Der Lichtkegel der Taschenlampe erfasst einen schwarzen Dämon mit Schlangenschwanz und Fledermausflügeln. Das Wesen sieht aus, als würde es sich mit ausgebreiteten Schwingen nach hinten werfen, und aus seinem Maul erstrahlt ein Lichtschein, als hätte es versucht, das Licht selbst zu verschlingen.“ – Auf dem Bild von Christoffer Weisstern (1744 – 1792) in der Kirche von Mossebo liegt „dieses Wesen der Finsternis“ im Sterben, als Begleiter des Teufels, als „Gegensatz des göttlichen Lichts“. „Umso ironischer“, so Johan Eklöf, „dass ausgerechnet Kirchen so oft zu Wohnplätzen von Fledermäusen wurden“. Und so steigen wir mit ihm im Dunkeln die Treppe hinauf, schlüpfen durch eine kleine
ne Tür auf den Dachboden, laufen über Kot und Mottenflügel, „ein deutliches Zeichen, dass hier Fledermäuse leben“, können sie aber nirgends entdecken. Erst später beobachten wir vom Friedhof aus, wie sie sich kopfüber vom Kirchendach stürzen.Als „einer der profiliertesten schwedischen Fledermausexperten“ wird Eklöf im Klappentext vorgestellt. Einer also, der des Nachts unterwegs sein muss, wenn wir in unseren Betten liegen. Wie spannend, von ihm mitgenommen zu werden – auf Friedhöfe, zu einsamen Gewässern, in Wälder und Wüsten, auf jedes Rascheln zu lauschen und zum Sternenhimmel aufzublicken. Das ist es, was die Lektüre so mitreißend macht: die Verbindung von Erlebnis und Erkenntnis. Was des Autors Anliegen ist, sagt ja schon der Titel: Das Verschwinden der Nacht. Wie künstliches Licht die uralten Rhythmen unserer Umwelt zerstört. Doch dies ist kein trockenes Sachbuch. Wie uns Eklöf unterhaltsam erzählend auf seine Gedankenwege lockt, ist zum eindrücklichen Kunststück geworden.Was man nicht alles erfährt: über die Fledermäuse, die sich nur im Dunkeln paaren können, und über Insekten, von denen die Hälfte aller Arten nachtaktiv ist, die sich nach Mond und Sternen orientieren und durch künstliches Licht geradezu hypnotisiert werden. Auch das ist ein Grund, dass sich die Biomasse der Insekten um 75 Prozent verringert hat. Auch was die mehr als 6.000 Säugetierarten betrifft: In ihrer Mehrheit ziehen sie die Stunden der Dämmerung oder die Nacht vor.Ein neuer „Dunkeltourismus“Interessant, was sie für ein spezifisches Sehvermögen im Vergleich zu dem unsrigen haben. Künstliches Licht aber setzt Instinkte außer Kraft. Frisch geschlüpfte Schildkröten laufen zur Stadt statt zum Meer. Vogelschwärme, die nach den Sternen navigieren, kommen von ihrer Bahn ab. Korallenriffe sind vom Aussterben bedroht, gerade weil Touristen sich an ihnen erfreuen. Beleuchtete Strandpromenaden, Lichtkegel, die übers Wasser gleiten – nicht nur die Clownfische werden an der Fortpflanzung gehindert. Veränderungen der natürlichen Lichtverhältnisse beeinflussen das gesamte Ökosystem und mit den Pflanzen und Tieren auch die Menschen. In der Allerheiligenkirche auf der Insel Ven hat Eklöf ein Museum für den Renaissancegelehrten Tycho Brahe besucht, der 77 Sterne benannte, die er mit bloßen Augen beobachtet hatte. „Aber der Nachthimmel ist nicht mehr derselbe wie Ende des 19. Jahrhunderts … Die Lichtverschmutzung am Himmel löscht ganze Galaxien und entlegene Sonnensysteme aus, als hätte jemand mit einem schmutzigen Lappen das Fenster zum Universum verschmiert.“Gewinn und Verlust – anhand vieler Einzelheiten kommt einem hier der Zusammenhang vor Augen. Wie seinem Urgroßvater, der Spinnmeister war, das elektrische Licht zugutekam, erzählt Eklöf. Verheißung einer lichten Zukunft: „Die wenigsten dachten darüber nach, dass Licht auch Schaden anrichten könnte.“ Lesend verstehen wir, wie Energieverschwendung, Konsumterror und ökologischer Verfall zusammenhängen. Angesichts von Lichtverschmutzung in den Städten hat sich schon ein „Dunkeltourismus“ entwickelt. Da fliegen manche Leute extra in die Nationalparks der USA, nach Nordskandinavien oder Bolivien in die größte Salzwüste der Erde, nur um einmal die Milchstraße in ihrer Pracht zu sehen. Das letzte Kapitel seines Buches hat Eklöf während der „Earth Hour“ bei Kerzenschein geschrieben. Bei dieser weltweiten Klima- und Umweltschutzaktion wird für eine Stunde auf öffentliche Beleuchtung verzichtet. Könnte man nicht überhaupt die Lichter dimmen? Wenigstens die flackernden Leuchtreklamen sollten abgeschaltet werden. Die Notwendigkeit, Energie zu sparen, könnte gute Seiten haben. Für die Umwelt, für uns, wenn wir die Sterne wieder aufleuchten sehen. Denn: „Die Nacht ist ganz einfach unsere Freundin. Im Dunkeln, in der Stille und in der subtilen Schönheit der Nacht ruhen wir aus.“Placeholder infobox-1