Die Angstmacher

Sondierungen Indem Union und SPD die Klimaziele nicht mehr ernst nehmen, zeigen sie ihre Unfähigkeit, eine Idee von morgen zu zeichnen. Das ist zum Fürchten
Ausgabe 02/2018
Dieses Klimaziel ist in deinem Land nicht verfügbar
Dieses Klimaziel ist in deinem Land nicht verfügbar

Foto: Lukas Schulze/Getty Images

Es macht Angst, wenn jeder ahnt, dass sich eigentlich etwas ändern muss, aber niemand sagt, wie. Das ist die eigentliche Gefahr, wenn Union und SPD das Klimaziel für 2020 nicht mehr ernst nehmen.

Natürlich sind die Ausflüchte schnell formuliert: Vielleicht hat der Christsoziale Alexander Dobrindt doch recht, wenn er sagt, die Alt-68er hätten Deutschland schon mit genug „grünem Verbotismus“ überzogen? Nein, hat er nicht. Die Deutschen sind nicht öko, sondern allenfalls Öko-Angeber. Das Land verbrennt so viel Braunkohle wie kein anderes Land, Autos und Lkw blasen heute mehr, nicht weniger Treibhausgasemissionen in die Luft als früher. Aber ist die Gesellschaft nicht so schon krass verunsichert? Da kann man ihr doch beim besten Willen nicht immer noch mehr Neues aufbürden? Was für ein Fehlschluss.

Es ist 2018. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass es bei der Erderwärmung nicht mit ein bisschen mehr mediterranem Flair an der Ostsee getan ist. US-Präsident Donald Trump twittert angesichts des Kälteeinbruchs in Teilen der USA „Wir könnten ein bisschen Erderwärmung gebrauchen“, die Welt lacht. It is real. Klimasünden werden spürbar. Unwetter nehmen zu, selbst hierzulande. Hitzewellen machen Städtern zu schaffen, Ernten verdorren, Stürme lassen Bäume einknicken, starker Regen flutet Keller.

Das ist freilich nichts im Vergleich zu anderen Regionen. Die neuseeländische Regierung zum Beispiel prüft, ob sie künftig ein Extra-Visum für Klimaflüchtlinge erteilt. Denn die Bewohner von pazifischen Inselstaaten wie Kiribati bangen längst um ihr Zuhause. Teile ihrer Heimat sind bereits überspült, weil der Meeresspiegel steigt. Es wird ungemütlich. Für alle. Falls sich nichts tut.

Und Union und SPD? Trauen sich nicht. Sie sagen nicht, dass ein paar Windräder nicht reichen werden, dass jede Kohleregion, jeder Autokonzern, die Wirtschaft insgesamt umgebaut werden muss. Und zwar jetzt, damit nicht eine immer größere Rechnung kommt. Sie tun mit dieser Verweigerung niemandem einen Gefallen. Nicht einmal sich selbst. Sie machen sich nur kleiner.

Sie sagen zwar, dass es mehr erneuerbare Energien geben soll und ein Gesetz, das dafür sorgen soll, dass die Klimaziele für das Jahr 2030 wirklich umgesetzt werden. Zudem wollen sie eine Kommission bilden, die bis Ende dieses Jahres einen Plan für einen Kohleausstieg schreibt. Das ist mehr, als es bisher gab. Aber kein Wort dazu, was auf alle zukommt, was das heißen soll für den Alltag, die Entwicklung Deutschlands.

Die schwarz-roten Koalitions-Sondierer haben die Chance verpasst, eine Idee von morgen zu zeichnen, von modernen Arbeitsplätzen in der Energiebranche, in der Autoindustrie. Es wäre ein Anfang, wenn sie zumindest selbst ein Datum für das Ende der Kohle nennen und zusagen würden, den Strukturwandel mitzugestalten. Nicht jeder der heute rund 20.000 Arbeiter in Braunkohlegruben und -kraftwerken – dazu kommen Beschäftigte bei Zulieferern – wird als Altenpfleger oder Polizist arbeiten können. Der Staat wird für jene sorgen müssen, die nichts Neues finden.

Ja, das ist anstrengend. Da muss man sich streiten. Aber die Bundestagswahl hat gezeigt: Das alte Angela-Merkel-Prinzip, keine Position zu beziehen, macht einen selbst nicht interessant. Nur die Protestparteien. Sie verführen mit einer Alles-kann-beim-Alten-bleiben-Illusion. Es muss klar werden: Diese Illusion, die ist wirklich zum Fürchten.

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden