Die ganze Welt?

Kommentar Peter Struck und der überwundene Verteidigungsauftrag

Es ist wichtig, dass Gerhard Schröder mit der Ankündigung eines - natürlich streng humanitären - Bundeswehreinsatzes im Irak auch noch das letzte Versprechen bricht, mit dem er für die Sozialdemokraten in die Wahl zog. Nur, wenn in diesem Land alles sauber aufgeräumt, der soziale und pazifistische Unrat beseitigt ist, kann der Bundeskanzler guten Gewissens nach der nächsten Wahl seine Regierung an Angela Merkel oder doch an Edmund Stoiber übergeben.

Der Sozialstaat ist gerade - ohne viel Blutvergießen - erledigt worden. Und sein Versprechen, keine deutsche Soldaten in den Irak zu schicken, hat Schröder doch nur notgedrungen gegeben, weil er anders 2002 die Wahl wohl kaum hätte gewinnen können. Jetzt aber muss Siemens seinen Irak-Auftrag bekommen. "Ein Zusammenhang zwischen dem Auftrag an Siemens und dem Angebot des Kanzlers besteht nicht", betonte sofort die wohl unterrichtete Süddeutsche Zeitung. Vielmehr besteht - genau umgekehrt - ein Zusammenhang zwischen dem Angebot des Kanzlers und dem Auftrag an Siemens. Der Vertrag wurde bereits im Oktober unterzeichnet, aber erst unmittelbar nach Schröders Bekanntgabe einer humanitären Mission der Bundeswehr bekannt gegeben.

Schließlich ist es die bewährte Siemensqualität, die zur Toll-Collect-Pleite führte, - der Konzern hat bekanntlich den Auftrag, die Software für das Mautsystem zu entwickeln und schafft das nicht. Ein gutes Omen für die Iraker bald wieder normal telefonieren zu können.

Über eines darf Schröder besonders glücklich sein. Wir haben endlich den Verteidigungsminister, den wir brauchen. Der Christdemokrat Volker Rühe stolperte zwar auch schon einmal - man schrieb das Jahr 1993 - durch die Wüsten dieser Welt, aber er lag schnell mit der Nase im somalischen Sand. Der sozialdemokratische Nachfolger Rudolf Scharping zeigte mit der ersten Bombardierung Belgrads seit 1941 die korrekte Haltung, versank aber bald darauf im Swimmingpool und musste sein Amt aufgeben.

Erst Peter Struck beweist so richtig, wozu alles ein deutscher Minister für Verteidigung fähig sein kann. Er hat seinen zurückhaltenden deutschen Verteidigungsauftrag am Hindukusch in Afghanistan endlich erweitert: "Mögliches Einsatzgebiet der Bundeswehr ist die ganze Welt". -"Die ganze Welt" unter dieser Überschrift meinte die Frankfurter Allgemeine: "Mit jedem öffentlichen Auftritt verfestigt der Verteidigungsminister Struck den Eindruck, der rechte Mann am rechten Fleck zu sein." Sie erinnert an den überwundenen Verteidigungsauftrag im Grundgesetz und bewundert Strucks "erstaunliche Offenheit". Ich auch - als kleiner Junge sang ich einst: "Und heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt."


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