Eines hat die Klimapolitik in den vergangenen 30 Jahren geschafft: ein robustes Netzwerk von Begrenzungen für die Emission von Treibhausgasen auf den Weg zu bringen. Es existiert nun ein System, das diesbezüglich Fesseln geschaffen hat. Darin hat Deutschland sich jetzt verheddert.
Das Prinzip ist einfach: Allen Akteuren wurden Freirechte für ihre Emissionen zugeteilt. Diese „Budgets“ werden mit der Zeit immer geringer. Deutschlands Emissionen haben dieses zugeteilte Emissionsbudget schon seit zwei Jahren überschritten. Dieser Tage ist es so weit, dass das Guthaben aus den vergangenen Jahren restlos aufgebraucht ist. Deutschland hat in puncto Emissionen auf Pump zu leben begonnen. Das ist völlig neu, einmalig, beispiellos.
Als Hintergrund: Die EU hat sich unter dem Kyoto-Protokoll dazu verpflichtet, die Emission von Treibhausgasen zu begrenzen. Diese Begrenzungsverpflichtung ist die EU erst eingegangen, nachdem klar war, dass sie sie nach unten weiterreichen konnte: Erstens an die Großverursacher direkt, das sind die Betreiber großer Feuerungsanlagen – diese wurden dem Emissionshandel der EU unterstellt, womit gut 40 Prozent aller Emissionen der EU abgedeckt sind. Zweitens wurden, für die restlichen Kleinquellen – Verkehr, Heizung, Landwirtschaft –, die Emissionen den EU-Mitgliedsstaaten treuhänderisch überantwortet. Was sich dieser Tage rächt, ist die Zögerlichkeit der Bundesregierung im Weiterreichen dieser Begrenzungsverpflichtung.
Die Bundesregierung hat eine finanzielle Verantwortung für die Reduktion der Klimagas-Emissionen übernommen, ohne sich zu vergewissern, dass sie am Ende nicht machtlos auf diesem finanziellen Risiko sitzen bleibt. Nun ist eingetreten, was zu befürchten stand. Die Emittenten der Kleinquellen – Autos, Heizungen, Wiederkäuer, Jauchegruben – entziehen sich einer begrenzenden Regulierung. Oder: Wo die Politik regulieren könnte, traut sie sich nicht, weil viele Kleinquellen zugleich viele Wählerstimmen repräsentieren.
Die Bundesregierung haftet für diese Verpflichtung mit ihren Haushaltsmitteln, auch für die Periode bis 2030. Es geht um Milliardenbeträge. In Kreisen, die für staatliche Finanzen verantwortlich sind, ob in Berlin oder den Ländern, hat sich das bislang nicht recht herumgesprochen. Der Koalitionsvertrag übergeht das Riesenloch, das sich hier auftut.
Das deutsche Klimadefizit, so die Prognosen, wird sich in den nächsten Jahren erhöhen, der akkumulierte Schuldenstand immer weiter wachsen. Wir beginnen im Klimabereich ganz ungeniert, was wir uns bei den finanziellen Schulden eben abgewöhnt haben. Allein Ende 2020, so die vorsichtige Schätzung, werden 93 Millionen Tonnen CO₂ Realschulden erreicht sein. Schon das entspräche bei einem Wertansatz von 20 Euro je Tonne 1,9 Milliarden Euro. Ab nun gilt: Ein Mehr an Klimaschutz ist nicht länger ein reiner Kostenfaktor: Von jetzt an ist zu wenig Klimaschutz eine Haushaltslast.
Sie wollen eine Transferunion
Warum wurden diese (mindestens) 1,9 Milliarden Euro nicht in den Bundeshaushalt eingestellt? Der Grund sei, so hört man, dass das Umweltministerium einen Deal vorbereite. Denn: So schlecht mit den verfügbaren Rechten gehaushaltet wie Deutschland hat sonst fast niemand. Frankreich und Großbritannien etwa verfügen über erhebliche Überschüsse in der Periode bis Ende 2020 – die sie nicht in die Folgeperiode übertragen können. Diese Überschussrechte sind für sie wertlos, weil sie verfallen werden – für Deutschland gilt das Gegenteil. Also werden die Rechte, so die Hoffnung, Deutschland übertragen werden. Für geringe Gegenleistungen nicht finanzieller Natur. Es lebe die Klimatransferunion!
Es wäre an der Zeit, Klarheit zu schaffen. Die Preise für Emissionsrechte werden in den nächsten Jahren steigen. Für nur 20 Euro je Tonne könnte man die Klimaschulden nur dann begleichen, wenn man umgehend am Markt tätig würde, wenn man also aus den Realschulden finanzielle Schulden machte. Der Schluss daraus: Diese Schulden müssen offensiv thematisiert werden – und ihr Ausgleich muss alsbald mit Haushaltsmitteln unterlegt werden.
Für die Umweltministerin gibt es allen Grund, endlich reinen Tisch zu machen.
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