Auf eine Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent hat die US-Notenbank Fed den Leitzins an diesem Mittwoch angehoben. Trotz der großen Aufregung darum: Die herrschende Nullzinspolitik im siebten Jahr der neuen Großen Depression ist nicht vorüber. Und erste Stimmen prophezeien, der Anhebung werde bald schon wieder eine Senkung folgen.
Während die Spar- und Einlagenzinsen im Keller sind, verdienen Banken weiter prächtig an den Überziehungssätzen, die Ottilie Normalverbraucherin berappen muss, wenn sie ihr Konto überziehen oder Einkommenslücken mit ihrer Kreditkarte überbrücken muss. Die Banken freuen sich, derweil stagniert die Realwirtschaft. Die Geldpolitik der Zentralbanken ist expansiv wie nie zuvor, und das auf Dauer. Nur leider bleibt der Effekt aus: Trotz Geld im Überfluss zu Niedrigstzinsen, trotz der massiven Aufkäufe von Wertpapieren – nicht einmal die Inflation bringen die Zentralbanken noch in Gang.
Weltweit befinden sich die Leitzinsen auf einem unerhört niedrigen Niveau: Fast, aber nur fast am niedrigsten sind sie in der Eurozone. Im Juli 2012 stand der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) noch bei historisch niedrigen 0,75 Prozent, seit September 2014 hält sich der Tiefstwert von 0,05 Prozent. In den USA lag der Leitzins Anfang 2008, vor dem Fall von Lehman Brothers, noch bei über zwei Prozent. Im Dezember jenes Jahres senkte die Zentralbank Fed dann den Korridor für lange Zeit auf null bis 0,25 Prozent.
Japans Zentralbank hält ihn seit Oktober 2010 zwischen null und 0,1 Prozent, war aber schon vorher nie über 0,5 Prozent hinausgekommen. Bei der Bank von England ist seit März 2009 der historische Tiefststand von einem halben Prozentpunkt Realität. Den Vogel im Wettlauf nach unten hat die schweizerische Nationalbank abgeschossen: Schon im August 2011 hatte sie die Leitzinsen auf 0,13 Prozent abgesenkt, zur jüngsten Jahreswende erfolgte dann der Sprung in den Rekordkeller: Seit Januar 2015 gelten in der Schweiz Negativzinsen von minus 1,25 bis minus 0,25 Prozent.
Putins Pleiteökonomie
Richtige Zinsen auf Gespartes und Gehortetes gibt es noch in Wladimir Putins Reich, wo der Leitzins bei 15 Prozent steht. 2014 wurden die russischen Zinsen noch laufend erhöht, zuletzt auf 17 Prozent. Aber wer will sein Geld schon in Russlands Pleiteökonomie verfrachten?
Alle warteten auf die Zinswende. Die Sitzung des Board of Governors der Fed an diesem Mittwoch Mitte Dezember hat sie nun gebracht: Wie zu erwarten war, entschied sich die Fed für eine Erhöhung des Leitzinskorridors auf 0,25 bis 0,5 Prozent. Mehr als symbolische Bedeutung hat das nicht. Ein solches Signalfeuer soll kundtun: Mit der langen Krise, mit der Depression ist es nun vorbei.
Bisher sorgten sich einige US-Notenbanker arg um die Konjunktur. Das ist ihr Job. Die Inflation ist in diesem Jahr auf 0,2 Prozent gesunken, doch der Auftrag der Fed ist seit jeher viel weiter definiert als der der EZB. Preisstabilität hat für sie keinen absoluten Vorrang. Vor allem der US-Export schwächelt. Und der Dollar ist noch immer die unangefochtene Reservewährung dieser Welt, weswegen alle Zinsentscheidungen der Fed direkt und indirekt die insgesamt depressive Weltwirtschaft betreffen. Dabei sorgen sich US-Notenbanker insbesondere um die Lage in China. Chinas Notenbanker wiederum pflichten ihnen eifrig bei, denn sie sitzen nach wie vor auf dem weltweit größten Berg an Devisenreserven – gut 3,5 Billionen Dollar. Im vergangenen Sommer haben sie mit Mühe versucht, die Abwertung des Yuan aufzuhalten.
Derweil wartet die Bank von England auf den US-amerikanischen Leitwolf, Japan wartet darauf, dass die vielgerühmte, nach dem Premierminister Shinzo Abe benannte wirtschaftspolitische Mix-Strategie der „Abenomics“ endlich Früchte trägt. Und die EZB wartet auf alle anderen. Der Zinswende in den USA wird die EZB ganz sicher nicht rasch folgen. Denn trotz – mitunter gerade wegen – der florierenden, exportgetriebenen deutschen Wirtschaft ist die Eurozone noch lang nicht aus der Depression heraus. Es gibt keine Inflation. Im Gegenteil, die Inflationsrate ist von 0,3 Prozent im Vorjahr auf minus 0,1 Prozent gesunken, die Deflation in vielen Euroländern hält weiter an.
Die Politik des billigen Geldes zu Niedrigzinsen sollte die Finanzierungskosten für Privatunternehmen senken, sodass diese fleißig und vor allem wieder mehr investieren. Doch das fand und findet nicht statt. Die Mittel der Geldpolitik sind ausgereizt.
In einem Umfeld stagnierender oder gar schrumpfender Märkte brechen Volkswirtschaften unter den Folgen der Austeritätspolitik ein und siechen dahin. Die Zinslasten der Unternehmen sind erleichtert worden, sie konnten ihre Schulden abbauen oder äußerst günstig refinanzieren, ebenso wie die Banken. Letztere haben außerdem von den EZB-Wertpapierkäufen profitiert und schwimmen in Liquidität, die sie fast nichts mehr kostet. Statt Staaten hat die EZB mit ihren Käufen von Staatsanleihen privaten Finanzinstituten geholfen, wieder flüssig zu werden – trotz fauler Kredite, die viele weiter in den Büchern verstecken. Anfang Dezember hatte die EZB ihr Anleihenaufkaufprogramm verlängert und den Negativzins für geparkte Gelder ausgeweitet – wenngleich zunächst nicht in erwartet großem Umfang. So oder so jedoch wird das herkömmliche quantitative easing nicht nützen.
Alternativen gäbe es durchaus: „Popular quantitative easing“ schlagen Ökonomen um den neuen Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn in Großbritannien vor, eine expansive Geldpolitik zugunsten der Bürger. Das würde bedeuten, Zentralbankgelder als Kredite über eine grüne Entwicklungsbank an öffentliche Körperschaften und Kommunen weiterzureichen, um Investitionen mit sozialem und ökologischem Nutzen zu ermöglichen. Doch dass die EZB-Banker über ihren Schatten der geldpolitischen Orthodoxie springen und das Dogma von der Unabhängigkeit einer Zentralbank fällt, steht nicht zu erwarten.
Immerhin hat ein anderes Dogma an Anhängern verloren und wird allenfalls noch in Deutschland, von Bundesbankchef Jens Weidmann, gehegt: Dass automatisch Inflation entstehe, wenn eine Zentralbank die Geldmenge ausweitet. EZB-Leute machen sich heute mehr Sorgen um die Zukunft der Eurozone, was angesichts einer Arbeitslosenquote von stolzen 11,5 Prozent auch dringend angesagt ist. Wohlgemerkt ist dies nur ein Durchschnittswert, der über die katastrophalen Ausmaße wie die grassierende Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa noch nichts sagt.
Kommentare 7
Als naives Lieschen Müller verstehe ich unter einer Inflation die wertlose Geldvermehrung. Das Rauschgift vor dem Absturz?
Und unter einer Sparpolitik die falsche Medizin des Dr. Bomb im Absturz der Wertevernichtung. Die Erben führen rechtzeitig Kriege, damit sich das Erben noch lohnt.
Die Austeritätspolitik ist also eine wertlose Geldpolitik wie vor dem WK II in Deutschland und z. z. immer noch in Griechenland?
Wie geschrieben, so versteht das ein Lieschen Müller. Und so auch verstanden, das "Entzaubern des breiten Lächelns im Engelsgesicht".
Wer glaubt, nach einer rund 35 Jahre währenden ("neoliberalen") Umgestaltung der Wirtschaft in Richtung Flexibilität & Konkurrenz würden immer noch die gleichen Mittel & Verfahren der "Gobalsteuerung" wenigstens so marginal helfen, wie einstmals, der muß einen an der Klatsche haben.
Es sind nicht die "Investitionen" das Problem (auch nicht primär jener der Kommunen), sondern die fehlende END- bzw. Konsum-Nachfrage. Gegenüber der tatsächlichen Nachfrage sind die Unternehmen u. z. T. auch der Staat, völlig überinvestiert.
Was bloß 5 Mrden Konsumzuschüsse bewirken könn(t)en, haben wir ja schon bei der Abrwackprämie gesehen.
Gibt man diese jetzt nicht nochmal an solche Leute, die eh schon "haben" (dann würde das Geld wieder zügig in Sparanlagen u. falsche Anreize fließen: "Verschrottungen" = Wertvernichtungen /Potlatsche bei zugleich "mehr vom Alten/Falschen" wie PKWs usw.) , sondern an die Habenichtse der untersten 20% der Einkommensbezieher, z. B. statt 80 Mrden pro Monat zum Ankauf von Staatschulden durch die EZB/die NCBs, und sorgt man weiterhin für eine leidlich offene, flexible, leistungsfähige und in sich kompetitive Angebotsseite, wäre alsbald die größte Not, die es auch hier ja gibt, massiv gelindert und die Steuern flössen deutlich höher, die Unternehmen hätten Grund zu investieren bzw. könnten ihre Überinvestitionen auslasten usw.
Am besten wäre das OHNE Staats-Verschuldung (sondern über schuldfreie Neuschöpfung) zu machen, aber wenn es denn in Gott's Namen nach den ordnungspolitischen Formal-Katechismen des 19. u. früheren 20. Jh. laufen soll, so wäre der Rückkauf der Verschuldung, wie Draghi das jetzt macht, zwar immer noch suboptimal, aber gewiß besser als alles andere wie Inflation, hohe Zinsen, relative Verarmung der Untersten usw.:
Die Schulden gehören dann halt den Zentralbanken, die den Schuldnern gehören, - eine Basis, auf der sich verhandeln lässt.
Einige dogmen sind schier unausrottbar, sie müssen mit ihren trägern aussterben. Eines davon ist im artikel treffend beschrieben: Es "...wird allenfalls noch in Deutschland, von Bundesbankchef Jens Weidmann, gehegt: Dass automatisch Inflation entstehe, wenn eine Zentralbank die Geldmenge ausweitet." Das wurde bereits in den frühen achtziger jahren am beispiel der erfolglosen geldmengenpolitik der bundesbank widerlegt, was aber noch lange nicht heisst, dass es damit wissenschaftlich und bankpraktisch geächtet ist - wie die gegenwart zeigt.
Um wieviel schwerer - wenn nicht gar unmöglich - es ist aus einer deflation (ohne entwertung aller bestandvermögen) herauszukommen, zeigt Japan seit jahrzehnten. Der EURO-zone droht jetzt dasselbe, nämlich steigende lebenhaltungskosten bei anhaltend hoher arbeitslosigkeit (die allerdings innerhalb der EU sehr ungleich verteilt sein wird).
Inflation und Hyperinflation werden hierzulande gerne in einen Topf geworfen, sind aber grundverschieden: Eine normale Inflation bedeutet schlicht, dass Waren sich langsam verteuern und, das ist das Entscheidende, Kredite damit langsam entwertet werden. Eine Hyperinflation hingegen ist weniger ökonomisch als psychologisch und bedeutet den völligen Vertrauensverlust in die Kaufkraft der Währung. Inflation ist schlecht für Kapitaleigner und gut für Unternehmen, Hyperinflation ist hingegen schlecht für Alle. Sparpolitik ist nicht so sehr Wertevernichtung als eine zu kleine Zwangsjacke für die Wirtschaft, die Wachstum verhindert. Das führt zur Deflation - der Wert des Geldes steigt, Sachwerte hingegen werden tendenziell weniger wert. Wachstum zu erzeugen wäre theoretisch sehr einfach - die Frage ist nur, ob wir das in Zeiten des Klimawandels wirklich wollen.
Korrektur: Hyperinflation ist gut für Staaten und Private, die in dieser Währung ver- oder überschuldet sind, s. Kriegskredite.
Nach wie vor halte ich die Annahme, die ZB wollten mit der ultralockeren Geldpolitik Inflation und Wachstum erzeugen für falsch - aus dem ganz einfachen Grund, dass das rein logisch nicht möglich ist, solange das zusätzliche Geld nicht nachfragewirksam wird. Der eine und einzige Zweck ist es, die Zinsen niedrig zu halten, v.a. auf Staatsanleihen. Als Zweitrundeneffekt tritt dann eine gewisse Steigerung der öffentlichen Nachfrage auf, weil Staaten weniger für den Schuldendienst aufwenden müssen - aber das ist nebensächlich, ebenso wie der "Wohlstandseffekt" durch steigende Aktien- und Immobilienpreise. Wenn die Finanzmärkte sich an das "new normal" niedriger Zinsen gewöhnt haben, kann dann im zweiten Schritt die Geldentwertung folgen, z.B. durch PQE. Dafür können aber nicht die ZB sorgen, sondern nur die Politik - die ZB flankieren dies lediglich mit entsprechender Geldpolitik.
Was die Anleihenkäufe angeht, sollte nicht vergessen werden, dass ein relevanter Teil der europäischen Anleihen eine negative Rendite aufweist und schon damit für private Banken und Investoren nur "mäßig attraktiv" ist.
"Das billige Geld fließt in Aktienmärkte statt in die Realwirtschaft"
und diese Aktienmärkte funktionieren nicht mehr. Hedgefonds verlieren Milliarden und ausser der Rüstungsindustrie steigt an den Börsen fast nix mehr. Das sind klare Zeichen, die geflissentlichen beschwiegen werden.
Gut, wen man kaufen will, sollte man wissen, wann die fraglichen Aktien genügend gefallen sind. Aber duch den Aktienkauf allein ensteht noch keine Realwirtschaft. Das Geld liegt also auf Haufen und wird dabei weniger.
Gut so, möchte man meinen ... aber wohin verschwidnet es?
An sich müsste man Geld mit dem Hubschrauber abwerfen , wie es angeblich Bernake einst vorschlug? An sich könnte das keinem schaden - außer der Finazmafia selber, die einzigen , die geld bislang quasi immer auf diese Weise bekommen.
Die Situation ist so , das auch teueres Geld rein gar nix änderen wird. Diese Runde des Spiels ist zu Ende. Punkt.
Auf das es keine nächste gebe.