Einen Grünen zum Oberbürgermeister von Stuttgart zu wählen ist mehr als ein kommunalpolitisches Ereignis. Diese Wahl signalisiert eine Wende. Fritz Kuhn, einer der ältesten Aktivisten der einstigen Umweltschützerpartei, einer, der – obwohl er früh als Realo galt – stets auch als irgendwie links eingestuft werden wollte und konnte, sprach jetzt von einer hegemonialen Stellung, die sich die Grünen in der Landeshauptstadt erkämpft hätten. Genau das ist richtig. Und das könnte schon bald für ganz Baden-Württemberg gelten. In Freiburg und Tübingen regieren schon länger grüne Oberbürgermeister. Und zwar gut.
Signifikant für ihren Erfolg ist, dass sie ihn als wunschgemäß linke Partei keineswegs in Konkurrenz zur SPD errungen haben, sondern tatsächlich mit den Zielen und Mitteln der CDU. Der sozialdemokratische Juniorpartner des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, Finanzminister Nils Schmid, hatte recht, als er sagte, die SPD im Ländle sei von zwei konservativen Parteien umzingelt.
Frei von Traditionsresten
In den Kommunen mit grünen Stadtoberhäuptern bekennen heute Leute, die einst aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen zu den Stammwählern der CDU gehörten, dass sie mit dem Wandel der Verhältnisse hoch zufrieden sind. „Die kümmern sich zuerst um die Interessen der Stadt“, heißt es. Sie kümmern sich, wie es früher die CDU-Politiker taten, nur kommen sie nicht so altbacken daher, nicht beladen mit Traditionsresten, die zwar kaum entwertet, jedoch grau geworden sind.
Grüne Politik wird in bester CDU-Manier dort gemacht, wo sie gefragt wird. Die Landesspitze mischt sich nicht in Freiburg ein und die Bundesspitze nicht in die Landespolitik. Das merken die Leute und akzeptieren den Grünen-Politiker als Geist von ihrem Geist: Denken nicht von der Opposition her – sondern vom Regieren.
Jürgen Busche war zuletzt Chefredakteur der Badischen Zeitung
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