Waren das famose Zeiten, als Fußball noch mit Gusto gespielt wurde! Überdies von moderat bezahlten Akteuren und solchen, die aus der Tiefe des Raumes als Nobodies gar bis ins Viertelfinale stürmten. Erinnern Sie sich noch an die Fußballweltmeisterschaft 1966 in England? Ich befand mich gerade auf der Fähre zwischen dem süditalienischen Brindisi zur griechischen Insel Kerkyra (Korfu), als eine zu Tode betrübte italienische Bordcrew den Schipper führerlos fast auf Grund setzte. Da hatte doch tatsächlich in der Wiege des Fußballs eine Mannschaft aus dem fernen (Nord-) Korea - der Demokratischen Volksrepublik unter der Ägide des "Großen Führers" Kim Il Sung - die haushoch favorisierten italienischen Ballkünstler durch das T
ch das Tor des legendären Park Doo Ik in der 41. Minute geschlagen und sich derart ins Viertelfinale vorgedribbelt! Ohne Sicherheitsvorkehrungen versteht sich. Und heute? Die noch immer ballbegeisterten Nordkoreaner können, so sie Glück haben, per TV über ihre haushohen "Mauern" gen Süden schauen, wenn dort unter den schärfsten Sicherheitsvorkehrungen, die je eine Fußballweltmeisterschaft erlebte - und je erleben wird -, in sanitärem Ambiente hochdotiert und mit gewaltigem Werberummel gekickt wird. Nach den Olympischen Sommerspielen 1964 in Tokio und 1988 in Seoul wird die gemeinsam von Japan und Südkorea ausgerichtete Fußballweltmeisterschaft beide Länder erneut für einige Wochen ins Zentrum medialer Aufmerksamkeit rücken. Zwar ist es ein Novum, ein solches Sportereignis geographisch und organisatorisch aufzuteilen. Ob dabei die Funktionärsriege der FIFA gut beraten war, ist zu bezweifeln, können am Rand des Sportereignisses schließlich Ressentiments aus der konfliktbeladenen Geschichte der beiden Länder aufbrechen. Denn immerhin war Japan von 1910 bis 1945 Kolonialmacht in Korea. Und nach der Niederlage des japanischen Militarismus widerfuhr nicht etwa dem Täter, sondern dem Opfer die Teilung des Landes (Koreakrieg 1950-53). Selbst ein Jahrzehnt nach dem Ende der West-Ost-Blockkonfrontation durchzieht die Halbinsel noch immer eine etwa 240 Kilometer lange "demilitarisierte Zone". Ein begrifflicher Euphemismus und Anachronismus ohnegleichen, stehen sich diesseits und jenseits des 38. Breitengrads doch waffenstarrend über eine Million Soldaten gegenüber, inklusive knapp 37.500 im Süden stationierte amerikanische GIs. Zündstoff, der die koreanische Halbinsel im Sommer 1994 bereits an die Schwelle neuerlicher militärischer Auseinandersetzungen brachte. Nordkorea, so hieß es damals, sei imstande, eigene Atomwaffen zu produzieren und gefährde akut die Sicherheit und den Frieden in ganz Ostasien. Pjöngjang reagierte in der ihm eigenen Manier. Mit dem Verweis auf die andauernde US-Truppenpräsenz in Südkorea und regelmäßige gemeinsame südkoreanisch-amerikanische Manöver feuerte es propagandistische Breitseiten gegen die "USA-Kriegstreiber" und ihre "Marionetten in Seoul". Inmitten der Vorbereitungen des ersten Gipfeltreffens beider Staatschefs starb im Juli 1994 der "Große Führer" Kim Il Sung. Analysten machten Nordkorea flugs als Hort erbitterter Diadochenkämpfe aus und prophezeiten dem Land eine Implosion wie in der Sowjetunion und Osteuropa. Stattdessen demonstrierte Pjöngjang, dass Totgesagte länger leben. Am 13. Juni 2000 gar genoss seine Führung als Gastgeber des ersten innerkoreanischen Gipfels den geschichtsträchtigen Moment, da die Staatschefs beider Teilstaaten, Kim Dae Jung und Kim Jong Il - offiziell noch im Kriegszustand! - Freundlichkeiten per Handschlag austauschten, Familienzusammenführungen und den Ausbau bilateraler Wirtschaftsbeziehungen vereinbarten. Ein veritabler Durchbruch, der mitausschlaggebend dafür war, dass der südliche Kim für seine seit 1998 vis-à-vis dem nördlichen Kim gegenüber praktizierte "Sonnenscheinpolitik" vor zwei Jahren den Friedensnobelpreis erhielt. Während sich Russland mit Präsident Putins Besuchen in Nord- und Südkorea - im Sommer 2000 beziehungsweise Anfang 2001 - als vormals enger Verbündeter Pjöngjangs auf der koreanischen Bühne zurückmeldete, geriet Japan ins Hintertreffen. Noch immer unterhält Tokio keine offiziellen Beziehungen zu Pjöngjang und stocken entsprechende Verhandlungen. Erst jüngst haben japanische Gerichte erneut Klagen koreanischer "comfort women" - von der japanischen Soldateska während des Krieges zwangsrekrutierter Prostituierter - abgewiesen. Und selbst die neuesten Schulbuchausgaben in Japan sorgen wegen Geschichtsklitterung und Verharmlosung des Militarismus in den dreißiger und vierziger Jahren für Missstimmung und Protest. Peking bleibt Nordkoreas engster Verbündeter, während Russland im Falle der Umsetzung der neuen Pentagon-Strategie (Stichwort: Nationales Raketenabwehrsystem) den Schulterschluss mit China und Nordkorea sucht. Die größten Schwierigkeiten hat augenblicklich Kim Dae Jung, weil Washington seine "Sonnenscheinpolitik" als naiv einstuft und sein jüngster Sohn das Schicksal einiger FIFA-Oberen teilt: Sie stecken tief im Morast von Korruption und Bestechung und sind tunlichst darauf bedacht, ihre "Bälle flach zu halten".