Der Vater hinterm Mischpult

Dokumentarfilm Stephan Plank begibt sich in „Conny Plank – The Potential of Noise“ auf die Suche nach der Geschichte seines Vaters
Ausgabe 39/2017

Bislang ist Konrad Plank nur durch eine 4-CD-Box gewürdigt worden, auf der eine Auswahl der von ihm produzierten Musik versammelt ist. Der Titel des Sets zielt auf den Unbekannten im Hintergrund: Who’s That Man? Das Cover zeigt den ernst blickenden Plank mit Prinz-Eisenherz-Topfschnitt und messerscharf frisiertem Vollbart. Auf den vier CDs finden sich Krautrock-Gruppen wie Neu!, Ibliss und La Düsseldorf, New-Wave-Bands wie DAF und die Eurythmics sowie Obskures wie Arno Steffen, Psychotic Tanks und Fritz Müller. Die genreübergreifende Arbeit ist in den 1970ern nicht unüblich gewesen: In der Szene, in der Plank sich bewegte, konnte man Karlheinz Stockhausen und Kraftwerk ebenso antreffen wie Otto Waalkes, die Avantgardisten der Deutsch Amerikanischen Freundschaft oder die Bläck Fööss aus Köln.

Das ist aus einem Dokumentarfilm zu erfahren, der mit dem gleichen Bild wie die CD-Box für sich wirbt: Conny Plank – The Potential of Noise. 30 Jahre nach dem Krebstod Planks mit 47 Jahren erzählt Sohn Stephan mit Hilfe alter Freunde und Weggefährten seines Vaters dessen Geschichte. Der Sohn, gerade 13, als der Vater starb, begibt sich dafür gemeinsam mit Co-Regisseur Reto Caduff auf die Suche nach dem Mann, den er als Kind, wie er selbst sagt, oft nur hinter dem Mischpult erlebt hat. Viele Musiker besucht Stephan Plank zu Hause, wo der Anblick des erwachsen gewordenen Jungen unmittelbar bildhafte Erinnerungen an den Vater hervorruft. Der kommt in den Gesprächen als besonders feinfühliger Produzent vor: „Er hörte, wie das klingen musste“, sagt Annette Humpe, und Karl Hyde vom britischen Duo Underworld schwärmt: „Er hatte diese Klangvisionen, die zu uns sprachen.“

Conny Plank – The Potential of Noise beschreibt auf diese Weise Musikproduktion weniger als technischen Prozess. Für Conny Plank habe bei den Aufnahmen im selbstgebauten Studio das Soziale im Vordergrund gestanden, die Kommunikation mit der Band. Stimmte die Chemie zwischen ihm und den Musikerinnen, brauchte es weder einen Plan noch Ideen für Songs, um gemeinsam große Alben zu produzieren. Bands wie Kraftwerk, DAF oder Neu! quartierten sich in Wolperath ein, einem 1.500-Seelen-Dorf bei Köln, Tage oder auch Monate lang. Plank hatte gemeinsam mit seiner Frau Christa Fast ab 1973 aus einem alten Bauernhof einen Ort zum Experimentieren gemacht.

Die Interviews, die Stephan Plank mit den Weggefährten seines Vaters führt, wechseln sich ab mit Ausschnitten von Live-Auftritten oder aus exaltierten 1980er-Jahre-Musikvideos sowie mit Privatvideos aus dem Tonstudio oder der Familienküche. Regisseur und Sohn Plank ist bei den Gesprächen meist auch selbst mit im Bild zu sehen. Zwischendurch zeigt ihn der Film allein im Flugzeug oder im Auto. Wenn die Kamera in diesen Momenten auf Planks Gesicht verweilt, so scheint die Dauer der Einstellung wie dafür gemacht, als Zuschauerin über die Vater-Sohn-Beziehung der Planks zu reflektieren. Untertöne sind vernehmbar, etwa die Kritik eines Sohnes an dem Vater, der zu wenig Zeit für ihn hatte. Aber dem gibt der Film wenig Raum: Regisseur Plank sitzt zwar mit im Bild, will aber das seine des Vaters nicht zeichnen. Conny Plank – The Potential of Noise ist eine Hommage, weshalb man sich irgendwann fragt: Wären die Antworten der Interviewten anders ausgefallen, hätten sie sie nicht Conny Planks eigenem Sohn gegeben?

Spaß beim Zuschauen machen einzelne Auftritte, Figuren wie die gut gelaunten Hip-Hopper Jalil Hutchins und John Fletcher (Whodini). Oder wie Robert Görl von DAF, der sich erinnert an seine und Gabi Delgados jugendliche Planlosigkeit und daran, wie beide von der professionellen Gelassenheit des erfahrenen Produzenten profitierten. Die dankbare Euphorie, die Conny Plank hinterließ, hallt nach bis heute.

Info

Conny Plank – The Potential of Noise Reto Caduff, Stephan Plank D 2017, 92 Min.

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