Bud Spencer Carlo Pedersoli war Schwimmer, Erfinder und Straßenbauer. Dann wurde er Bud Spencer und gelangte mit dem Fünf-Sekunden-Narkosehammer zu Weltruhm. Eine Erinnerung von A-Z
Die Kino-Legende Bud Spencer ist nun im Alter von 86 Jahren gestorben
Foto: Sven Simon/imago
Autogramm
Anerkanntes Prozedere für Autogrammsammler, die nicht an jedem roten Teppich stehen können: Man schickt seinen Autogrammwunsch postalisch los und legt einen ausreichend frankierten Rückumschlag bei. So kam ich als Kind an komplette Unterschriftensätze des 1. FC Nürnberg und des FC Bayern, an Unterschriften von Helmut Kohl und Willy Brandt, Nicole und Falco, Michael Stich und Boris Becker, Hella von Sinnen und Rita Süssmuth. Autogrammesammeln ist unideologisch – das Einzige, an was man glauben muss, ist Prominenz.
Von Bud Spencer habe ich kein Autogramm. Er hatte eine Anschrift in Rom, und italienische Briefmarken als Rückporto waren in meiner Kleinstadt nicht zu kriegen. Es gab aber den Zwei-Mark-Zwanzig-Rückporto-Schein der Post. Den s
ein der Post. Den schickte ich mit. Dafür hätte Bud italienische Marken kaufen können, um das Herz eines Zehnjährigen im Spencer-Sound – Kawumm, kawumm – schlagen zu lassen (➝Filmschlägerei). Aber nein: Er antwortete nie. Ich bin nicht sauer deswegen, es war ja nur mein Taschengeld. Aber falls ihn jemand trifft, kann er ihm gerne mit einem Gruß von mir eine Beule in den Bart beißen, dass ihm die Hose wegfliegt (➝Filmsprüche). Klaus RaabEssenWann ist der Mann ein Mann? Wenn er seine Hände mühelos vorn auf dem Bauch falten kann (➝Umfang). Als Teenager war Carlo Pedersoli aber eher schmal. Während der SS-Besatzung kam bei ihm zuhause nur Schwarzbrot und Formaggio Roma auf den Tisch.Aus Carlo wurde ein Schwimmer (➝Schwimmen), dann ein Dicker, dann Bud Spencer. Man konnte ihm ein feines Mahl servieren: Champignons sautés, Petits Poires mit Pommes de Terres. „Aber ohne Knoblauch und nicht so scharf“, rief er dann nur, wie in Vier Fäuste für ein Halleluja. Am Ende des Films hockte er mit Terence Hill in der Pampa, und sie warfen sich Bohnen mit Speck ein. Ihre Version des Dolce Vita. Weil Bud Spencer auch philosophierte, hatte er ein Descartes-Motto umgemünzt: "Mangio ergo sum" – "Ich esse, also bin ich." Maxi LeinkaufErfindungenDer Legende, er habe eine Zahnbürste mit integrierter Zahnpasta patentieren lassen, widersprach Carlo Pedersoli 1995 bei Wetten, dass ...?: Das sei "nur ein Gebrauchsmuster" gewesen. Diverse Patente hat Spencer aber tatsächlich angemeldet, auch wenn diese mittlerweile erloschen sind, weil er die Jahresgebühr nicht bezahlte. So findet sich beim Deutschen Patentamt sein "Jagdgewehr" (Aktenzeichen-DE: 3123603.0), eine dreiläufige Flinte. Außerdem der Antrag auf ein Türschloss (4009764.1), "bei dem eine Falle in einer vorgeschobenen, wirksamen Stellung mit Hilfe einer Feder gehalten wird und in eine zurückgezogene, unwirksame Stellung mit Hilfe von schwenkbaren Hebeln gebracht werden kann, die an feststehenden handgriffartigen Trägern angebracht sind". Und: ein Spazierstock mit ausklappbarem Tisch.Er sei einfach neugierig, erklärte er mal, und wenn er auf etwas Nützliches gestoßen sei, das das Leben erleichtere, habe er das eben gebaut. Tobias PrüwerFilmschlägereiFamilienprogramm im Fernsehen: Da sind zwei Typen, die sich mit vielen anderen Typen prügeln und mit Tischen werfen, der Sounddesigner hat Laute wie "Boing" und "Kawumm" darüber gelegt. Und am Ende gewinnen immer die, die die beidhändige Doppelbackpfeife (Sound: "Batsch", scheppernd im Abgang) und den Fünf-Sekunden-Narkose-Hammer ("Boooiiiing") beherrschen, also die wirklich fiesen Tricks.Wer sich aber fragt, was das für Eltern sind, die sich sowas mit ihren Kindern angucken, muss sich auch fragen lassen, ob er noch nie was von Asterix und Obelix gehört hat: Spencer und Terence Hill gaben im Grunde unbeugsame Gallier ohne Frankreich; verfressen (➝Essen), ohne Manieren (➝Filmsprüche), vor allem aber – da zeigt sich ein Hauch von politischer Dimension – Helden von unten. Die Schlägereien waren die komischen Höhepunkte, und dass sie sich immer wieder ähnelten, ist nicht schlimm. Es ist wie bei einer Punkband: Die besten von ihnen variieren auch immer nur denselben Song – aber der ist gut. raaFilmsprücheBud Spencer und sein schönerer, aber deutlich weniger wichtiger Filmpartner Terence Hill (➝Zwei) drehten die erfolgreichsten ihrer gemeinsamen Filme in den Siebzigern und Achtzigern. Damals neigten auch andere Mainstreamhelden zum Sprücheklopfen, etwa James Bond (der von Roger Moore quasi als Comicfigur behandelt wurde) und der vertrottelte Inspektor Clouseau (Der rosarote Panther). Aber der Dicke und der Blonde spielten in einer eigenen Liga, was die Schulhoffähigkeit von Filmzitaten betraf. Nicht Manta-Witze waren insofern die Chuck-Norris-Witze der Achtziger, sondern Bud-Spencer-Drehbücher.Die Filmdialoge sollen in der deutschen Übersetzung gegen den üblichen Trend eher gewonnen haben (➝Synchronsprecher), aber wie auch immer sie zustande kamen: Mancher Text ist von solcher Raffinesse, dass er bis heute als Gesprächsöffner bei steifen Gelagen dienen kann, etwa: „Rülps! Alles raus, was keine Miete zahlt!“ Ebenfalls noch in Gebrauch (➝Autogramm): "Ich beiß dir gleich ’ne Beule in den Bart, dass dir die Hose wegfliegt."Und um dann auch noch alle weiteren wichtigen Filmsätze zu nennen: a) "Wenn du dir das Leben nehmen willst, musst du hier schön warten, bis ich wieder rauskomme." b) "Ich heiße Largo, und du?" – "Ich nicht." c) "Hast du etwa wieder zu viel Knoblauch gefressen?" – "Kann eigentlich nicht sein, ich hab mir vorhin nur vier Knollen reingezogen." Und d) "Wie viel?" – "Auf jeden Fall das Doppelte." raaLiedgutBababababababa ... Bud, der Bass, er brummte und irritierte die Damen in einer Chorprobe, vor allem als er plötzlich "Ha" dazwischen ruft. Der Olivenöl-Haar-Dirigent sackt zu einem Waschlappen zusammen, wenn auch nur in der Szene aus Zwei wie Pech und Schwefel. Bud Spencer konnte aber auch singen – und tat es. Es hieß, er wollte auch mal ein Album mit Schlagern in neapolitanischer Mundart aufnehmen. Wovon ein Mann des Südens so singt? Von Grandi Emozioni. Von Miracoli. E Napoli. Bud Spencer ist dort als Carlo Pedersoli geboren worden. Er hat die ersten zehn Jahre im wilden Neapel verbracht, dann zog die Familie nach Rom. Aber dieses Heimweh! "Oh, Napoli, bella citta", in diesem Lied brummte Spencer nicht mehr, sondern gab den Ton an, und der Chor folgte ihm, genau wie die Panflöte. Es klang nach dem alten Italien, weniger verwegen als Celentano, weniger verrucht als Nannini, es war simple populäre Folklore, manchmal so kämpferisch wie ein Partisanenlied. So stolz. Bud Spencer sagte, er weine immer, wenn er neapolitanische Schlager hört. Er war Italiano. Si si. Aber vor allem war er: Neapolitano! MLPanamericanaEnde der 50er Jahre war es noch nicht üblich, sich bei Sinnkrisen in einen indischen Ashram zurückzuziehen. Und so machte sich Carlo Pedersoli, der 1957 kein Schwimm-Champion mehr (➝Schwimmen) und noch kein Film-Star war (➝Filmsprüche) auf nach Venezuela, um dort herauszufinden, wer er sei. Zwei Jahre arbeitete er am Bau der Panamericana mit, jenem Straßennetz, das den Kontinent von Alaska bis nach Feuerland durchzieht. Als Vorarbeiter war er für knapp 100 Lastwagen verantwortlich, mit deren Ladungen eine Asphaltstraße durch den Dschungel gelegt werden sollte. Allerdings verschwand immer mal wieder eine Ladung. Als er einen Dieb stellte, der mit dem Asphalt die Zufahrt zu seinem armen Dorf teerte, fand Pedersoli nach eigener Aussage eine Lösung, die auch von Bud hätte stammen können. Der Dieb bekam eine Tracht Prügel – Strafe muss sein! – und anschließend organisierte Pedersoli genug Material, um die Dorfstraßen zu asphaltieren. Jan PfaffSchwimmenZugegeben, aus heutiger Sicht schaufelte sich Carlo Pedersoli eher gemächlich durchs Wasser. Bei gut 45 Sekunden liegt der aktuelle Weltrekord über 100 Meter Freistil, "Buddy" brauchte Anfang der fünfziger Jahre für die gleiche Strecke um die 59 Sekunden. Doch diese Zeit genügte, um als erster Italiener in die Geschichte einzugehen, der unter einer Minute blieb.Sieben Mal wurde Pedersoli über die 100 Meter italienischer Meister und fuhr 1952 und 1956 sogar zu den Olympischen Spielen. Dort schwamm er eher hinterher. Vielleicht hätte er besser ein paar Trainingseinheiten mehr eingelegt? Pedersoli, die wandelnde rechte und linke Hand des Teufels, liebte den Wettbewerb so sehr, wie er die Vorbereitung verachtete. Nie sei er, heißt es, ohne Kippe im Mund im Schwimmbad aufgekreuzt.Mit 27 Jahren, auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn als Sportler, stieg er aus dem Becken und ging als Straßenbauer in den venezuelanischen Dschungel (➝Panamericana). Irgendwie musste die Karriere ja weitergehen. Mark StöhrSynchronsprecherOb die Bud-Spencer-Filme hierzulande wohl so eingeschlagen hätten, wenn man sie eins zu eins synchronisiert hätte? Höchstwahrscheinlich nicht. Rainer Brandt, der Dialogautor der meisten von ihnen, war ein Meister des Wortspiels, das oft keine Schmerzgrenze kannte (➝Filmsprüche). Das Original sowieso nicht. Da wurde gekalauert auch an Stellen, wo überhaupt kein Dialog vorgesehen war. Manchmal bewegten die Darsteller nicht einmal die Lippen. Sätze wie "Ich hau dir ’ne Delle in die Gewürzgurke!" oder "Dem beiß ich ’ne Beule in den Bart, dass ihm die Hosen wegfliegen!" (➝Autogramm) schufen den Sound, der zum guten Ton auf den Schulhöfen gehörte wie der angedeutete Senkrechtschlag auf den Oberkopf (➝Filmschlägerei). Doch die Sprüche entfalteten ihre Wirkung erst mit dem bellenden dröhnenden Organ von Wolfgang Hess. Der lieh Bud Spencer in über 25 Filmen seine Stimme. Eine seiner anderen Sprecherrollen hatte übrigens ein ähnliches Format: Obelix (➝Umfang). MSTränensäckeWirklich große Filmfiguren altern nicht. Sie bewohnen ein imaginäres Reich, in dem die Beschränkungen von Raum und Zeit aufgehoben sind. Um so größer ist mitunter der Schock, wenn sich das Bild des gealterten Schauspielers über jenes der Filmfigur legt. Als der 81-jährige Bud Spencer zum Erscheinen seiner Autobiografie 2011 der ARD ein Interview gab, sah man einen alten Mann mit grauem Bart und riesigen Tränensäcken. Das sollte Banana Joe sein? Unvorstellbar. Aber Bud Spencer hatte in seiner Autobiographie eine Lösung parat. Er war kein Anhänger eines linearen Geschichtsbildes, sondern bevorzugt ein zyklisches. Seine Autobiografie begannt deshalb damit, dass er sich an seinem 80. Geburtstag mit dem jungen Carlo Pedersoli (➝Schwimmen) trifft, um ihm sein kommendes Leben zu erzählen. Wem das zu fantastisch ist, der kann sich immer noch die alten Filme anschauen: Da altert Bud garantiert nicht. japMein Leben, meine Filme Bud Spencer Schwarzkopf Schwarzkopf, Berlin 2011UmfangBud Spencer war mit 1,92 Meter genauso groß wie einst "Superman" Christopher Reeve und John Wayne waren. Schuhgröße: 47. Faustumfang: 33 Zentimeter. Superlative wies Spencers Körper zu seinen Hochgewichtzeiten zu Beginn der Achtziger Jahre auf. Sein Kampfgewicht betrug damals 160 Kilo, 55 Zentimeter der Bizepsumfang. Der Umfang der Brust betrug 146 Zentimeter, der des Bauchs 175 Zentimeter. Anders als Obelix versuchte er aber nie, sich mit einer optischen Täuschung – Streifen machen dick – herauszureden. Wäre ein Draufgänger wie Spencer mit so einem Bierbauch – sein Vorname geht immerhin auf das Bier Budweiser zurück – heute noch denkbar? Er ginge im Film wohl gerade noch als Gastrokritiker (➝Essen) oder Anwalt durch. Actionhelden sehen gegenwärtig anders aus. TPZweiPärchenbildung ist in der Filmgeschichte ein bewährtes Rezept. Man nehme zwei möglichst gegensätzliche Charaktere und schicke sie gemeinsam los. So wurde auch Bud Spencer als Schauspieler erst richtig bekannt, als er anfing, mit Terence Hill Filme zu drehen, die meist auch die Zweisamkeit im Titel trugen (Zwei hau’n auf den Putz, Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle, Zwei wie Pech und Schwefel). 15 Filme drehte das Duo von 1967 bis 1994. Hill, bürgerlich Mario Girotti und gelernter Schauspieler – anders als Spencer aka Pedersoli, der eher zufällig zum Film kam –, agierte als attraktiver Konterpart zum brummigen Hau-Drauf-Rüpel Spencer. Hills blaue Augen hatten denselben Wiedererkennungswert wie die Dialoge (➝Filmsprüche) oder Spencers Doppelbackpfeife (➝Filmschlägerei). Auf einem Niveau, das etwa den unterdrückten Gewaltfantasien eines Einser-Schülers entsprach, schrieb dieses Paar Filmgeschichte. Sophia Hoffmann
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