Der Zeitungsleser

Kolumne Wer hätte das gedacht! Der amerikanische Präsident hält im Berliner Bundes-Reichstag eine Rede. Darin erwähnte er zum ersten Mal, "die globale Armut" ...

Wer hätte das gedacht! Der amerikanische Präsident hält im Berliner Bundes-Reichstag eine Rede. Darin erwähnte er zum ersten Mal, "die globale Armut" sei eine Ursache der Zunahme terroristischer Aktionen. So geschehen am 23. Mai. Viele Generationen hätten in Russland den Feind gesehen, "aber jetzt umarmen wir uns in Freundschaft".
Wie das aussieht, konnte man dem farbigen Titelfoto der Süddeutschen Zeitung entnehmen, auf dem sich im Kreml Bush und Putin, nebeneinander sitzend, in freundschaftlichem Gespräch einander zuneigten. Die beiden Herrscher betonten ihre Entschlossenheit, gemeinsam den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Mit diesem Begriff hat ein neuer Weltfeind Eingang in die aktuelle Weltpolitik gefunden. Friedlicher ist sie nicht geworden. Bush sprach von "kaltblütigen Mördern". Es ist eine Sprache und ein Vernichtungsprogramm, woran ich mich als Deutscher so lebhaft wie ungern erinnere.
In den nächsten zehn Jahren wollen die USA und Russland ihr Atomwaffenarsenal von derzeit jeweils etwa 6.000 Bomben auf ein Drittel reduzieren. Was danach beiderseits zur Verfügung steht, reicht immer noch, die Weltbevölkerung auszurotten.
Saddam Hussein, gewiss laufend darüber informiert, was die Amerikaner gegen ihn vorhaben, wird sich derzeit sagen, er könnte Ferien machen. Sie würden so aussehen wie Hitlers "Ferien" drei Jahre bevor er den Zweiten Weltkrieg begann: das militärische Potenzial mit Gewehr bei Fuß verstärken.
Krieg gegen ihn und seine Armee? Vor ein paar Monaten, nachdem Afghanistan militärisch an die Leine gelegt worden war, gewannen die Gerüchte, nun werde es gegen den Irak gehen, zunächst an Gewicht. Aber jetzt ist ohne genaue Adresse der Weltfeind "Terror" an die erste Stelle amerikanischer Weltpolitik gerückt.
Was an deutschen Waffen und Gerät noch in Kuwait auf Verwendung wartet, bleibt fürs erste unbenützt.
Die FAZ vom 25. Mai brachte zu diesem Thema den behaglichen Titel "Keine Eile für amerikanischen Feldzug gegen den Irak".
Ein "gewaltsamer Regimewechsel" (FAZ) dort erfordere sorgfältigste Vorbereitung.
Was dazu in amerikanischen Zeitungen zu lesen ist, lässt mich vermuten, die militärischen Berater des amerikanischen Präsidenten hätten ihm vorgeschlagen, das Problem "Irak" so zu behandeln, wie unser ehemaliger Bundeskanzler mit den meisten Problemen fertig geworden war: durch aussitzen.
Ich frage mich, ob in Europa, ob in Deutschland wirklich begriffen worden ist, dass die derzeit zur einzigen Weltmacht gewordenen Vereinigten Staaten nicht mehr in die Weltpolitik verbindlich integriert werden können. Putin, sicherlich derzeit der intelligenteste Staatschef, handelt danach.

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