Die Falken rüsten auf

Eskalation Immer wieder wird über einen Luftschlag gegen Iran spekuliert, um dortige Militäranlagen und Bunkersysteme zu treffen. Die Anzeichen für einen solchen Angriff mehren sich

Die Beziehungen zwischen den USA und Iran sind nach den aufgedeckten Anschlagsplänen auf einem Tiefpunkt angelangt. Die USA setzen sich sich für schärfere Sanktionen ein. Einen militärischen Angriff plant Washington selbst zwar derzeit offenbar nicht, wie übereinstimmend zu hören ist. Über eine mögliche Attacke Israels auf Iran wird aber vor allem in Geheimdienstkreisen heftig spekuliert.

Bislang fehlte das grüne Licht Washingtons für eine derart gefährliche Operation. Doch die kriegerische Rhetorik von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedjad, die Entwicklung iranischer Shahab-Marschflugkörper und die Furcht, Iran könnte Israel mit Atombomben gefährlich werden, stärkt die Position der Falken in Israels Regierung. Ein militärisches Szenario scheint somit immer realistischer. Journalisten wie der Nahost-Experte und Kolumnist der Gulf News, Patrick Seale, aber auch US-Sicherheitsexperten schreiben vor allem den vertraulichen Gesprächen, die US-Verteidigungsminister Leon Panetta am 3. Oktober am Rande seines Antrittsbesuchs in Israel geführt hat, eine besondere Bedeutung zu. Die Israelis sollen Panetta dazu gedrängt haben, einem Angriff auf die unterirdischen Urananreicherungsanlagen im Iran zuzustimmen. Die Schlüsselfrage sei gewesen, wie Israel die USA in eine solche Operation einbinden könne oder ob die USA einschreiten würden, wenn der Angriff zu einer größeren militärischen Auseinandersetzung führen sollte.

Es sei sogar über ein mögliches Zeitfenster diskutiert worden, heißt es aus dem State Department in Washington. Da die Israelis die Wintermonate für „ungünstig“ hielten, erwäge man einen Angriff in den nächsten zwei Monaten. Pikant ist, dass nur zehn Tage nach Panettas Reise der angebliche Terrorplan des iranischen Gebrauchtwagenhändlers und seiner iranischen Hintermänner ans Licht kam und einen möglichen Vorwand für einen Militärschlag bieten könnte.

Vertrauliche Gespräche

Zu solchen Planspielen würde auch passen, dass Tom Donilon, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, Mitte vergangener Woche nach Saudi-Arabien reiste, um König Abdullah über die Gespräche mit den Israelis vertraulich zu informieren.

Der Nahostexperte und ehemalige hochrangige CIA-Beamte Robert Baer behauptet sogar in einem Beitrag für die britische Times, dass Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu Iran bereits im September angreifen wollte, um damit auch zu verhindern, dass der palästinensische Präsident Mahmud Abbas mit seiner Petition zur Anerkennung Palästinas vor der UN Gehör findet.

Nach Meinung von Experten könnte Israel die unterirdischen Atomanlagen Irans tatsächlich auf Anhieb zerstören. In amerikanischen Medien hieß es, dass Israel kürzlich 55 bunkerbrechende Lenkflugkörper („Bunker Buster“) vom Typ GBU 39 erworben habe. Die Waffe durchschlägt Betonwände von mehr als sieben Metern Dicke. Sie verfügt über eine GPS- oder Lasersteuerung, eine mit Uran gehärtete Stahlspitze und könnte – abgeschossen von Düsenjets aus großer Höhe – mehrere Ziele im iranischen Landesinnern erreichen.

Kennt Berlin solch brisante Planspiele der israelischen Regierung? Im Auswärtigen Amt gibt man sich gelassen. Ein Sprecher teilt mit: „Davon ist uns nichts bekannt. Wir sind derzeit auf derlei auch nicht vorbereitet.“ Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußert sich eher schmallippig.

Israelische Zeitungen spekulierten in den vergangenen Wochen immer wieder darüber, dass „Mächte wie Deutschland“ darauf hinarbeiteten, Iran zu erlauben, sein Urananreicherungsprogramm ungehindert weiterzuführen, um die Beziehungen zu normalisieren. Die Sorge in Israel ist groß, dass die Europäer einen Angriff auf Iran verhindern würden. Vor allem ein Mann ist wieder einmal in einer schwierige Lage: US-Präsident Obama. Er hatte davon gesprochen, dass Iran mit den Anschlagsplänen eine „rote Linie“ überschritten habe. Bei US-Sicherheitsexperten heißt es, nun müsse Obama eine Entscheidung treffen. Würde er nicht aktiv, könnte er im kommenden Wahlkampf beschuldigt werden, „zu weich gegenüber Iran“ gewesen zu sein.

Marc Kayser ist Publizist und Geheimdienstexperte. Patryk Kitson hat unter anderem für die Deutsche Welle gearbeitet

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