.de" oder "Buchkatalog.de" nehmen. Es gibt weitere Anbieter, man muss einfach mal etwas suchen.
Auf jeden Fall ist für mich wichtig, dass ich mit dem Kauf das unbegrenzte Recht am digitalen Buch erworben habe und es ggf. nach Jahren noch einmal von meinem Konto laden kann.
Als E-Reader mit einer großen Anzahl von Formaten kann ich das PocketBook Touch Lux empfehlen. Hier können auch Audiodateien gespeichert werden.
Was den DRM-Schutz betrifft und die "Muss-Verbindung" zu Adobe Digital Editions, dazu gibt es Lösungen mit Calibre. Aber nicht, um die Rechte von Autoren und Verlagen aufzuheben, sondern um ohne Registrierungen frei das E-Book auf seinem Reader zu lesen (auch im ePub-Verzeichnis von Firefox).
"Um dem Unternehmen erfolgreich die Stirn bieten zu können, müssen sie eine eigene, unabhängige Buchhandelsplattform aufbauen."
Es wird ihnen vermutlich ähnlich ergehen wie den Zeitungsverlagen mit Google.
Diese "alberne", vielbeschworene, "freie Marktwirtschaft" will sich auch da schon wieder durchsetzen...
;-)
Döpfner und Kollegen kümmern sich allerdings auch bereits um eine „eigene“ Suchmaschine:
http://bit.ly/1nCWAgC
Es gibt ja schon einige Alternativen im Internet, die im Grunde keinen schlechteren Service als Amazon bieten.
Amazon hat einfach im Onlinehandel und bei eBooks jenen Startvorteil, der erste im Markt gewesen zu sein, mit dem nur schwer zu konkurrieren ist. Umgekehrt ist es ja selbst Amazon und Google nicht gelungen, bei Musik Downloads dem Marktführer iTunes ernsthaft Konkurrenz zu machen.
Zu glauben, man könne mal eben einen shop aufmachen, und alle würden dann von Amazon abwandern ist einfach völlig naiv. Sorry.
Meine ersten ONline-bestellungen habe ich bei einem tollen deutschen Händler getätigt. Aber nicht nur der, fast alle gingen folgenden Weg ...
Amazon kauft Online-Buchhändler ABC
Christiane Schulzki-Haddouti 29.04.1998
Der ABC Bücherdienst GmbH zählt mit seiner seit 1991 im Btx-System und seit 1995 im Internet abrufbaren Bücherdatenbank zu den deutschen Online-Pionieren. Gegründet wurde er vor sieben Jahren von der Regensburger Unternehmerin Ulrike Stadler. Damals verkaufte sie von zu Hause Bücher über btx, heute bietet das Unternehmen rund eine Million Titel an. 500 bis 600 Bestellungen gehen täglich bei ABC ein, im Inland werden die Bücher sogar kostenlos ausgelieftert. Unter den Online-Buchhändlern in Deutschland steht ABC an erster Stelle. Für die 60 Mitarbeiter in Regensburg soll die Übernahme keine unmittelbaren Folgen haben, kündigte Telebook schon jetzt an, da die Expansion in Deutschland ungebremst voranschreite. Michael J.G. Gleissner, Geschäftsführer von Telebook, zeigt sich optimistisch: "Wir sind begeistert über den Zusammenschluß mit Amazon.com, da unsere langjährige Erfahrung in Deutschland und der weltweite Bekanntheitsgrad von Amazon.com sowie die überlegene Technologie zu vielen Vorteilen für den Kunden führen wird."
Da kann ich nur sehr hoffen, dass das mit meinem Anbieter nicht geschieht. Wenn doch, kaufe ich nichts mehr dort. Den Download benötige ich aber nicht mehr, denn ich habe alles mehrfach gesichert und von DRM befreit.
Und gekaufte E-Books dürfte er auch dann noch lesen, wenn er sein Nutzerkonto löscht – anders als bei Amazon.
So werden Skandale fabriziert, die keine sind. Evtl. hat der Autor nicht ganz begriffen, wie eine Cloud funkioniert. Wenn Sie Ihr E-Mail-Konto bei T-Online löschen, gehen auch alle Mails verloren, falls Sie sie nicht vorher anderweitig gesichert haben. Dasselbe bei E-Books. Man kann den Walled Garden Amazons als problematisch empfinden, sollte aber auch die Vorteile der Synchronisation aufzählen: immer up-to-date, Backup inbegriffen, bei Kauf eines neuen Kindle sind Bücher gleich da, es kann über mehrere Reader synchronisiert werden, sodass auch Familienangehörige mitlesen können, Bücher gehen nicht verloren, wenn Reader den Geist aufgibt oder gestohlen wird. Diese Lösung ist gerade für Techniklaien gut.
Und dann schauen wir uns mal das angeblich so offene Tolinogerät an. Epub mag ne tolle Sache sein. Aber bei dem DRM, mit dem die Verlage ihre E-Books versehen, bin ich genauso an bestimmte Hardware gebunden und wäre mir recht unsicher, ob ich die Bücher in paar Jahren noch lesen kann. Also wenn jemand die E-Book-Kultur im positiven Sinne vorantreibt, ist es Amazon. Dass es einmal sein Monopol zum Schaden aller ausnutzen würde, ist erst mal reine Zukunftsprojektion. Der problematische Umgang von Verlagen mit ihrem Copyrightmonopol hingegen ist erwiesenermaßen Realität.
@OTTO8: Sie machen es sich etwas leicht. Zum einen hinkt der Vergleich mit der E-Mail. Mit einem E-Mailprogramm lassen sich Mails problemlos portieren und mit anderen Programmen nutzen. Damit gleicht die E-Mail auch keinem Produkt, das ich bereits mit Nutzereinschränkungen kaufe.
Die Vorteile der Cloud-Synchronisierung liegen auf der Hand. Was aber ist mit Amazon?
Tatsache ist: Sobald Kunden bei Amazon ihr Konto löschen, verlieren sie zugleich den Zugriff auf sämtliche digitale Bücher, die sie zuvor dort gekauft haben. Der Grund: Die Kindle-Bücher verfügen über einen Kopierschutz und liegen zudem im Amazon-eigenen Format vor; sie sind daher nicht ohne weiteres auf einem anderen E-Reader verwendbar. Mit dem Kauf der E-Books erhalten die Kunden somit nur ein Nutzungsrecht, oder anders ausgedrückt: eine Lizenz zum Lesen. Ein Besitzverhältnis wie bei einem gedruckten Buch, das sie nach Belieben verwenden und verleihen dürfen, besteht nicht.
Dass die Tolino-Allianz auch nicht das Gelbe vom Ei ist, hängt – wie Sie sagen – mit dem DRM zusammen. Das aber ist glücklicherweise eine Seuche, die langsam auf dem Rückzug scheint.
Ich selbst kaufe meine Bücher übrigens unter anderem bei buch.de - dort aber ausschließlich jene ohne Kopierschutz.