Es ist Mittwochnachmittag, als der Aufseher an den Tisch der Arbeiterinnen tritt und sie für die restliche Woche entlässt. „Ach, welcher Jammer herrschte da!“, schreibt Minna Wettstein-Adelt 1893. Die gelernte Hutmacherin hat sich heimlich in eine Strumpffabrik in Chemnitz eingeschleust. Sie ist Anfang 20 und – wenn man so will – eine der ersten investigativen Journalistinnen. Später wird sie verschiedenste Frauenzeitschriften herausgeben, nun will sie herausfinden, unter welchen Bedingungen die Arbeiterinnen in den Fabriken arbeiten.
Wettstein-Adelt schreibt: „Die meisten hatten erst zwischen 60 Pfennig und einer Mark 20 verdient und sollten ihre vier bis sechs Mark Kostgeld wöchentlich entrichten. Besonders jene Witwe mit zwei Kindern war äußerst unglücklich. Sie hatte seit vierzehn Tagen nur Graubrot und schwarzen, bitteren Kaffee genossen, der den Namen Kaffee mit Unrecht führte, und nun fehlte ihr selbst dies.“ Frauen machten im 19. Jahrhundert einen erheblichen Anteil der Beschäftigten in Fabriken aus. Qualitative Studien legen nahe, dass sie im 19. Jahrhundert ein Drittel weniger verdienten als ungelernte Arbeiter und die Hälfte weniger als Männer mit einer Berufsausbildung.
Megan Rapinoe, geh du voran
Zeitsprung, 2019, Frauen-Fußballweltmeisterschaft. Die US-Amerikanerin Megan Rapinoe gewinnt mit ihrem Team. Der Fanblock tobt, Tausende Besucher im Fußballstadion skandieren: „Equal Pay! Equal Pay!“ Vor jedem Mikrofon machte Rapinoe während dieser Meisterschaft deutlich: Sie will so viel Geld verdienen wie ihre männlichen Pendants. Denn obwohl die US-Fußballerinnen ungleich erfolgreicher sind, verdienen sie pro Spiel weniger als die Hälfte als ihrer männlichen Kollegen. „Es geht nicht nur um uns“, sagte Rapinoe dem Fernsehsender NBC. „Wir stehen ja ganz oben auf der Karriereleiter. Es geht hier um einen gerechteren Fußball und: Es ist eine soziale Frage für alle Frauen.“
Dass Frauen weniger verdienen als Männer, ist eine wirtschaftliche Tatsache. 21 Prozent beträgt die geschlechtsspezifische Lohnlücke in Deutschland. Dafür gibt es ein Gewirr unterschiedlicher Ursachen – die sich über die letzten beiden Jahrhunderte gehalten haben. Wie kann das sein, mag man fragen, dass die ungerechte Bezahlung die Zeiten so hartnäckig überdauert? Da ist es erhellend, sich die Geschichte der letzten zweihundert Jahre noch einmal zu vergegenwärtigen.
Bis heute ist der Gender Pay Gap in allen Ländern Wirklichkeit: Besonders weit klaffen die Gehälter im weltweiten Vergleich in Südafrika, Südkorea oder Pakistan auseinander, mit jeweils deutlich mehr als 30 Prozent. Weniger groß ist der Abstand in Belgien, Griechenland oder Costa Rica mit weniger als zehn Prozent. In Deutschland ist der Pay Gap zwischen den Geschlechtern im europäischen Vergleich besonders hoch. Nur in Estland und Tschechien sind die Gehälter noch ungleicher.
Die Lohnlücke berechnet sich aus den durchschnittlichen Einkommen aller Männer und Frauen, ungeachtet Ausbildung, Branche oder Position. Bei Frauen und Männern mit vergleichbaren Qualifikationen in einer ähnlichen Tätigkeit seien es zwar nur sechs Prozent Lohndifferenz, sagt Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Trotzdem findet sie, dass diese 21 Prozent – der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap – aussagekräftig seien.
„Da steckt alles mit drin“, sagt Wrohlich, die die Lohnlücke erforscht. „Da steckt mit drin, dass Frauen in anderen Berufen arbeiten, dass sie andere Arbeitszeiten haben, dass sie im Durchschnitt in kleineren Unternehmen arbeiten, dass sie auch in anderen Branchen arbeiten. Und die Frage ist, sind das wirklich alles freiwillige Entscheidungen oder sind es Tatsachen, die nicht nur auf Präferenzen der Frauen zurückzuführen sind, sondern auch auf Restriktionen, die sie vorfinden.“
Grau, müde, unterbezahlt
Zurück also in die Fabriken des 19. Jahrhunderts. Die Arbeitsbedingungen zu dieser Zeit sind in allen Branchen und für alle Arbeitskräfte furchtbar, in den Fabriken sind sie verheerend. Minna Wettstein-Adelt berichtet davon, wie ihre Kolleginnen an Bleichsucht leiden, also an einem durch schlechte Ernährung hervorgerufenen Eisenmangel, der zu Müdigkeit, Kopf- und Unterleibsschmerzen führt. Die Maschinenarbeiterinnen altern sehr schnell, ihre Gesichtsfarbe ist „schmutzig grau“, ihr Gang „schlaff und müde“. Zwar trägt der Lohn dieser Frauen schon damals einen Großteil zum Familieneinkommen bei – nach dem gesellschaftlichen Ideal sind sie trotzdem nicht für das Geldverdienen zuständig. Als Ehefrauen ist ihr gesellschaftlicher Platz: im Haus bei den Kindern – und hinter dem Mann.
Die Frauenrechtlerin Lily Braun schreibt in ihrer umfassenden Studie Die Frauenfrage um die Jahrhundertwende: „Zunächst ist die Frau als selbständig Erwerbende ein Begriff, der dem traditionellen, von dem durch den Mann zu ernährenden Weibe, vollständig widerspricht. Die Entlohnung ihrer Arbeit gilt daher nur für einen Zuschuss zum Lebensunterhalt, nicht für seine vollständigen Kosten.“ Frauenlohn ist Zuverdienst, so lautet die Logik. Bürgerliche Frauen, schreibt Braun, seien durch ihre Familien oder Ehemänner abgesichert. Doch für all die Witwen, die Alleinverdienerinnen und für all die Ehefrauen mit arbeitslosen oder verschollenen Ehemännern ist dieser „Zuverdienst“ das eigentliche Haushaltseinkommen.
Mit der Industrialisierung wächst die Nachfrage an Arbeitskräften. Jede dritte Arbeitskraft Ende des 19. Jahrhunderts ist eine Frau. Dabei werden die Arbeiterinnen vor allem für anstrengendere oder weniger qualifizierte Arbeit eingesetzt. In den Zuckerfabriken beispielsweise zerhacken die Frauen mehrere Hundert Zentner Rüben, während die männlichen Siedemeister den Zustand des Zuckerrübensaftes überprüfen, eine Aufgabe mit mehr Verantwortung und Hintergrundkenntnissen, die sich die Frauen allerdings auch hätten aneignen können.
Doch Frauen werden von Bildung und beruflicher Qualifikation ausgeschlossen. Die Fabrikarbeiterinnen können in der Regel weder lesen noch schreiben. Die Frau verkörpere die billige Arbeitskraft, formuliert es Lily Braun.
Billige Arbeit heißt aber nicht leichte Arbeit. In den Tabakfabriken beispielsweise sind es vorwiegend weibliche Arbeitskräfte, die die Zigarren wickeln und drehen. Dafür gibt es keine Ausbildung, aber normalerweise dauert es mehrere Monate, bis man die Zigarren schnell und sauber gewickelt hat. Für schlecht produzierte Ware gibt es keinen Lohn. Die Männer hingegen sind für das Sortieren der Zigarren nach Farben zuständig, wofür es weder eine Ausbildung noch besondere Erfahrung, sondern lediglich gute Augen braucht. Sie werden trotzdem besser bezahlt.
Clara Zetkin
Obwohl Frauen Ende des 19. Jahrhunderts immer noch keinerlei politische Rechte haben, gehen Französische Revolution und Märzrevolution nicht spurlos an ihnen vorbei. Immer mehr Frauen organisieren sich in als Bildungsvereinen getarnten Arbeiterinnenvereinen, denn die Sozialistengesetze verbieten Versammlungen mit sozialistischen oder sozialdemokratischen Ambitionen. Sie formulieren politische Forderungen nach einem Mindestlohn oder Hilfe für Arbeitslose. Mit der Aufhebung der Sozialistengesetze 1890 treten immer mehr Arbeiterinnen in die Gewerkschaften ein. Dort sind sie zunächst sehr willkommen, denn mehr Mitglieder heißt für die Gewerkschaften auch mehr Einfluss. Doch die Gewerkschafterinnen treten immer selbstbewusster auf – den Genossen wird das schnell zu viel.
Anfang des 20. Jahrhunderts vernetzen sich die Sozialistinnen, unter anderem die Marxistin Clara Zetkin, mit Arbeiterinnen auf der ganzen Welt. Am 19. März 1911 findet der erste Frauenkampftag statt, Millionen von Frauen in den USA, Deutschland, in der Schweiz und in Österreich gehen auf die Straße und fordern die soziale und politische Gleichberechtigung. Doch dann versinkt die Welt im Ersten Weltkrieg und die sozialistische und internationale Frauenbewegung zerfällt in ihre nationalen Einzelteile – der Frauenkampftag wird unter Androhung von Strafe verboten.
Im Ersten Weltkrieg werden Arbeitskräfte knapp. Während die Männer an den Fronten kämpfen, halten die Frauen das Land am Laufen. Sie gelangen in Berufe, die ihnen vorher verschlossen waren: Sie fahren Straßenbahnen, tragen Post aus oder sammeln Müll ein. Auch das führt dazu, dass nach Ende des Krieges und mit Einführung der ersten deutschen Demokratie das allgemeine Wahlrecht für Frauen eingeführt wird. Doch das erste Hoch der Frauenbewegung ist schnell vorbei. Spätestens im Nationalsozialismus sind Männerberufe für Frauen wieder verschlossen. In den 1930er Jahren sind Frauen nur noch auf eine „Aufgabe“ reduziert: Mutterschaft.
Doch schon im und dann vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Frau wieder als Arbeitskraft gebraucht: Es fehlen Männer, die Gesellschaft muss wieder aufgebaut werden – in beiden Teilen Deutschlands. Während sich im Westen die Hausfrauenrolle fortschreibt – deren Arbeit als Köchin, Wäscherin, Putzfrau und Erzieherin unbezahlt ist – und Frauen nur mit Erlaubnis ihres Ehemannes einer Beschäftigung nachgehen dürfen, wird in der DDR die Gleichberechtigung per Gesetz verordnet. Es gilt für Frauen als verpönt, nicht zu arbeiten. Offiziell gilt: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Überprüft wird das aber nicht. Zahlen über die Lohnhöhen werden erst 1984 erhoben und bleiben unter Verschluss der SED-Führung. Nach der Wende werden die Details öffentlich: Egal ob als Hochschullehrerin oder Bauingenieurin, Frauen in der DDR verdienen bis zu 21 Prozent weniger als Männer.
Doch die Bedingungen der Frauen in der DDR waren andere – man könnte sagen: bessere. In ihrem kürzlich erschienenen Buch Warum Frauen im Sozialismus besseren Sex haben – Und andere Argumente für ökonomische Unabhängigkeit (der Freitag 44/2019) erklärt die amerikanische Historikerin Kristen R. Ghodsee, dass Frauen in den sozialistischen Staaten – trotz Diktatur und staatlicher Willkür – insgesamt besser abgesichert waren als in den kapitalistischen Ländern: „Der Lohn spielte eine geringere Rolle, da es weniger gab, wofür man das Geld hätte ausgeben können, und weil ein geregeltes Arbeitsverhältnis ausreichte, um Anspruch auf staatliche Sozialleistungen zu haben. Als Angestellte zahlten Frauen in ihre eigene Altersversorgung ein und entwickelten ihre eigenen Fähigkeiten. Sie profitierten von kostenloser Gesundheitsversorgung, einem kostenfreien Bildungssystem und einem engmaschigen sozialen Netz mit staatlichen Subventionen für Wohnen, Nebenkosten, öffentlichen Verkehr und Grundnahrungsmittel.“
In der BRD können sich Frauen zwar alles Mögliche kaufen, doch in den 1970ern verdienen sie 30 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen ist in der jungen Bundesrepublik sogar in einigen Tarifverträgen, etwa der Metallindustrie, festgeschrieben. Frauen bekommen zehn bis 25 Prozent weniger Lohn, einfach nur, weil sie Frauen sind. Wie im Jahrhundert davor greift auch jetzt die patriarchale Struktur: Frauen haben eigentlich auf dem Arbeitsmarkt nichts zu suchen, so der Tenor. Und wenn, dann bekommen sie eben nur ein Taschengeld.
Auch wenn das Bundesarbeitsgericht 1955 urteilt, dass diese „Frauenlohngruppen“ verfassungswidrig sind, bleiben Frauen strukturell benachteiligt. Es werden sogenannte Leichtlohngruppen eingeführt. Für Frauentätigkeiten.
Aufstand bei Heinze
Die Fabrikarbeiterinnen der Firma Heinze fallen in diese Leichtlohngruppen. Heinze ist in den 1970er Jahren ein Fotolabor, das die Bilder für das gesamte Ruhrgebiet entwickelt. Hier arbeiten Männer und Frauen, doch Letztere bekommen für die gleiche Arbeit weniger Lohn. Dass sie davon erfahren, ist Zufall. Eine der Arbeiterinnen entdeckt beim Aufräumen in der Dunkelkammer den Lohnzettel eines Kollegen. 1,50 Mark mehr bekommt er pro Stunde, für dieselben Aufgaben. Also ziehen die Arbeiterinnen vor Gericht. Der Fall wird bundesweit bekannt, weil die Frauen bis vor das Bundesarbeitsgericht in Kassel ziehen – und 1981 recht bekommen. Die Firma muss 22.000 Mark nachzahlen. Zwar geht das Unternehmen pleite, bevor es das Geld zurückgezahlt hat, trotzdem schreiben die Heinze-Frauen Geschichte. Sie sind eine der ersten Belegschaften in der Bundesrepublik, die sich ihre Benachteiligung nicht stillschweigend gefallen lassen.
Vier Jahrzehnte später macht das Geschlecht immer noch einen deutlichen Unterschied auf der Gehaltsabrechnung. Die „Leichtlohngruppen“ aus der Zeit der Heinze-Frauen sind längst abgeschafft. Doch immer noch gilt: Frauen verdienen nicht nur weniger als Männer, sie steigen auch erst gar nicht in die Positionen auf, in denen die Gehälter hoch sind. Und Frauen sind immer noch vorwiegend in den Berufen zu finden, die deutlich geringer entlohnt werden als männerdominierte Jobs.
Die Abschaffung der Frauenlohngruppen 1955, das Ende der Hausfrauen-Ehe durch das „paritätische Ehemodell“ von 1977, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006, nach dem die Diskriminierung von Frauen in Jobs verboten ist, oder das Entgelttransparenzgesetz von 2017, mit dem Beschäftigte größerer Unternehmen Einsicht in die Gehälter ihrer Kollegen erhalten können: Das alles sind Schritte hin zur Gleichbehandlung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, natürlich. Und noch immer bleibt die Lücke. 21 Prozent. Längst hat sich diese Zahl auch in die Köpfe eingebrannt. Denn als das Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit Studentinnen kurz vor dem Jobeinstieg nach ihren Gehaltsvorstellungen befragte, gaben diese einen Betrag an, der exakt 21 Prozent unter dem liegt, den ihre Kommilitonen angaben.
Veränderungen sind nur dann möglich, wenn der Druck steigt. Das zeigt die Geschichte. Diesen Druck braucht es auch weiterhin: wenn Frauen sich in Gewerkschaften organisieren und sich über Ländergrenzen hinweg vernetzen wie bei den Internationalen Kampftagen für das allgemeine Wahlrecht Anfang des Jahrhunderts oder wie beim Internationalen Frauenstreiktag im März 2019. Wenn Frauen gemeinsam streiken wie im Februar für die Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Dienst. Oder eben: wenn die Fußballerinnen aus den USA im Jahr 2019 öffentlich ihren Arbeitgeber in der Männerdomäne schlechthin herausfordern: im Fußball. Nun verklagen Megan Rapinoe und ihre Teamkolleginnen ihren Verband, damit er ihnen das gleiche Gehalt zahlt wie den männlichen Kickern. Im Frühjahr beginnt die Verhandlung.
Wer Kinder kriegt, bekommt im Laufe des Lebens weniger Gehalt
Katharina Wrohlich ist Volkswirtin am DIW in Berlin. Sie erforscht, wie die Lohnlücke entsteht – und, wie sie verkleinert werden könnte. Etwa durch längere Väterzeit.
der Freitag: Frau Wrohlich, was sind die Hauptgründe für den Gender Pay Gap?
Katharina Wrohlich: Frauen arbeiten im Durchschnitt häufiger in Berufen, die geringer entlohnt werden als die der Männer. Eine andere Erklärungsgröße ist, dass Frauen viel häufiger ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, und das auch in der Regel für länger.
Weil sie sich um die Familie kümmern?
Ja, in Deutschland ist es immer noch so, dass die Sorgearbeit zum allergrößten Teil von Frauen übernommen wird. Sie steigen dann teilweise aus dem Job aus oder arbeiten Teilzeit. Das wirkt sich enorm negativ auf die Lohnentwicklung aus.
Das heißt, wer Kinder kriegt, bekommt im Laufe seines Lebens weniger Gehalt.
Die Entwicklung der Männerlöhne und der Frauenlöhne ist in ihren 20ern relativ ähnlich, das zeigen die Daten. Ab dem 30. Lebensjahr sehen wir, dass sich die Männerlöhne stark nach oben entwickeln. Männer verdienen am meisten zwischen 45 und 50 Jahren, während Frauen da im Durchschnitt noch genauso viel verdienen wie Anfang 30. Frauen bekommen ihr erstes Kind mit 29,5 Jahren. Da gibt es einen direkten Zusammenhang.
Wie hat sich der Gender Pay Gap über die letzten Jahre entwickelt?
Generell kann man sagen, dass die Lohnlücke in den 80er Jahren noch höher war. Aber vor allem für die älteren Frauen, die 40- bis 49-Jährigen, die die Phasen der familienbedingten Unterbrechungen oder die Teilzeit hinter sich haben, hat sich der Gender Pay Gap überhaupt nicht verändert. Der lag damals bei 23 Prozent und liegt heute bei 22 Prozent. Für die Jüngeren hingegen können wir feststellen, dass sich die Lücke für die 25- bis 30-Jährigen enorm verringert hat. Von 17 Prozent damals auf unter fünf Prozent Lohnunterschied heute. Das erklären wir vor allem damit, dass die Frauen, was die Ausbildung betrifft, aufgeholt haben.
Zur Person
Katharina Wrohlich leitet die Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Sie hat in Wien, Washington und Berlin VWL studiert
Oft hört man, dass Frauen zu Hause bleiben, weil sie ja eh viel weniger verdienten als die Männer. Aber das scheint ja gar nicht zu stimmen!
Ja, unsere Daten zeigen: Das stimmt nur zum sehr kleinen Teil! Das heißt, aus einem sehr kleinen Unterschied in den 20ern wird später ein sehr großer Unterschied.
Der Gender Pay Gap wird später zum Pension Gap.
Ja, das passiert dadurch, dass wir ein Rentensystem haben, das sehr stark gekoppelt ist an die Verdienste während der Erwerbsphase.
Wie könnte man die Lücke schließen?
Durch Maßnahmen aus der Politik, die darauf abzielen, die Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen gleichmäßiger zu verteilen, wie Elterngeld oder Kitaausbau. Väter nehmen immer häufiger Elternzeit, aber immer noch nicht sehr lange. Aber es bleiben die Stereotype.
Was meinen Sie damit?
Es gibt eine Studie von SoziologInnen, bei der Teilnehmern fiktive Bewerbungen vorgelegt wurden. Die Befragten sollten angeben, welchen Lohn sie für die jeweiligen Personen als gerecht empfinden würden. Und siehe da: Sowohl die weiblichen als auch die männlichen Studienteilnehmer schrieben den Frauen einen deutlich niedrigeren Lohn von acht Prozent zu. Das zeigt, wie stark dieser „implicit bias“, diese unbewusste Befangenheit, ist.
Kommentare 14
mit der lohn-arbeit kam die konkurrenz um löhne:
kinder wurden geringer entlohnt und bevorzugt eingestellt,
wenn sie brauchbar waren. die bewegung gegen kinder-arbeit war auch
eine bewegung für höhere entlohnung von erwachsenen.
was sagt uns das?
Eine nach Tariflohn bezahlter Fließbandarbeiter im produzierenden Gewerbe bokommt rund 1000€ mehr für seine Arbeit, wie eine Pädagogin im Kindergarten.
Wenn man diesen Umstand ändern will, müssten gemeinschaftliche Einrichtungen deutlich mehr Mittel erhalten, das Geld dafür müsste man aus der privaten Wirtschaft holen.
Ich denke es kommt zu kurz, den Blick nur auf die Geschlechterrolle zu richten, man muss im gleichen Schritt über eine einschneidende Umverteilung zwischen öffentlichem und privatwirtschaftlichem Sektor nachdenken.
Gemeinsamkeiten zwischen einer Projektmanagerin in der Automobilbranche und einer Altenpflegerin, hab ich noch keine Gefunden. Weder im Verdienst, noch im Habitus.
Frau Czilwik, mich ärgert Ihr Artikel, weil er alte Klischees immer wieder nur aufwärmt und sogar hinter bekannten, notwendigen Erkenntnissen zurück bleibt. Lang und breit lassen Sie sich über die unterschiedlichen Löhne in der Vergangenheit aus. Am Anfang erwähnen Sie, dass "es ein Gewirr unterschiedlicher Ursachen" für die 21%-Lohnlücke gibt. Nachher kommen Sie zaghaft darauf, dass man diese unspezifische Zahl sehr wohl 'Entwirren' kann, verschweigen aber, dass die 6 % bei Erfassung von noch mehr Kriterien niedriger sein werden. Im Klartext müssten Sie sagen, dass es im Deutschland des 21. Jahrhunderts keine geschlechtsspezifische Diskriminierung hinsichtlich der Löhne gibt, Punkt. Erst wenn das wirklich in den Köpfen ankommt, dann kann man die Ursachen für die 21% angehen und dafür kämpfen, dass sie abgebaut werden. Das würde aber die Mitarbeit aller Frauen UND Männer benötigen. Männer stoßen Sie mit solchen Texten regelmäßig ab. Diese sehen gar keinen Grund dafür zu kämpfen, da die Frau an ihrer Arbeitsseite genauso viel verdient wie sie selbst. Wenn es anders wäre, würden die Gleichstellungsbeauftragten viel mehr zu tun haben und die Gerichte wären nach der Einführung des Entgelttransparenzgesetzes überlastet. Wir müssen Männer und Frauen davon überzeugen, dass z. B. Pflegeberufe besser bezahlt werden. Dieses Geld muss aber irgendwo herkommen. Vorschläge und überschlägliche Rechnungen habe ich in solchen Artikeln noch nicht gesehen. Welche anderen Berufe sollen denn noch eine Aufstockung erfahren? Wie soll dafür ein gesellschaftlicher Konsens erreicht werden?
Was mich aber besonders ärgert, ist die Tatsache, dass Sie die Unterschiede in Ost und West für nicht erwähnenswert halten. Es ist inzwischen so, dass es beispielsweise in Cottbus eine positive unspezifische Lohnlücke zwischen den Geschlechtern gibt, also Frauen mehr verdienen als Männer. Wenn Sie sich die Statistik für einzelne Regionen ansehen, werden Sie feststellen können, dass es eine Reihe von Gebieten im Westen gibt, wo der unspezifische Durchschnittslohn für Frauen höher ist als der für Männer im Osten. Insgesamt ist die Lohnlücke zwischen allen Beschäftigten im Osten und im Westen auch nach 30 Jahren noch fast genauso groß wie der von Ihnen beklagte Gender Pay Gap.
Und hören Sie bitte auf, über die RasenkasperInnen als Beispiel zu schreiben. Auch hier gilt 'Gleicher Lohn für gleiche Arbeit'. Kein Fußballer der Kreisklasse würde auf die Idee kommen, genauso viel Geld wie ein Spieler der 2. Bundesliga zu verlangen, obwohl er mit seiner Mannschaft regelmäßig den 1. Platz belegt. Und nebenbei, die horrenden Mittel, die für solche Sportveranstaltungen regelmäßig aufgewendet werden, fehlen vielleicht im Gesundheitswesen. Ich wäre sofort für Umverteilung dort hin.
Finde den Artikel sehr interessant, in meinem (innerstädtischen) Großstadt-Umfeld kann ich gut beobachten, wie Frauen, die Kinder bekommen, ihre Arbeitszeit verkürzen oder gleich ganz aufhören zu arbeiten, Männer jedoch nicht.
Im westdeutschen, provinziellen Umfeld meiner Mutter ist dieses Verhalten noch tiefer verankert.
Die eingübten Muster sind sehr wirkmächtig.
Fände es sehr erstrebenswert, wenn Erfolg/Karriere an Stellenwert verlieren würden, bemerke aber an mir selber, wie schwierig das ist.
Zitat: "Gemeinsamkeiten zwischen einer Projektmanagerin in der Automobilbranche und einer Altenpflegerin, hab ich noch keine Gefunden. Weder im Verdienst, noch im Habitus."
Warum sollte es auch Gemeinsamkeiten geben. Beide haben ihren Beruf bewusst gewählt, und wussten bei der Berufswahl aber auch um die Verdienstmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven.
Hieran ändern aber weder Girls-Days noch Gender-Pay-Gap Days etwas. Dazu reicht auch ein Blick nach Schweden.
Selbstverständliche müssen unterschiedliche Berufe auch unterschiedlich bezahlt werden. Unabhängig von Alter und Geschlecht. Gleiche Löhne im medizinischen Bereich würden zum Beispiel auch dazu führen, das eine Chirurgin keine Motivation in ihrer Arbeit mehr erkennen kann, weil der Stationshelfer für das Bettenmachen und Blumenvasen bringen die gleiche Vergütung erhält.
Wir haben es damals gemacht. Als unser Sohn und später unsere Tochter geboren wurde, bin ich jeweils die vollen zwei Jahre in Elternzeit gegangen, während meine Frau weiter Vollzeit arbeiten ging. Da sie aber als Fremdsprachenkorrespondentin (pro Stunde laut Tarifvertrag) deutlich weniger verdiente als ich damals in meinem Beruf, waren wir immer zwei Jahre lang "Aufstocker" bei der Arge. Dies wäre natürlich vermeidbar gewesen, wenn sie sich vor vielen Jahren gegen ihren (auch heute noch) Wunschberuf entschieden hätte, und eventuell auf einer Borhinsel einen Knochenjob angenommen hätte.
Ich wollte auch lediglich darauf aufmerksam machen, dass die Grenzlinie eines als ungerecht empfundenen "Pay-Gaps" nicht nur zwischen den Geschlechtern verläuft, sondern auch z.B. zwischen Industrie und öffentlichem Dienst. Zwischen Akademikern und Facharbeitern. Zwischen Zeitarbeitern und Festangestellten. Zwischen Endhersteller und Zulieferer. Zwischen deutschem und Gastarbeiter. Zwischen Groß und Klein.
Und das oft bei gleicher Tätigkeit, Verantwortung und Leistung.
Der Diskurs wird in den letzten Jahren vom Gender-Pay-Gap dominiert und ich denke, dass diese Betrachtung verkürzt ist und die eigentlichen Probleme hinsichtlich Ungerechtigkeit verdeckt.
Und manchmal glaube ich den Großen ist das auch ganz recht.
da sind sie eine echte ausnahme.
aber sie habens überstanden, ob die beziehung einen job auf der bohrinsel überstanden hätte, ist fraglich ;)
"Eine nach Tariflohn bezahlter Fließbandarbeiter im produzierenden Gewerbe bokommt rund 1000€ mehr für seine Arbeit, wie eine Pädagogin im Kindergarten."
Unfassbar oder? Schon weil niemand bei seinem eigenen Kind so sparen würde!Aber auch, weil die Bedeutung der frühkindlichen Bildung bis heute in Deutschland völlig unterbewertet wird. Trotz zahlreicher theoretischer wie praktischer Forschungsergebnisse, die die GEZIELTE, INDIVIDUELLE, frühkindliche Förderung als wichtige Grundlage für späteren Erfolg sowohl bei der Anwendung von IQ als auch EQ festhalten! Sieht man sich die sinkenden Zahlen von Kindern in unserer Altersstruktur an wäre das Gegenteil ja logisch!Schließlich müssten weniger Nachrücker, viele verrentete Fachkräfte ersetzen und da nicht jeder alles kann, müsste das Potential maximal genutzt werden,
Und nimmt man noch den Hang von größeren Teilen der heutigen Jugend zu GangstaRap und seiner Attitüde, einschließlich Gewaltverherrlichung und mittelalterlichem Frauenbild, bei beiden Geschlechtern übrigens, ....... Kommt mir jedenfalls ein schrecklicher Verdacht! ;-)
"Wenn man diesen Umstand ändern will, müssten gemeinschaftliche Einrichtungen deutlich mehr Mittel erhalten, das Geld dafür müsste man aus der privaten Wirtschaft holen."
Ja nee jetzt nicht wirklich! Ich bin da immer gern bei Steuern, die nicht gezahlt werden ohne dass der Staat das kontrolliertund wenn ich mir so manche Subventionen ansehe!? (200 Mio. jährlich für Mercedes' Forschung bei Milliarden Gewinnen der letzten 10 Jahre ... Lol)
Zumal man bei Lohnerhöhungen auch eines nie vergessen sollte! Ein ordentlicher Teil kommt über Lohnsteuer, Mehrwertsteuer etc direkt wieder rein! Das Rechnen wie in einem Privathaushalt verbietet sich hier!
Mann muss wollen!!! (Oder Frau, wenn sie Merkel heißt! Aber die Hoffnung ist wohl vergebens ... Hab schon immer gezweifelt, ob sie ne echte Frau ist!)
"Was mich aber besonders ärgert, ist die Tatsache, dass Sie die Unterschiede in Ost und West für nicht erwähnenswert halten."
Hm ..., spielen wir jetzt den einen Benachteiligten gegen den anderen aus? Keine gute Idee ... Und wenn man den schulischen Erfolg nach Pisa zwischen Jungs und Mädchen heranzieht, wäre schon die bessere Qualifikation ein Grund die Höhere Bezahlung von Frauen zu rechtfertigen! (Deutlich mehr Mädels machen deutlich bessere Abschlüsse als die Jungen!)
Also Fauenpower!!!!
Nun ja, nun wohl! Spielen Sie jetzt den einen Benachteiligten gegen die andere aus? Wenn gleich oder besser ausgebildete Frauen tatsächlich mit weniger Geld zufrieden wären, würde der Markt doch alles von allein richten. Und wenn Sie schon jubilieren, dass "Deutlich mehr Mädels machen deutlich bessere Abschlüsse als die Jungen!", dann sollten Sie doch auch daran interessiert sein, dass die Ursachen dafür abgestellt werden. Oder sind Sie vielleicht gar nicht an Gerechtigkeit interessiert, sondern an eigener Profilierung?
Der sogenannte "Gender Pay Gap" vergleicht die kumulierten Einkommen von Männern und Frauen. Man könnte aus diesem Wert lesen, dass der Mann auch heute noch als Ernährer der Familie gefragt ist. Was man daraus nicht lesen kann, ist, dass Frauen benachteiligt würden, also bei gleichen Voraussetzungen (Qualifikation, Betriebszugehörigkeit etc.) niedrigere Gehälter als Männer bekämen. Auch dieser Artikel versucht jedoch genau dies zu suggerieren.
Es mag moralisch aussehen, für Benachteiligte und gegen Diskriminierung einzutreten, allerdings muss man dann auch bei der Wahrheit bleiben. Eine Benachteiligung nur zu suggerieren, weil es ins ideologische Konzept passt, ist keine rechtschaffene Handlung. Vielleicht sollte man auch nicht nur in eigener Sache agieren, wie es die Frauen immer wieder tun. Der sogenannte "Gender Pay Gap" ist jedenfalls eine perfide Suggestion - zugespitzt: eine Lüge.
Völlig außer Acht bleib überdies, auf wieviel Geld Männer und Frauen tatsächlich zugreifen und darüber verfügen können. Die Einkünfte des Mannes stehen meist als Familieneinkommen auch den Frauen zur Verfügung. Zumindest die Werbewirtschaft zielt vorrangig auf Frauen als Zielgruppe (außer bei Autos und Bier), weil Frauen mehr Geld ausgeben als Männer. Frauen mögen in Summe weniger Geld erwirtschaften als Männer, aber sie können zumindest mehr ausgeben, als sie selbst erarbeiten.
Wer sich mit den regionalen Unterschieden der Lohnlücke vertiefter beschäftigen möchte, kann auf die im Netz verfügbare Studie "Gender-Pay-Gap von Vollzeitbeschäftigten auf Kreisebene - Unterschiede in der Lohnlücke erklären sich vor allem durch die Betriebslandschaft vor Ort" zurückgreifen. Das IAB hat herausgefunden, dass in ostdeutschen Kreisen die Frauen 6,4 %, in westdeutschen Kreisen 23,4 % weniger verdienen. Dabei gibt es 4 ostdeutsche Kreise, in den die Frauen mehr verdienen, als die Männer. Aber auch die absoluten Zahlen sind interessant. Der durchschnittliche Tageslohn im Bodenseekreis liegt für Männer bei 143,05 € und für Frauen bei 94,52 €. Damit verdienen die Frauen dort mehr als die Männer in vielen ostdeutschen aber auch einigen westdeutschen Kreisen.
Als Fazit stellt die Studie fest: "Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass eine Betrachtung der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in Deutschland auf der Bundesebene zu kurz greift, da es zwischen den Kreisen erhebliche Unterschiede gibt. Während vollzeitbeschäftigte Frauen im nationalen Durchschnitt rund 21 Prozent weniger verdienen als Männer, reicht die unbereinigte Lohnlücke von -4,3 Prozent in Cottbus bis zu 41,4 Prozent im Bodenseekreis."
Bundesweiter Frauenstreik!!!