Joschka Fischer sagte einmal, es gebe „keine grüne Außenpolitik, sondern nur deutsche Außenpolitik“. Damit meinte er, dass das Auswärtige kein Feld für jähe Kurswechsel sei – und schon gar nicht eines für Profilierung. Die heutigen Grünen dagegen tragen ständig ihre außenpolitischen Differenzen mit dem Kanzleramt in die Öffentlichkeit: „Schwere Waffen“, Ministerin Annalena Baerbocks Taiwan-Vorstoß – und jüngst der Streit um die Beteiligung der chinesischen Reederei COSCO am Hamburger Hafen.
Es gibt jetzt also „grüne Außenpolitik“. Wie sieht sie aus? Baerbocks feministische und klimazentrierte Außenpolitik ist wohl inzwischen Makulatur. Und die Menschenrechte? Kommt
hte? Kommt ganz drauf an. Wo tatsächlich der rote Faden liegt, zeigte kürzlich Jürgen Trittin auf, der China nun einen „systemischen Rivalen“ nennt. Das passt zu Baerbocks New Yorker Grundsatzrede im August: Nach der denkwürdigen Demütigung von Bundeskanzler Olaf Scholz durch US-Präsident Joe Biden – „Wir werden Nord Stream beenden, glauben Sie mir“ – verkündete sie, dass russisches Gas natürlich ein Irrweg gewesen sei. Und bewarb sich sogleich als „Partner in Leadership“.Das aber wäre eine scharfe Kehre. Auch nach 1990 war Washington zwar stets bestimmend für Berlin – anderes ist auch unmöglich. Doch spätestens seit Gerhard Schröder suchte man parallel nach Spielraum und arbeitete an einer außenpolitischen Identität der EU. Angela Merkel setzte diese Politik im Grunde fort, hierher gehörte auch die sabotierte Pipeline – und auch Scholz steht in dieser Tradition, wenn auch unter erschwerten Bedingungen. Die Formel war: Sicher spielen wir im Team USA – aber eher als Bremser. Den Grünen aber, die sich die offensive China-Politik Washingtons aneignen und alte Kanäle nach Moskau zuschütten, sind 75 Prozent zu wenig. Sie wollen 100 Prozent Nähe zum Weißen Haus.Was die Grünen lernen müssen: StaatsräsonTatsächlich ist der Job des US-Europabeauftragten vakant, seit sich London aus Brüssel verabschiedet hat und eine Chaos-Truppe in der Downing Street dilettiert. Doch wäre derlei für dieses Land zu eng. Als rohstoffarmer, aber exportzentrierter Wirtschaftsriese ist Deutschland zu einer konfliktvermeidenden Außenpolitik verurteilt. Das passt nicht zu einer Rolle als Exekutor amerikanischer Geostrategie – zumal Amerika auch ökonomischer Konkurrent ist. Keine Abhängigkeit von Diktaturen? Auch die USA sind nicht der verlässlichste Partner. Gerade beim Öl hängt vieles von innenpolitischen Faktoren ab. Seit jüngst das Öl-Kartell OPEC eine drastische Förderreduktion beschlossen hat, steht gar ein Exportverbot im Raum.Nun setzte die deutsche „Politik des Spielraums“ stets voraus, dass Europa halbwegs an einem Strang zieht. Das ist derzeit illusionär. Der hohe Ton, in dem hierzulande Wahlergebnisse in Partnerländern kommentiert werden, war nicht immer hilfreich. Doch dass die EU mit Stress nicht mehr umgehen kann, ist nicht den Grünen anzulasten. Eher wirkt hier Merkels Desaster-Politik in der Euro-Krise nach.Was aber die Grünen lernen müssen: Ein Land, das irgendetwas „führen“ will, muss nach außen mit einer Stimme sprechen. Gerade in unruhigen Zeiten darf nicht der Eindruck entstehen, eine Außenministerin sei allzeit bereit, ihrem Regierungschef in den Rücken zu fallen. Denn ein Staat, der ein solches Bild vermittelt, wird nicht wirklich ernst genommen – und lädt fremde Mächte dazu ein, mit diesem Bruch strategisch zu spielen. So viel Staatsräson muss sein.