Täglich kommen rund 90 Menschen in den kleinen, gemütlich erleuchteten Raum auf der Südseite des Hauptbahnhofs von Frankfurt am Main. Viele von ihnen sind obdachlos. Hier, in der Teestube Jona, können sie für 30 Cent einen Kaffee trinken, sich aufwärmen und ausruhen. Sozialarbeiterinnen stehen den Gästen beratend zur Seite. So ist die Teestube seit über 30 Jahren als „Wohnzimmer der Wohnungslosen“ ein Zufluchtsort. Der Bedarf für Derartiges wird immer größer. „Heute kommen doppelt so viele Besucher wie vor zehn Jahren“, sagt Leiterin Nadine Müller.
Deutschlandweit hat sich die Zahl der Wohnungslosen, die in Notunterkünften, Wohnheimen oder bei Freunden leben, seit 2008 auf rund 420.000 fast verdoppelt. Als Obdachlose auf der Straße schlafen etwa 52.000 von ihnen. Dazu kommen etwa 440.000 wohnungslose Flüchtlinge. Während mit der Zahl der Armen auch ihr Bedarf steigt, werden Obdachlose aus Innenstädten verdrängt, in Suppenküchen und Ambulanzen wird es immer enger.
Im Sommer 2017 hat ein Investor das Haus der Teestube gekauft – und der Einrichtung gekündigt. Bald wurden Wasser und Strom abgedreht, schon lange geht die Heizung nicht mehr. Aufwertung und Anstieg der Immobilienpreise im verrufenen Frankfurter Bahnhofsviertel trifft die Wohnungslosen so zum zweiten Mal; viele sind ja bereits Opfer von Mietenexplosion und zunehmender Verarmung geworden.
Um das zu verhindern, hatte die Stadt Frankfurt der Teestube neue Räume angeboten – zunächst hinter den Kulissen, im Dezember verkündete das Stadtparlament dann offiziell, dass Anfang 2018 Mietverträge geschlossen würden.
Nun aber hat die von SPD, CDU und Grünen regierte Stadt ihre Offerte „aufgrund der angespannten Drogenproblematik“ im Bahnhofsviertel zurückgezogen und ein paar Straßen weiter andere Räumen angeboten. „Doch da sind wir nicht gut aufgehoben“, sagt Nadine Müller. Weil sich die neuen Räume im Obergeschoss befinden, hätten viele Klienten wie Ältere, Betrunkene oder Obdachlose mit viel Gepäck dort kaum Zugang. „Doch jetzt haben wir kaum mehr eine Wahl“, sagt Müller. „Wir haben uns im letzten halben Jahr auf die Zusagen der Stadt verlassen, in dieser Zeit hätten wir selbst etwas anderes suchen können.“ Schließlich ist die Drogenproblematik im Bahnhofsviertel ebenso wenig neu wie die Wohnungsnot. Einer der Besucher der Teestube sagt: „Die wollen uns einfach nicht in der Stadt haben.“
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