Die Ex

linksbündig Die Grünen treffen sich wieder mit der Friedensbewegung

Es ist ein bisschen wie in alten Zeiten. Da marschieren sie wieder miteinander: die Grünen und »die« Friedensbewegung. Luftballons, Transparente, Aufkleber, Infostände am Straßenrand - alles wie damals! Aber nicht nur nostalgische Gefühle wärmen das grüne Herz, die Frühlingssonne vermittelt politische Aufbruchstimmung. Endlich stehen sie wieder auf der richtigen Seite der Barrikade. Vorbei die Zeiten, da man selbst in das Visier der Demonstranten geraten war und unter ständigem Rechtfertigungszwang stand. Der Protest gegen den Krieg wird so für manchen Grünen zur politischen Wellnesskur.

Zum revitalisierten Heimatgefühl in der »Bewegung« treten die Nachrichten über den Höhenflug in den Meinungsumfragen - Balsam für die in fast fünf Regierungsjahren geschundene grüne Seele. Wird nicht die Geschichte der Grünen gerne als Entwicklung von der Protest- zur Regierungspartei beschrieben? Das erhob den Regierungszustand zur höchsten Reifestufe politischer Existenz und erklärte die Protestphase sozusagen zum vorpubertären, möglichst rasch zu überwindendem Durchgangsstadium. Nun ist endlich beides erlaubt und ohne Glaubwürdigkeitsverlust möglich: Regieren und Protestieren!

Der gemeinsame Protest gegen den Irak-Krieg schafft für viele Grüne eine Nähe zu ehemaligen politischen Weggefährten, zu denen die Kommunikationsfäden schon seit längerer Zeit gerissen sind. Die im Kosovo und in Afghanistan verlorene pazifistische Unschuld der Grünen hatte nicht nur politische Scherben hinterlassen, sondern auch manches persönliche Band durchtrennt. Nun marschiert man wieder Seit´ an Seit´ - Friedensbewegte und Grüne, plötzlich und unerwartet. Beide verbindet ein gemeinsames Gefühl der Überraschung, denn - Friedensbewegter: »Sei doch mal ehrlich!« - dass die rotgrüne Regierung die Antikriegsposition tatsächlich durchhält, habe doch wohl auch der Grüne nicht erwartet. Um die soeben wiedergewonnene Gemeinsamkeit nicht schon wieder zu gefährden, schweigt der Grüne und signalisiert klammheimliche Zustimmung. Erst als hinzugefügt wird, dass der Dank für diese konsequente Positionierung wohl weniger dem Außenminister als - aus welchen Gründen auch immer - dem Kanzler gebühre, meldet der Grüne pflichtgemäß seinen Dissens an.

Das Ganze erinnert an ein Zusammentreffen mit der »Ex-Freundin«: Diese Gleichzeitigkeit von Vertrautheit und Misstrauen, von Nähe und Distanz. Das Gemeinsame und das Trennende - beides ist präsent. Keine falsche Harmonie, aber es könnte eigentlich ganz nett sein, wenn die »Ex« doch nur ihre ständigen Sticheleien unterlassen würde.

Doch mit Wellnesskuren im Frühjahr lassen sich weder Beziehungskisten reparieren noch Krankheiten therapieren. Brüche heilen sie schon gar nicht. Die Friedensbewegung erinnert deshalb in ihrem jüngsten Rundbrief auch an den pazifistischen Sündenfall der Grünen. Wortmächtig schleudert sie den Grünen ihre Zweifel an der Besserung entgegen: »Wir wissen, wie rasch diese gegenwärtig friedensgerichteten Flötentöne zu kriegerischen Pauken und Trompeten werden.«

Doch es gibt kein Monopol der Pazifisten auf den Antikriegsprotest. Die Friedensbewegung ist nie Alleineigentum der Pazifisten gewesen. Ideologische Reichweite, weltanschauliche Unterfütterung, politische Radikalität der Forderungen waren in der Friedensbewegung immer vielgestaltig. Katalysator war die Übereinstimmung in einem zentralen Protestanliegen - ungeachtet aller anderen politischen Differenzen. Die Reduktion des politischen Anliegens auf eine zentrale Forderung ermöglichte also erst ihre politische und soziale Heterogenität. Diese Breite war den Antikriegsprotesten in den letzten Jahren verloren gegangen - zu komplex waren die mit den Kriegen auf dem Balkan und in Afghanistan verbundenen ethischen und politischen Fragen, um gemeinsamen breiten Protest zu generieren. Heute repräsentieren die Demonstranten auf den Straßen und Plätzen bei Protestmärschen und Friedenskundgebungen wieder ein breites gesellschaftliches Spektrum, das an die Anfänge der Friedensbewegung in den achtziger Jahren und dem Protest gegen den Golfkrieg 1991 erinnert. Damals wie heute sind die Grünen Teil der Bewegung.

Ja, insoweit ist es ein bisschen wie früher. Aber die Grünen haben sich verändert und die Frühjahrsdemonstrationen sind für sie gewiss kein pazifistischer Jungbrunnen.

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