Die Berliner Lunge hustet

UMWELT Günter Arndt, Anti-Schönefeld-Aktivist, über seine Anfänge als Naturschützer in der DDR und den ökologischen Unsinn von Großflughäfen

Seit dem 15. Mai liegen die Antragsunterlagen für den Ausbau des Flughafens Schönefeld in Brandenburg und Berlin aus. Über 130.000 Einwendungen sind bis zum 25. Oktober gegen die Pläne eingegangen. Eine der emsigsten Schreiber war die Naturschutzgruppe »Wüstemark« in Zeuthen südlich von Berlin; Günter Arndt ist ihr Sprecher.

FREITAG: Der Planfeststellungsantrag zum Ausbau des Flughafens Schönefeld braucht 49 Ordner. Wie haben Sie den Aktenberg bewältigt?

Günter Arndt: Die 7000 Seiten waren von einem Einzelnen in einem halben Jahr kaum durchzuarbeiten. Wir haben uns als Gruppe hingesetzt und die Punkte herausgesucht, die uns vor allen Dingen interessierten: Flugbetriebsflächen, Verkehrsanbindung an Straße und Schiene, Entwässerung, den Landschaftspflegerischen Begleit- und Rodeplan und als letztes die Umweltverträglichkeitsstudie.

Warum hatten Sie so wenig Zeit?

Ich kann Ihnen nicht sagen, warum der Flughafen unbedingt noch mit dem verkürzten Verfahren im laufenden Jahr durchgeboxt werden muss. Die Einspruchsfristen waren bei anderen Flughafenerweiterungen wesentlich länger.

Was macht Ihnen am geplanten Ausbau besondere Sorgen?

Zum Beispiel die Entwässerung. Ein sehr großes Gebiet wird mit Beton- und Dachflächen bebaut. Das Regenwasser wird, wenn es über die Flächen läuft, zum Teil verunreinigt. Wir stellen uns die Frage, ob die beschriebenen Reinigungsanlagen ausreichen, um das Wasser dann einfach in die vorhandenen Gräben einzuleiten, ohne dort das biologische Gleichgewicht zu zerstören. Außerdem müssen die Grabenränder zum Schutz angrenzender Häuser teilweise erhöht werden. Das ist riskant, weil dort die Fauna über lange Strecken beschädigt werden könnte, also gerade der Bereich, der nach dem Brandenburger Naturschutzgesetz unter Schutz steht.

Erhält der Flughafen keine eigene Kläranlage?

Der Flughafen wird mit der Kläranlage im benachbarten Waßmannsdorf verbunden. Aber in sie wird nur Wasser geleitet, das wirklich mit Fäkalien verschmutzt sind. Ihre Kapazität ist außerdem erst vor kurzem erweitert worden, um mehrere Berliner Randgemeinden anzuschließen. Hier stellen sich zwei Fragen: Stimmt die Behauptung der Planer, dass nun auch noch der Flughafen angeschlossen werden kann? Und muss die Anlage wegen der speziellen Schadstoffe am Flughafen nicht umgebaut werden?

Was erwarten sie an Lärm?

Die Belästigung durch einen Flughafen lässt sich nicht ohne weiteres mit normalem Verkehrslärm vergleichen. Auf einem Flugplatz gibt es eine Vielzahl von Geräuschquellen: Transporter, Tankwagen, die Feuerwehr, die Belüftungsanlagen. Flugzeuge starten und landen. Vor dem Start werden alle Triebwerke bei verschiedenen Drehzahlen geprüft. Aus dieser Vielfältigkeit entsteht ein Grundgeräusch mit sehr niedriger Frequenz, das über weite Strecken trägt, wie etwa auf Autobahnen an Tagen mit starkem LKW-Verkehr.

Wurde der zu erwartende Lärm für den Antrag berechnet?

Ja, aber zu den vorliegenden Ergebnissen werden wir Spezialisten befragen müssen. Wir haben ernsthafte Zweifel, ob die angewandten Berechnungsmethoden auf der Höhe der Zeit sind.

Warum sollte ein Flughafen nicht doch am Rand einer Großstadt gebaut werden?

Ganz einfach: Um die Belästigung der Bevölkerung so niedrig wie möglich zu halten. Aber: Im Landesentwicklungsplan von Brandenburg, der auch mit Berlin abgestimmt wurde, ist festgeschrieben, wie groß die Orte rings um Berlin werden dürfen, um die klimatischen Verhältnisse in Berlin einigermaßen zu erhalten. Jede große Bautätigkeit verändert das Klima in der Stadt.

Wie das?

Der Wegfall von Wäldern und Wiesen vor der Stadt beeinträchtigt die Windmassen, die durch Berlin strömen, und damit auch die Temperaturen und die Luftverhältnisse. Es ist doch eigentlich eine klare Sache, wie wichtig eine gute Lüftung für Berlin sein muss - bei dem großen PKW-Aufkommen und angesichts der gesamten Industrie. Deshalb wundere ich mich, dass all diese Dinge, die im Landesentwicklungsplan noch berücksichtigt wurden, nun plötzlich keine Rolle mehr spielen sollen.

Sie waren selbst Flieger. Wie sind Sie zum Naturschutz gekommen?

Ich war Wirtschaftsflieger, und der Dünger, den ich verteilte, diente nicht gerade dem Schutz der Natur. Ich kam erst später als technischer Leiter in einem Baubetrieb zum Umdenken. Wir wurden von der Gemeinde immer wieder gebeten, Schuttberge im Wald oder an Wasserflächen abzutransportieren. Ich merkte dadurch, wie viel gefährlicher Unrat da ist und wie die Entsorgung eigentlich läuft.

Verstanden Sie und ihre Kollegen sich schon damals als Naturschutzgruppe?

Nein. Der Oberförster fragte mich erst 1983, ob wir eine Gruppe Natur und Umwelt bilden sollten. Von ihm stammte auch der Vorschlag, unsere Gruppe »Wüstemark» zu nennen - nach der Landschaft ganz in der Nähe von Zeuthen. Bis zur Wende waren wir dann eigentlich eine sehr starke Gruppe mit sechzig siebzig Mitgliedern. Da waren auch Berliner bei. Wir mussten für unsere Treffen immer einen Kinosaal mieten.

Ist diese Aktivität von den Behörden hingenommen worden?

Wir waren politisch nicht gerade beliebt. Wenn zum Beispiel das Militär irgendetwas baute oder zerstörte, dann waren wir da. In unseren Versammlungen saßen immer drei oder vier Stasileute. Aber das interessierte uns nicht.

Was wollen sie mit dem Projekt Schönefeld erreichen?

Es geht nicht um Schadensbegrenzung. Wir wollen versuchen, den Ausbau des Flughafens zu verhindern. Wenn die erste Startbahn 2007 gebaut ist, dann werden auch die beiden anderen folgen, wie es von Anfang an geplant war. Nur, weil der Protest zu groß war, hat man gesagt, es bleibt bei einer.

Gäbe es denn einen besseren Standort?

Ich bin prinzipiell gegen Großflughäfen. Wir haben in Deutschland so viele Flugplätze. Die Verkehrsmittel sind heute so schnell, dass man einem Fluggast die Fahrt zum Beispiel von Leipzig nach Berlin zumuten kann. Und dann gibt es vier fünf alte Flughäfen rings um Berlin, die zu DDR-Zeiten noch militärisch genutzt wurden und ausgebaut werden könnten.

Wie groß ist der Widerstand gegen Schönefeld?

Wir arbeiten als Gruppe des Naturschutzbundes mit vielen Brandenburger und Berliner Verbänden wie dem BUND, der Grünen Liga, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald oder dem Touristenverein »Die Naturfreunde» zusammen. Unser stärkster Verbündeter aber ist der Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB). Er hat eine sehr gute Expertengruppe aus den verschiedensten Berufen. Der Verein richtete gleich im Mai Informationsbüros ein und rüttelte die Bevölkerung mit einem Hilfsangebot bei der Formulierung von Einwendungen auf.

Das Gespräch führte Pit Fiedler

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Die Vielfalt feiern – den Freitag schenken. Bewegte Zeiten fordern weise Geschenke. Mit dem Freitag schenken Sie Ihren Liebsten kluge Stimmen, neue Perspektiven und offene Debatten. Und sparen dabei 30%.

Print

Für 6 oder 12 Monate
inkl. hochwertiger Weihnachtsprämie

Jetzt sichern

Digital

Mit Gutscheinen für
1, 6 oder 12 Monate

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden