Wäre der Klimawandel ein Kinofilm, dann wäre er mäßig besucht: zu diffus, zu kompliziert, zu abstrakt und – zumindest bislang noch – zu weit an der Lebensrealität der meisten Menschen vorbei. Und wo ist die Liebesgeschichte? Filme mit Beziehungsdramen verkaufen sich einfach besser. Deswegen werden in Hollywood sogar Skripte, die auf wahren Begebenheiten beruhen, mit gefühlvollen Liebesgeschichten „aufgehübscht“. James Cameron etwa dachte sich das Drama rund um Rose und Jack in Titanic komplett selber aus. Kann man doof finden, hat aber angesichts von elf Oscars und gut 130 Millionen Kinobesuchern ganz gut geklappt.
Was heißt das für die Massentauglichkeit des Klimawandels und das Engagement für seine Bekämpfung? Eine Liebesgeschichte muss her! Glücklicherweise wird uns diese nun von Forschenden der Universität Lissabon geliefert. Seit 15 Jahren beobachten sie die Fortpflanzung der Schwarzbrauenalbatrosse auf der westlich gelegenen Falklandinsel New Island, auf der die Tiere sich alljährlich zur Brutzeit treffen – und zwar immer mit demselben Partner. Albatrosse sind extrem treue Liebende, ihre bis zu siebzig Lebensjahre verbringen sie zwar größtenteils getrennt voneinander, ihre Küken ziehen sie aber Jahr für Jahr mit ihrer Liebe fürs Leben auf.
Die Treue der Vögel bröckelt nun aber angesichts des Klimawandels. Der heizt das Meer an, und in Jahren mit höheren Meerestemperaturen beobachteten die Forschenden mit 7,7 Prozent eine mehr als doppelt so hohe Trennungsrate bei den Albatrosspaaren wie in normalen Jahren, in denen sich nur 3,7 Prozent von ihnen trennen. Bis jetzt war der Grund meist, dass es mit der Fortpflanzung nicht klappte.
Warum die höheren Temperaturen die Paare entzweien, ist unklar. Die zwei Thesen der Forschenden: Wärmere Gewässer sind nährstoff- und ressourcenärmer, die Vögel müssen also länger jagen und schaffen es nicht rechtzeitig zur Brutzeit zu ihrem Partner, der sich dann einen anderen sucht. Oder: Die höhere Temperatur stresst die Weibchen, sie machen dafür ihren Partner verantwortlich und trennen sich.
Und nun frage ich: Können wir ernsthaft wollen, dass die Liebe der treuesten Tiere auf diesem Erdball in die Brüche geht, nur weil wir gerne Kohle und Öl verbrennen? Oder könnte das der Hollywood-Moment der Klimaschutzbewegung werden? Die Rettung der Liebe der Albatrosse! Ein Paar fliegt zusammen in den Sonnenuntergang, kitschige Musik, Abspann, Vorhang. Und danach geht ein empörtes Millionenpublikum auf die Straße.
Kommentare 4
ach svenja...wie schön der gedanke an dauerhafte liebe...
durch abwesenheit von stress.
aber auch nähe kann nerven(corona-erfahrung).
langeweile....wird als trennungs-grund: überschätzt.
es sind eher die un-angenehmen (auf-)reibungen...
Ok - 7,7 prozent; auf lang, lange sicht scheint mir das eine bedrohliche entwicklung der tierischen scheidungsrate zu sein.
Allerdings ist sie noch weit von bürgerlich-kapitalitischen normalverhältnissen bei menschen entfernt, und deshalb gegenwärtig noch nicht wirklich gefährlich.
Zum vergleich: "im Jahr 2020 betrug die Scheidungsrate von Ehen in Deutschland rund 38,5 Prozent. Auf drei Eheschließung kamen damit rechnerisch ca. eine Scheidung." (Statista)
Oh, eine kleine textliche Arabeske zum Klimawechsel, sehr hübsch und gelungen, Svenja Beller.
Vielen Dank.
Zur Animation der Beiden:
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https://en.wikipedia.org/wiki/Albatross
Besorgniserregend bedroht
„Von den 22 von der IUCN anerkannten Albatrosarten sind 21 als besorgniserregend aufgeführt. Zwei Arten sind vom Aussterben bedroht, sieben Arten sind gefährdet, sechs Arten sind nahezu bedroht und sechs Arten sind in der Gefahrenzone. Die Anzahl der Albatrosse ist in der Vergangenheit aufgrund der Federernte zurückgegangen. Albatrosse werden durch eingeführte Arten wie Ratten und Wildkatzen bedroht, durch Umweltverschmutzung, durch einen ernsthaften Rückgang der Fischbestände in vielen Regionen, hauptsächlich aufgrund von Überfischung; und durch Langleinenfischerei.“
Erdsystem und Energie
„Die Flügelspannweite der größten großen Albatrosse ist die größte aller Vögel und überschreitet 340 cm …. Albatrosse legen große Entfernungen mit zwei Techniken zurück, die von vielen langflügeligen Seevögeln verwendet werden - dynamisches Segelfliegen und Hangfliegen. Dynamisches Segeln bedeutet, wiederholt in den Wind zu steigen und gegen den Wind abzusinken und so Energie aus dem vertikalen Windgradienten zu gewinnen. Die einzige Anstrengung, die aufgewendet wird, ist in den Kurven am oberen und unteren Rand jeder solchen Schleifen. Dieses Manöver ermöglicht es dem Vogel, fast 1.000 km/d (620 mi/d) zurückzulegen, ohne mit den Flügeln zu schlagen.“
Wissenschaftler, auch führende aus Deutschland, versuchen, diese 'Technik' in die Langstrecken-Drohnentechnologie einzubringen; wie immer sind wir gerne vorne dabei, wenn es um 'Nachhaltigkeit' geht …
die scheidungsraten zumindest längerfristig sich bindender vogelarten variieren lokal-regional deutlich - und korrelieren dabei engstens mit den ebenso lokal-regional variablen scheidungsraten der menschen!
https://www.sueddeutsche.de/wissen/tiere-verhalten-1.5176152