Die alten Herren sind müde

Die Fußballversteher Diese Weltmeisterschaft öffnet ein neues Kapitel. Lange ist vom Favoritensterben geredet worden – nun ist es in vollem Gange
Ausgabe 27/2018
Da geht er hin und kommt nicht wieder
Da geht er hin und kommt nicht wieder

Foto: Catherine Ivill/Getty Images

Das Turnier ist noch längst nicht vorbei, und trotzdem ist es schon jetzt für alle spürbar: Diese Fußball-Weltmeisterschafft öffnet ein neues Kapitel. Das Ende der vertrauten Fußballwelt aus ein paar „Großen“ und vielen „Kleinen“ ist lange herbeigeredet worden, nun ist es Realität. Das Favoritensterben ist in vollem Gange, und von den noch verbliebenen Teams sind nur Frankreich und Brasilien allgemein zum engeren Kreis der Favoriten gezählt worden. Da sie sich jedoch spätestens im Halbfinale duellieren, wird das Finale wohl ein eher untypisches. Aber wäre das wirklich noch überraschend, wenn sich im Endspiel Belgien und Kroatien gegenüberstünden? Ich denke nicht. Zu deutlich ist sichtbar, dass es einen Prozess der Annäherung gegeben hat – und zwar von beiden Seiten. Die ehemaligen sogenannten Fußballzwerge haben aufgeholt. Sie haben massiv in Taktik und Analyse investiert, sich generalstabsmäßig auf das Turnier vorbereitet und dabei insbesondere ihre Defensive gestärkt. Die Mexikaner, so wird berichtet, haben ihren Schlachtplan für das Vorrundenspiel gegen Deutschland bereits unmittelbar nach Auslosung der Vorrundengruppen erarbeitet. Nichts wurde dem Zufall überlassen – mit Erfolg.

Torreiche Spiele, wie sie zu Beginn einer jeden WM zu beobachten waren, bilden in Russland die Ausnahme. Zahlreiche Partien werden erst in den Schlussminuten entschieden, und fast die Hälfte aller Tore fällt nach Standardsituationen. Auch wenn die Isländer in diesem Jahr früh die Segel streichen mussten, so können sie sich diese Entwicklung doch ganz maßgeblich auf ihre Fahne schreiben. Denn sie waren es, die bei der EM 2016 gezeigt haben, wie man als krasser Underdog mit einem leidenschaftlichen Abwehrbollwerk die Konkurrenz in Angst und Schrecken versetzen kann. Huh!

Die andere Seite der Medaille ist die mehr als deutliche Sättigung der Top-Teams mit ihren prominenten Spielern. Was diesen Mannschaften früher zum automatischen Vorteil gereichte, nämlich die Breite von Erfahrung, Qualität und Kreativität in ihren Kadern, mutiert unter den Bedingungen des heutigen europäischen Spitzenfußballs zunehmend zum Nachteil. Wenn Kroos, Messi und Co. heute zu den großen Turnieren fahren, dann haben sie nationale Meisterschaften und Pokale, Champions League und die halbjährlichen Promotion-Reisen ihrer Klubs nach Asien oder in die USA in den Knochen. Diese Entwicklung bringt uns offenkundig mehr Spannung in die WM – wird aber noch in diesem Sommer eine überfällige Debatte über die Grenzen der körperlichen Belastung nach sich ziehen müssen.

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