Als CIA-Ausbilder den Exil-Kommandanten während der achtziger Jahre unter quälender Wüstensonne in Guerilla-Taktik schulten, träumte der davon, nach Hause zurückzukehren und Muammar al-Gaddafi zu stürzen. Nun hat der leidenschaftliche Militär Chalifa Haftar (71) wieder eine Offensive gestartet. Sie richtet sich diesmal gegen eine Regierung, die auf Gaddafis Diktatur folgte. Dabei scheint Haftar erfolgreicher, als ihm das je zuvor vergönnt war. In nur zwei Wochen hat er Armeeeinheiten, Parteien und Stammeskräfte hinter sich versammelt, islamistische Freischärler in Bengasi angegriffen und das Parlament in Tripolis besetzt.
Weniger günstig sind kursierende Gerüchte über die alten Kontakte zur CIA. Ein gefundenes Fressen für Haftars Gegner, denen es ein Leichtes ist, ihn als US-Agenten zu denunzieren. Dabei soll die Verbindung schon lange unterbrochen sein. Was der General derzeit tut, wirkt eher wie ein Vorsingen, um sich künftiger Unterstützung durch die Amerikaner nach dem Motto zu versichern: Wenn ich die aufsässigen Milizen ausschalte, darf mich der Westen nicht länger ignorieren.
Vor Jahrzehnten hat Haftars Karriere bereits mit einem Coup begonnen: Im Glauben, die Armee sei Libyens Rettung, half er 1969, König Idris zu stürzen und Muammar al-Gaddafi an die Macht zu bringen. Doch als eine Invasion im Tschad 1987 zum Desaster führte und beim Gegenschlag fast 1.700 libysche Soldaten starben, befand sich unter den 300 Gefangenen der Kommandant Chalifa Haftar. Als Gaddafi ihn verleugnete, fühlte sich Haftar derart brüskiert, dass er sich der Exilbrigade „Libysche Nationalarmee“ anschloss, die von US-Beratern geführt wurde. Bald danach musste Haftar den Tschad verlassen und in die USA emigrieren. Er kam nach Virginia, einen Steinwurf vom CIA-Hauptquartier in Langley entfernt, und sollte erfahren, wie sein Stern zu sinken begann. Mit dem Ende des Kalten Krieges verlor Libyen für die USA an strategischem Wert. Prompt strich die CIA Haftars Exilbrigade die finanziellen Gaben. Der legte daraufhin urplötzlich seine Differenzen mit Oberst Gaddafi bei, allerdings ohne wieder nach Libyen zu gehen. Warum eigentlich nicht? Als sich der britische Premier Tony Blair 2004 mit Gaddafi traf, schien der rehabilitiert und international wieder salonfähig. Libysche Exilarmeen gehörten der Vergangenheit an. Haftar bliebdennoch auf Abstand und kehrte erst zurück, als das Regime ab März 2011 im Sog des Arabischen Frühlings unter Druck geriet. Während NATO-Kampfjets Gaddafis Streitmacht in Grund und Boden schossen, trat Haftar als Nr. 2 der Rebellenführung hinter Gaddafis Ex-Geheimdienstchef Abd al-Fatah Yunis in Erscheinung. Was nichts daran änderte, dass ihn der Nationale Übergangsrat relegierte. Begründung: Der General sei durch die frühere Nähe zu Gaddafi „übermäßig belastet“.
Um so mehr glaubte sich Haftar gebraucht, als das Post-Gaddafi-Regime Libyen zum „failed state“ herunterwirtschaftete, die staatlich gestützten Ansar al-Scharia im September 2012 das US-Konsulat in Bengasi stürmten und Botschafter Chris Stevens töteten. Die Amerikaner schäumten vor Wut. Ihnen war es auf einmal sehr recht, dass Haftar im ostlibyschen al-Baida Anhänger hinter sich scharte. Im Februar 2014 wagte der sich erstmals aus der Deckung, verurteilte in einem Fernsehspot die Regierung und versprach, sie zu stürzen. Der dramatische Appell löste zwar keinen Aufstand aus, machte aber deutlich, dass Haftar zu einem Führer des Widerstandes gegen Tripolis geworden war. Manche verglichen ihn sogleich mit Ägyptens Armeechef Fattah as-Sisi, der vor einem Jahr den demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi stürzte und sich inzwischen selbst zum Staatschef wählen ließ (siehe S. 8). Wie der Ägypter soll auch Haftar den Beistand der Vereinigten Arabischen Emirate genießen.
Dennoch ist beim Vergleichen Vorsicht geboten. Die libysche Armee ist bei weitem nicht so stark wie ihr ägyptisches Pendant, sondern bestenfalls eine Miliz unter vielen, auch wenn seine Operation Karama (Würde) Haftar den Rückhalt einflussreicher Stämme sowie der größten nicht-islamistischen Partei, der Allianz der Nationalen Kräfte, eingebracht hat.
Was sie vereint, dürfte die Absicht sein, die USA wieder für ein größeres Engagement in Libyen zu gewinnen. Nach dem Anschlag auf die US-Botschaft in Bengasi urteilte man in Washington, die Lage sei vergiftet und unübersichtlich, vor allem fehle ein Partner, auf den man sich verlassen könne.
Zu denen, die Haftar gut kennen, gehört Mary Beth Long. Sie koordiniert US-Unternehmen, die einen skeptischen Kongress überzeugen wollen, wieder Waffen nach Libyen zu verschicken. Long leitete CIA-Operationen, als Haftar noch in Virginia lebte. Später gehörte sie zum Stab von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und beriet Mitt Romney, den republikanischen Kandidaten bei der Präsidentenwahl 2012. Bis zu Haftars jüngsten Erfolgen fürchtete man in Washington, amerikanische Waffen könnten dschihadistische Gruppen stärken, doch bewirkte Mary Beth Longs Lobby-Arbeit, dass der Kongress im Januar ein 600-Millionen-Dollar-Programm für die Ausbildung von 6.000 regulären libyschen Soldaten bewilligte.
Sollte es Haftar gelingen, die Islamisten entscheidend zu schlagen, würde dies die Meinung in Capitol Hill nicht unberührt lassen. Schwer zu glauben, dass Leute wie Haftar in Libyen agierten, ohne dass die Amerikaner darüber Bescheid wüssten. Offenbar wollen sie sehen, über wie viel Stoßkraft er verfügt.
Chris Stephen und Ian Black sind Nahost-Kolumnisten des Guardian. Chalifa Haftar hatte früher zwar gute Kontakte zur CIA, aber im Augenblick halten sich die USA zurück. Sie wollen erst sehen, ob er die Islamisten besiegen kann
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