Im Kino "Bread and Roses" von Ken Loach liefert den Film zum Arbeiterkampf in den Zeiten der Globalisierung. Seine glaubwürdigste Figur allerdings verweigert sich dem Widerstand
Das ist der Stoff, nach dem es den fortschrittlich gesinnten Kinozuschauer verlangt: echte Arbeiter, die für ihre gerechte Sache, für mehr Lohn, für Renten- und Krankenversicherung kämpfen. Noch besser natürlich, wenn es keine "echten Arbeiter", sondern noch unterprivilegiertere Subjekte sind, sagen wir: Illegale Einwanderer. Oder sitzen wir da schon wieder einem falschen Bedürfnis nach Romantik auf? Ken Loach, der Regisseur von Bread and Roses, will in all seinen Filmen stets nur die richtigen Bedürfnisse befriedigen, die nach Authentizität, nach Engagement, nach Gerechtigkeit und dem Quäntchen Optimismus, das wir alle brauchen, um vom Glauben daran, dass sich das Ganze lohnt, nicht abzufallen. Man könnte auch sagen, dass Ken Loach Filme m
ch Filme macht, die so gut gemeint sind, dass sie sich mit dieser Intention schon fast erschöpft haben. Es reicht zu wissen, dass es sie gibt, das Anschauen erübrigt sich. Dann und wann lohnt sich jedoch die Überprüfung solcher Gewissheiten.Für seinen neuesten Film hat sich Loach einen Brennpunkt der Globalisierung ausgesucht und sich dafür weit ins Feindesland vorgetraut, bis nach Hollywood. Mit Bread and Roses kämpft er so ein weiteres Mal an zwei Fronten zugleich: Gegen die Lohndrücker und Ausbeuter und gegen die überkommene Kino-Ästhetik, die Helden, wie er sie bevorzugt, nie ins Zentrum stellen würde. Es ist das alte Lied, dass der amerikanische Arbeiter in seinem eigenen Nationalkino keinen Platz habe, mit dem Loach für sich Werbung macht. So gibt er seinem Zuschauer das Gefühl, etwas besonderes zu sehen.Tatsächlich übernehmen in Bread and Roses jene die Hauptrollen, die wir sonst nur als kleine Nebendarsteller und Statisten zu betrachten gewohnt sind: Migranten aus Südamerika, die in den USA kellnern, die Kinder hüten und die Büros reinigen. Von jenem übel beleumundeten Menschenschlag der Schlepper, deren Ruf auch ein Ken Loach nicht retten will, lässt sich seine Hauptperson Maya (Pilar Padilla) über die Grenze schmuggeln. Dem als Ausgleichszahlung von ihr erpressten Liebesdienst kann sie sich trickreich entziehen, so ist die zukünftige Widerstandsheldin bereits in den ersten Filmminuten etabliert. Maya hat eine schon länger in den USA lebende Schwester, die sie aufnimmt und ihr auch einen Job in ihrer Reinigungsfirma besorgt. Und bald darauf rennt Sam (Adrien Brody), der Mann von der Gewerkschaft, durch ihre Büroräume, auf der Flucht vor ihren Arbeitgebern, die natürlich jede gewerkschaftliche Agitation aufs Schärfste verfolgen. Ganz wie in gängigen Hollywood-Filmen haben wir hier also die erste Begegnung des zukünftigen romantischen Paares in der Verkettung unglücklicher Umstände - sie leistet für ihn Fluchtbeihilfe.Der Rest der Geschichte ist absehbar, wenn auch nicht uninteressant: Maya ist beeindruckt vom Gewerkschaftsmann und kann auch die anderen mit ihrer Begeisterung anstecken. Das Unwahrscheinliche geschieht, die Entrechteten erheben sich. Sam sagt, wie´s geht: Druck machen nicht bei den direkten Arbeitgebern, sondern deren Auftraggebern, eben jenen Firmen, die allein durch ihre Größe und Bedeutung ungeheuer auf ihr Image bedacht sind und dafür, dass es in ihren Gebäuden keinen Ärger gibt, schon mal auf die Reinigungsfirma einwirken. Eine Strategie wie aus dem Lehrbuch von Naomi Klein.Ken Loach will ehrliche Filme machen, mit Menschen aus dem wahren Leben. Weshalb erstens die Geschichte sich an wahren Begebenheiten orientiert (es gab diesen erfolgreichen Kampf der Reinigungskräfte für mehr Lohn plus Renten- und Krankenversicherung) und zweitens gezeigt wird, wie schwer die Migranten davon zu überzeugen sind, dass sie in diesem Kampf gewinnen können. Sie haben nämlich etwas zu verlieren: den Job, der ihnen den Aufenthalt ermöglicht. Das Risiko, das sie eingehen, wenn sie den Kampf mit ihren Arbeitgebern beginnen, ist groß, und für die meisten steht nicht nur die eigene Existenzgrundlage auf dem Spiel, sondern die ganzer Familien, in den USA und in den Heimatländern. Das erzählt Loachs Film in aller Deutlichkeit. Weniger überzeugend kann er schildern, warum ein Teil von ihnen trotzdem dazu bereit ist. Auch hier setzt er dann lieber auf die bewährten Rezepte des Erzählkinos: dass Engagement schön macht und Solidarität Spaß bereitet.Die packendste Szene in Bread and Roses ist die, die nicht ins Konzept passt: Mayas Schwester Rosa nämlich denunziert ihre Kollegen, darunter auch welche, die sich an den Aktionen gar nicht beteiligt haben, um selbst Abteilungsleiterin zu werden. Und will sich trotzdem von ihrer kleinen Schwester nichts vorwerfen lassen. Für ihr Handeln hat sie gute Gründe. In Rosas stolzer Tirade darüber, was sie in ihrem Leben schon getan hat, um heute da zu stehen, wo sie steht, entwickelt sich für wenige Momente die brisante Dialektik, die diesen sonst so linearen Tendenzfilm über sich hinauswachsen lässt. An Rosa kommt keine Gewerkschaft heran, weil sie nur an sich selbst glaubt und nur für sich und ihre Nächsten kämpfen will. Wer wollte sie angesichts ihrer Lebensgeschichte vom Gegenteil überzeugen. In ihrer Welt gelten ganz andere Gesetze des Sozialen, und was sie sagt, ist von so viel - schlechter - Erfahrung gesättigt, dass sie kein Hollywoodfilm und kein optimistisches Arbeiterkino von etwas anderem überzeugen könnten. Für diesen Auftritt einer Figur, die seinen eigenen Thesen so glaubhaft widerspricht, verzeiht man Ken Loach sogar sein so ehrlich gemeintes Nicht-Happyend. Maya nämlich wird am Ende abgeschoben. Aber nicht sie ist es, um die wir uns Sorgen machen müssten.
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