Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 1./2. Juni ist der Anlass, dass ich aus meinem Erinnerungsvorrat die frühen zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hervorgekramt habe. Der Zeitungstext hat den Titel: "Ein Maybach und die Macht der Marke". Bis dahin hätte ich Maybach immer Maibach geschrieben, aber jetzt weiß ich es also besser.
Wir lebten damals in Weilheim/ Oberbayern gegenüber dem Bahnhof; ein paar Jahre lang konnte ich von meinem Zimmer aus jenseits der Gleise ein Auto stehen sehen, das vermutlich das einzige seines Typs in Oberbayern gewesen war - einen Maybach. Ein Berliner Bankier hatte den Wagen dort deponiert, um das etwa 20 Kilometer entfernt im Wald einsam gelegene Schloss Marsee in Monatsabständen zu erreichen, wo er seine ungemein kapriziöse Geliebte, die Filmschauspielerin Orska, abgestellt hatte, hoffend, sie werde sich dort das Berliner Filmmilieu abgewöhnen. Was mir jetzt in der SZ vorgeführt wird, mit einem Porträt des Autokonstrukteurs und einem Reklame-Gemälde aus alter Zeit, auf dem eine elegante Reiterin neben einem roten Maybach galoppiert, wärmt Erinnerungen auf.
Die Enkelin des Konstrukteurs ist jetzt 80 Jahre alt und lebt in San Francisco. Ab Herbst dieses Jahres kommt ein neuer Maybach auf den Automarkt und kostet 310.000 Euro. Daimler produziert und verkauft ihn; rechnet nur mit Kunden, die über ein Vermögen von mindestens 25 Millionen Dollar verfügen. Die alte Dame in Amerika erinnert sich hingegen: "Wir wurden in Friedrichshafen sehr einfach erzogen und unser Vater hat uns beigebracht, dass die Maybachs gar nichts besonders sind."
In einem gläsernen Container wird der neue Maybach den Atlantischen Ozean überqueren. Die ausgeklügelte Werbung beginnt mit dem Transport. Es wird erwartet, 40 Prozent der neuen Maybach-Produktion in den USA zu verkaufen. Schon 1922 musste ein Maybach-Käufer zumindest Bankier sein. Heute wird sich der potentielle Kundenkreis beträchtlich erweitert haben: Daimler-Strategen rechnen mit weltweit 8.500 Kunden der Super-Luxus-Klasse.
Für hundert Euro bietet der Diogenes-Verlag eine Kassette mit zwölf seiner erfolgreichsten, das heißt am meisten verkauften Bücher an und wirbt dafür mit einer seitengroßen Anzeige in der SZ vom vergangenen Wochenende. Es ist zugleich das Datum 50-jährigen Bestehens. Die Autoren dieser Bücher werden auf Fotos gezeigt, einige davon bei ihrer Arbeit am Schreibtisch. Gegenüber den Fotos, die sie auf den Umschlagklappen ihrer Bücher vorstellen, sind sie erheblich gealtert: am meisten Donna Leon, die mit Kriminal-Romanen um den venezianischen Comissario Brunetti bekannt wurde.
1942 in Amerika geboren, wurde sie eine Wahl-Venezianerin, die sich in der Stadt bis in die letzten Winkel auskennt. Es gibt in ihren Büchern keine lokale Angabe, die nicht zu verifizieren wäre. Sie ist wie eine Kuh auf einer fetten Weide, die sie wieder und wieder abgrast.
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