Bauernproteste gab es schon früher, martialisch und militant. In Brüssel und Den Haag können sie ein Lied davon singen. Schließlich wird in den Niederlanden seit Jahren über reduzierte Stickstoff-Emissionen gestritten. Die sind hier um das Dreifach höher als im EU-Durchschnitt. Der Löwenanteil resultiert vorrangig aus der Massentierhaltung. Wenn augenblicklich die Proteste bis hin zu gewalttätigen Attacken eskalieren, dann zum wiederholten Mal in diesem Jahr. Die Bauern blockieren nicht nur Verkehrswege, sie legen auch Lager und Logistik großer Supermärkte lahm. Es hagelt Festnahmen und Strafen. Dass niederländische Polizisten die Waffe ziehen und scharf schießen, war bis vor Tagen undenkbar.
Die Fronten sind verhärtet. Auf der einen Seite der Klima- und Umweltschutz und der ewige Regierungschef Mark Rutte, der die Stickstoffmengen, die noch immer in die Luft geblasen werden, schnell und drastisch reduzieren will. Um bis zu 80 Prozent. Das trifft viele, auch den Bausektor und Verkehr. Tagsüber gilt ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen. Zehntausende von Bauprojekten sind stillgelegt. Aber die Bauern trifft es am härtesten, packt sie doch wie Viehzüchter, die den internationalen Fleischmarkt beliefern, nackte Existenzangst. In 20 Jahren gibt es in den Niederlanden keine Landwirte mehr, so die Parolen.
Größer werden oder sterben
In diesem Agrarindustrieland dominieren High-Tech-Standards von Gartenbau bis Viehzucht, und das auf kleinen Flächen. Nirgends wird Landwirtschaft so intensiv betrieben wie hier, nirgendwo in Westeuropa arbeiten noch so viele Leute im Agrarsektor. Nur schrumpft die Zahl der Betriebe, deren Devise dank der EU-Agrarpolitik lautet: Größer werden oder sterben.
Gülle, Fleisch, Gemüse und Stickstoff, das produzieren die niederländischen Bauern im Überfluss. Das muss weniger werden, und zwar schnell, findet eine überwiegende Mehrheit, auch wenn manche übers Tempolimit und kassierte Bauvorhaben erbost sind. Im eskalierenden Bauernkrieg stoßen zwei Welten aufeinander: die Mehrheit der Stadtbewohner, gut ausgebildet, gut verdienend, einer grüne Umwelt zugetan und bereit, für den Klimaschutz Opfer zu bringen. Und die Minderheit der Landbevölkerung, weder arm noch abgehängt empfindet sie Klimaschutz als Bedrohung und sich als Opfer der Haager Politik. Auch wenn mittlerweile wieder mit der Regierung verhandelt wird, die Bauernverbände hegen keine großen Hoffnung, dass es zu einer Verständigung kommt.
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