Der Golfkrieg hat US-Militärs davon überzeugt, dass "Dominanz und Kontrolle des Weltraums" unabdingbar sind. Mit Hilfe seiner Satelliten überlegenheit war das Pentagon in der Lage, seine Ziele vorab zu programmieren und so über 90 Prozent innerhalb der ersten Stunden zu zerstören. Das ermöglichte den USA, das gesamte Kampfgeschehen zu kontrollieren. Der Rest des Golfkrieges war dann im wesentlichen eine glänzende Möglichkeit, neue Waffen zu testen.
Später schlussfolgerte man im Pentagon, dass die USA in der Lage wären, jegliches Kampfgeschehen zu kontrollieren, wenn es gelänge, potentielle Gegner von der militärischen Nutzung des Weltraums fernzuhalten. Darauf erging der Ruf nach Anti-Satelliten-Waffen, die Augen und Ohren des Gegners ausschalten. Weniger als ein Jahr später ist der Welt im Kosovo demonstriert worden, dass das Ziel erreicht wurde.
Militärische Spielwiese
In einer Nachricht vom 17. Juni vermeldete das US-Raumfahrt-Kommando: "Jegliche Zweifel über die Bedeutung des Weltraums für militärische Operationen sind von der NATO Operation Allied Force beantwortet worden." Warum? Weil, das vom Raumfahrtkommando bereitgestellte Satelliten-Navigations-System (Global Positioning System, GPS) mit seinen 24 Satelliten wesentliche Navigations- und Abstimmungshilfen bei der Koordination der alliierten Luft- und Seestreitkräfte bereitgestellt hat.
Das Pentagon ist sicher: Wer immer den Weltraum kontrolliert, wird die Erde kontrollieren. Darüber hinaus arbeitet man fieberhaft daran, Anti-Satelliten-Waffen (ASATs) zu stationieren, mit denen die USA bei künftigen Feindseligkeiten gegnerische "Augen und Ohren im All" ausschalten können. "Die Kontrolle des Weltraums", so steht es ungeschminkt in der "Vision 2020" Broschüre des US-Raumfahrtkommandos, "ist die Fähigkeit, den Zugang zum All und die Bewegungsfreiheit im All zu sichern und darüber hinaus die Fähigkeit, anderen die Nutzung des Alls wenn nötig zu verweigern." Das Militär hofft nun, innerhalb der nächsten fünf Jahre eine erste Anti-Satelliten-Waffe (KASAT) im Weltraum zu stationieren.
Während des 36. Raumfahrtkongresses in Cap Cenaverla in Florida fragte ich eine Runde von Offizieren über den Stand des ASAT-Programms. Einer der Teilnehmer, Oberst Tom Clark, antwortete, dass dies ein "politisch heikles" Gebiet sei, um dann zu erklären, dass die USA am Ende "ein Ereignis brauchen werden, um öffentliche Unterstützung für dieses Vorhaben zu gewinnen. Aber das wird kommen. Jetzt reden, planen forschen und entwickeln wir. Irgendwann wird jemand eines unserer Systeme angreifen."
Bis dahin, so versicherte Clark einem Publikum aus NASA-Angestellten, Vertretern der Raumfahrtindustrie und Offizieren, haben wir das Ballistische Raketenabwehrsystem (BMD), das unlängst vom Kongress gebilligt wurde. "Dessen doppelte Nutzungsmöglichkeit (dual use)", erklärte Clark, "liegt auf der Hand". Er erinnerte an die Tatsache, dass Laser im Weltraum sowohl zu Verteidigungs- als auch zum Angriffszwecken abgefeuert werden können.
Nukleare Energiequellen
Das Hauptproblem der Militärs ist jedoch die Energieversorgung der Weltraumwaffen. In einer vom US-Kongress in Auftrag gegebenen Studie über "Militärische Weltraumeinheiten: Die nächsten 50 Jahre" (Military Space Forces: The Next 50 Years) kommt der Autor John Collins zu dem Schluss, dass "Nuklearreaktoren die einzige bekannte, langlebige und kompakte Energiequelle für Weltraumwaffen sind."
Tatsächlich könnte sich das Energieministerium aufgrund der wachsenden Nachfrage für Atomstrom im Weltraum dazu veranlasst sehen, eine Reihe bereits geschlossener Produktionsstätten in diversen Laboratorien des Landes wieder zu öffnen. Das Ergebnis der NASA-Anforderung nach atomgetriebenen Raumsonden und dem Drängen des Raumfahrtkommandos nach nuklearen Weltallwaffen, könnten erneut massive Kontaminierungsprobleme in den Laboratorien sein. Allein zwischen 1993 und 1995, als die NASA in den Laboratorien von Los Alamos, New Mexico, die Plutoniumgeneratoren für ihre Cassini-Mission bauen ließ, wurden 244 Fälle von Verstrahlung bekannt. Los Alamos entwickelt auch die Marsraketen, inklusive der Atomreaktoren für die Triebwerke.
Die "Vision 2020" des US-Raumfahrkommandos spricht nicht nur davon, die Erde und den Himmel darüber zu kontrollieren, sondern auch die unendlichen Weiten des erdfernen Raums, um der NASA und anderen Raumfahrtunternehmen den Abbau von Mineralien auf dem Mond, dem Mars und andere Planeten zu ermöglichen.
In der "Vision 2020" heißt es dazu: "Angesichts der Bedeutung des Handels und seiner Auswirkungen auf die nationale Sicherheit könnten die USA sich zu einem Garanten des Weltraumhandels entwickeln - ähnlich dem historischen Vorbild der Marine als einstigem Hüter des Seehandels."
Um da ganz sicher zu gehen, lässt die Raumfahrtindustrie nichts anbrennen. Sie startete eine Kampagne unter dem Motto "Erklärung der Führerschaft im Weltraum" und schaffte es schließlich, diesen Plan mit Hilfe ihrer Verbünden im US-Kongreß als Resolution einzubringen. Darin heißt es unter anderem, dass neben der NASA ganz besonders auch weltraumgestützte "Verteidigungssysteme" finanziell zu unterstützen sind, um die "amerikanische Führungsposition bei der Eroberung des Weltraums" zu garantieren.
Kosmisches Brainwashing
Zur Taktik der Lobbyisten gehört es auch, junge Menschen so zu beeinflussen, dass sie mit Begeisterung alles unterstützen, was nach "Weltraum" klingt. Zu diesem Zweck hat die NASA ein Programm gestartet, mit dem sie jeden naturwissenschaftlichen Lehrer im Land erreichen will. Das ist nicht dumm: Im Jahre 2020 werden die Schüler dieses Lehrers Steuerzahler sein, und die Industrie hofft, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht nur glauben, man müsse unbedingt zum Mars fliegen, sondern auch, dass ein Krieg im All unvermeidlich ist.
Aber nicht alle jubeln vor Begeisterung. Russland und China sind äußerst besorgt über die Umgehung des ABM-Vertrages und anderer Weltraumabkommen durch die USA sowie über amerikanische Pläne, sich zum "Herren des Weltraums" aufzuschwingen, wie es auf den Uniformabzeichen des Raumfahrtkommandos zu lesen ist. Beide Staaten haben von der UN-Abrüstungskonferenz verlangt, einen ad hoc Ausschuss zu bilden, um "ein Wettrüsten im Weltraum zu verhindern". Die USA jedoch blockieren diese Initiative.
Das "Globale Netzwerk gegen Waffen und Atomkraft im Weltraum" hat im vergangenen Jahr seine Anstrengungen verstärkt, um den amerikanischen Plänen entgegen zu treten. Die Internationale Raumstation (ISS) hat bereits 100 Billionen Dollar verschlungen. Weitere 100 Billionen wurden bisher für den "Krieg der Sterne" ausgegeben. Ständige Fehlstarts in Cap Canaveral verpulvern zusätzliche Milliarden, während man im gleichen Atemzug den Menschen beibringen will, dass nicht genug Geld für ein vernünftiges Gesundheitswesen und andere wichtige Dinge vorhanden ist.
Bevor die Himmelsstürmer ihre Luftschlösser bauen können, muss die Raumfahrtindustrie jedoch die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass ihre Vorhaben lebenswichtig, spannend und patriotisch sind. Deshalb wird es höchste Zeit für eine rigorose internationale Debatte über das gesamte Raumfahrtprogramm.
Unser Autor ist Chef des Globalen Netzwerks gegen Waffen und Atomkraft.
Infos des Netzwerkes: www.globnet.free-online.co.uk/
und der Raumfahrtindustrie:
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