Die Europäische Union kann bereits einen Kollateralschaden des Afghanistan-Krieges eingehend untersuchen, der so sicher ist wie ein Bodenkrieg am Hindukusch. Sie hat ihre Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Abteilung "Fußnoten der Geschichte" zur freundlichen Erledigung übergeben. Recycling nicht ausgeschlossen, vorerst aber eher unwahrscheinlich. Der Kriegsrat des Londoner Triumvirats vom Wochenende war bestens geeignet, diesem Entsorgungsfall auch die nötigen protokollarischen Weihen zu gönnen. Die Troika der Blair, Chirac und Schröder wollte sich ursprünglich bei ihrer "uneingeschränkten Solidarität" mit den USA auch uneingeschränkter Exklusivität versichern. Erst den Protesten und der Verstimmung diverser EU-Partner war es zu danken, dass sich die "Großen Drei" zu Nachnominierungen herabließen. So kam der belgische Premier Guy Verhofstadt zu Ehren, dessen Land immerhin die derzeitige Ratspräsidentschaft der Union ausübt. Freilich hat Außenminister Louis Michel den Amerikanern ausdrücklich eine Feuerpause empfohlen - das war keine Empfehlung für den Londoner Kreis der Unerschrockenen. Auch Spaniens Aznar und Italiens Berlusconi sollten sich ursprünglich im unteren Segment der neuen EU-Kommandantur gut aufgehoben fühlen, begriffen das aber als Zumutung und drängten mit Vehemenz an Blairs Tafelrunde. Bei soviel Boulevard kam es dann auf ein bisschen Euro-Folklore nicht mehr an, so dass schließlich auch Javier Solana, der außenpolitische EU-Koordinator, in London gesehen wurde.
Es ist nicht nur einem gerüttelt Maß an Überheblichkeit Großbritanniens, Deutschlands und Frankreichs geschuldet, wenn die EU augenblicklich weniger als politischer Faktor denn als polyglottes Faktotum herumsteht. In Krisenzeiten wie diesen wird zwangsläufig vieles auf den Punkt gebracht. Es gilt das berühmte Wort: Gewogen und für zu leicht befunden. Wann, wenn nicht jetzt, sollte denn eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik stattfinden? Vorausgesetzt natürlich, es gibt sie. Vorausgesetzt, es existiert der politische Wille, nicht nur über die Kriterien einer EU-Aufnahme Maltas zu reden, sondern auch über die vielleicht existenziellere Frage, ob man sich in den Malstrom einen Krieges werfen und treiben lassen darf. Eine Entscheidung zwischen Gefolgschaft und Vernunft, zwischen Nicht-Politik und Politikfähigkeit, für oder gegen Europa. Jetzt auf die GASP zu verzichten, wird die EU nicht nur in ihrem Selbstverständnis erschüttern. Es denunziert die ganze europäische Föderationsidee zur Schönwetter-Rhetorik, die für schlechte Zeiten zu schade oder zu abgehoben ist. Der reklamierten Truppenentsendungen von Staaten der NATO, der immerhin die übergroße Mehrheit der EU-Mitglieder angehört, sollte doch für eine Gemeinsame Sicherheitspolitik der Ernstfall sein und nicht den Totalausfall besiegeln.
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