Der Zeitungsleser

Kolumne Die FAZ vom 4. Mai zeigt auf ihrer Literaturseite das Foto von einem schönen jungen Mädchen, das verträumt vor sich hinschaut. Auf einem zweiten Foto ...

Die FAZ vom 4. Mai zeigt auf ihrer Literaturseite das Foto von einem schönen jungen Mädchen, das verträumt vor sich hinschaut. Auf einem zweiten Foto ist dieses Mädchen eine ältere Frau, in weißen Hosen steht sie vor einem Gemälde, das sie darstellt.
Diese Aufnahmen gehören zu einem ganzseitigen Artikel mit dem Titel "Alles scheint möglich, doch nichts ist gewiss". Daraus erfährt der Leser, um wen es sich handelt, um die verstorbene Amerikanerin Patricia Highsmith, deren Schreib- und Lebenswerk, 32 Bände, vom Schweizer Verlag Diogenes neu übersetzt wird. Die ersten vier Romane liegen vor.
Ich habe vielleicht ein Dutzend davon im Laufe einiger Jahre gelesen; bin nicht nur - aber vorzugsweise - ein Krimi-Leser und habe nie daran gezweifelt, dass die Werke der Highsmith die "Vollendung und Überbietung des Kriminalromans" (FAZ) sind.
Der Artikel kündigt die neue (deutsche) Werkausgabe an und nennt sie "eine verlegerische Großtat". Das ökonomische Risiko ist null; gleich mir wird es zahllose Highsmith-Süchtige geben.
Es gibt in Venedig eine auf Deutsch viel gelesene Krimi-Autorin, Donna Leon (sicherlich ein Pseudonym), deren bisherige Roman-Produktion (acht Bände?) nicht ins Italienische übersetzt werden durften, weil sie hier eine Privatperson bleiben will. Ihre Romane sind um die Zentralfigur, den Commissario Brunetti, herumgeschrieben und haben teilweise italienische Titel: "Acqua alta", "Vendetta".
Aber die literarische Qualität einer Patricia Highsmith fehlt ihnen. Das hat einen englischen Kritiker nicht davon abgehalten zu schreiben, Donna Leon habe von Venedig "literarisch Besitz ergriffen". Da ihre Romane ausschließlich an ihrem Wahlwohnsitz Venedig und in seiner Umgebung spielen, wobei jeder lokale Hinweis bis ins Detail die Realität wiedergibt, hätte ich eher geschrieben "lokal Besitz ergriffen". Sie können auch als Stadtführer gelesen werden.
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Mit 50 Millionen Lego-Klötzchen ist in einem Freizeitpark bei Günzburg ein deutsches Lego-Land geschaffen worden, von dem sich der Landkreis eine erhebliche Zunahme des lokalen Tourismus verspricht - vermutlich berechtigerweise.
In dieser künstlichen Lego-Welt sind 62 besichtigungswürdige "Stationen" entstanden. Sie wurden von der Süddeutschen Zeitung aus der Vogelschau farbig aufgenommen und wiedergegeben. Was es da zu sehen gibt, wurde für einen Rundgang nummeriert und benannt, beginnend mit dem "Eingangsbereich" (Nr. 1 - 7), bis zu "Legoland-Express" (Nr. 51 - 62).
Für diese touristische Attraktion - oder sollte ich sagen Falle - werden pro Jahr etwa zwei Millionen Besucher erwartet - und Einnahmen von 50 Millionen Euro. Natur wird eingezäunt und verwertbar.
Vielleicht ist die Zeit nicht fern, in der in München für den Eintritt in die Frauenkirche bezahlt werden muss.

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