Man soll ja nie vergleichen. Äpfel nicht mit Birnen und sich selbst nicht mit anderen, vor allem nicht, wenn der Nachbar ein dickeres Auto fährt. Ich mach es jetzt trotzdem mal. Denn ich war gerade beim Champions-League-Finale, der Fußballerinnen, wohlgemerkt. Frauen-Finale oder Frauen-WM schreibe ich bewusst nie, das klingt ja wie ein Wettbewerb im Frausein, nicht im Fußballspielen. Frauenfußball ist ohnehin ein Minenfeld der Klischees. Auf dem Hinweg standen Frauen mit Bürstenschnitt händchenhaltend in der Bahn. Warum auch nicht? Ist mir lieber als Männer, die sich lallend und grölend umarmen.
Vor dem Spiel des 1. FFC Frankfurt gegen Paris St. Germain ist viel gemeckert worden, etwa über die Frage, warum die Frauen im baufälligen Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Berlin spielen mussten, während die Männer des FC Barcelona und von Juventus Turin am 6. Juni das Olympiastadion für sich haben. Wird da der Frauenfußball kleingehalten? Also, ich war schon mal bei einem winterlichen Europapokalspiel von Hertha BSC, ich war einer von 18.000 frierenden Zuschauern in dieser zugigen Riesenschüssel in Randlage. Nicht so prickelnd. Dann lieber die gleiche Zuschauerzahl in einem randvollen Stadion ganz zentral im Prenzlauer Berg, bei Sonnenschein. Klar, die Flutlichtatmosphäre der Europapokalnächte kommt da nicht auf. Dafür war die Kanzlerin da. Ich saß nicht neben ihr, sondern neben Spielerinnen von Turbine Potsdam. Und mir fiel auf, wie herzhaft die über das Spiel herziehen konnten. Ihre männlichen Kollegen hörte ich noch nie so lästern, könnte ja jemand mitbekommen und im Netz posten. Abgesehen davon, dass Millionäre auf der VIP-Tribüne sitzen, nicht unter den gemeinen Fans.
Ich finde es gut, dass Frauenfußball anders ist, kleiner. Und damit ehrlicher, greifbarer. Ich weiß, wovon ich rede. 2011 schickte eine Redaktion mich zum Champions-League-Finale der Männer. Der FC Barcelona gegen Manchester United, Lionel Messi gegen Wayne Rooney, im Londoner Wembley-Stadion. Die Fußballparty des Jahres. Doch zwei Tage vorher musste ich noch zum „kleinen Finale“, Turbine Potsdam gegen Olympique Lyon. Es war mein erstes Frauenfußballspiel. Und es war toll. Das altehrwürdige Stadion in Fulham ist holzvertäfelt, man kann den Ruderern auf der Themse winken. Die überschaubare Reporterrunde schoss Selfies mit Spielerinnen und Pokal. Turbine Potsdam hatte verloren, aber der Verein lud Fans und Journalisten zur Frustfeier in einen Club. Wir tranken und tanzten, hinter uns tanzte Matthias Platzeck. Kann Angela Merkel eigentlich tanzen? Noch nie hatte ich Sportler jedenfalls so offen über eine Niederlage reden hören. So muss Männerfußball gewesen sein, vor dem Geld, dem Fernsehen, dem Internet. Potsdams Trainer Bernd Schröder sagte mir, fast jede Spielerin habe einen Zweitjob und ein Bein im „normalen“ Leben behalten.
Die Frauenfußball-WM 2011 nahte aber schon, und sie sollte alles größer machen. Der Star der Potsdamer Truppe, damals die erste Profispielerin, posierte auf der Tanzfläche für Kameras. Ihre Mitspielerinnen verdrehten die Augen. Ein angetrunkener Funktionär erzählte, was sie alles so dazuverdiente. Der Rest ist verschwommen.
Wembley beim Männerfinale erschien mir dann wie ein Hochsicherheitstrakt. Hunderte Reporter drängelten später an den Gittern, um Nichtssagendes von Messi zu erfahren. Ein Kollege wollte vor dem Museum herumlungern, in dem Barcelonas komplett abgeriegelte Siegesfeier stattfinden sollte, um wenigstens von außen etwas mitzubekommen. „Nein“, sagte ich, „ich war schon bei der größten Fußballparty, der vielleicht letzten.“
Wo die Siegerinnen des 1. FFC Frankfurt jetzt ihren Champions-League-Sieg 2015 feierten, wollten sie nicht verraten. Dafür ist Frauenfußball jetzt leider schon zu groß.
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