Von denen, die sie kennen, wünschen sich viele, sie würde eines Tages Südafrikas Präsidentin sein. Sie sind überzeugt, Thulisile Madonsela wäre in diesem Amt vor allem auf das Wohl der Bevölkerung bedacht und nicht auf ihr eigenes. Kürzlich endete ihre Zeit als „Öffentliche Beschützerin“. Ein solches Amt gibt es in keinem anderen Land der Welt, in Südafrika ist es in der Verfassung verankert. Was ist darunter zu verstehen? Wie soll eine einzige Frau die Menschen eines Landes beschützen? Der Public Protector ist eine unabhängige Behörde mit über 300 Mitarbeitern. Sieben Jahre lang stand sie an deren Spitze und hat mit ihrem Team darüber gewacht, dass öffentliche Ämter nicht missbraucht, Ste
Steuergelder nicht veruntreut, Staatsaufträge nicht gegen Schmiergeld vergeben werden und Bürgern durch Behörden kein Unrecht geschieht.In Anerkennung ihrer Verdienste bekam sie viele Preise: 2011 wurde sie „South African Person of the Year“, Transparency International ehrte sie 2014 mit dem „Integrity Award“, das Time-Magazin lud sie im selben Jahr als eine der 100 einflussreichsten Frauen der Welt zu seiner Gala ein, die Deutsche Afrika Stiftung verlieh ihr im November den Deutschen Afrika-Preis. Und das ist nur eine Auswahl. Die Zeit als öffentliche Beschützerin hat Spuren hinterlassen, sichtbare und unsichtbare. Ein Zurück zu der Frau aus Soweto, die vor zehn Jahren kaum jemand kannte, gibt es für die 53-Jährige nicht. Sie sieht das etwas anders. „Ich muss nicht zurück, weil ich in gewisser Weise nie weg war. Ich wurde nie dazu erzogen, erfolgreich zu sein, sondern ein wertvoller Teil der Gemeinschaft. In dieser Hinsicht bin ich immer Thuli aus Soweto geblieben“, sagt sie mit ihrer schüchtern klingenden Stimme, so leise, dass Zuhörer bei Veranstaltungen bisweilen die für die Übersetzung gedachten Kopfhörer nutzen, um jedes ihrer Worte verstehen zu können. Darauf angesprochen, verweist sie auf ihren Namen, der so viel wie „Die Stille“ bedeutet.Ihr Vater war Kleinhändler, ihre Mutter Hausangestellte, inoffizielle Sozialarbeiterin und Streitschlichterin in Soweto, beide religiös und bei der Erziehung darauf bedacht, dass ihre Tochter für das einstehen sollte, was sie für das Richtige hielt. Regelmäßig griff die Polizei zu Apartheid-Zeiten den Vater auf, wenn er ohne Genehmigung Waren auf der Straße verkaufte. Für einen eigenen Laden reichte das Geld nicht. Vor Gericht verteidigte er sein Handeln und war stolz, wenn seine Argumente anerkannt oder zumindest berücksichtigt wurden. Das hat sie beeindruckt. Von ihrem Wunsch, Jura zu studieren, war der Vater dennoch nicht begeistert. Sie setzte sich durch und schloss 1990 ihr Studium ab. Als ANC-Mitglied war sie 1994 Vorsitzende der Wahlkommission zur ersten freien Wahl in Südafrika. Auch an der südafrikanischen Verfassung schrieb sie mit. 2009 berief Präsident Jacob Zuma sie dann zum Public Protector.Den Deutschen Afrika-Preis nahm sie dankbar entgegen und verbuchte ihn als Ermutigung. Sie hätte sich statt mancher Auszeichnung eher gewünscht, dass die scheinbar kleinen Fälle, in denen durch die Hilfe des Public Protector Handwerker vom öffentlichen Auftraggeber endlich bezahlt wurden, Studenten ein Stipendium oder eine Bleibe erhielten und nicht mehr in öffentlichen Toiletten campieren mussten, häufiger eine Rolle in den Medien gespielt hätten. „Wir wurden bekannt als Anti-Korruptions-Agentur, aber das war nur eine von vielen Aufgaben.“ Man stürzte sich vor allem auf Fälle, bei denen es um die Verschwendung von Steuergeldern für das Anwesen von Präsident Zuma, um Korruption in Ministerien oder um Verflechtungen zwischen Regierung und Wirtschaft ging.Hat sie Genugtuung empfunden, als das Verfassungsgericht am Ende ihren Report bestätigte und Zuma nach etlichen Prozessen viel Geld zurückzahlen musste? War es ein Triumph, eine ganze Reihe von Ministern der Korruption überführt zu haben? Nachdenklich neigt sie den Kopf. „Ich hätte mir gewünscht, diese Fälle hätte es nie gegeben und der Virus Korruption würde sich in Südafrika nicht derart dramatisch ausbreiten.“ Manche, deren Fehler im Amt sie zu untersuchen hatte, hätten nichts anderes gewollt, als so gut zu leben wie ihre Ausbeuter zuvor. Viele hätten nicht über ausreichende Rechtskenntnisse verfügt. Als Juristin hat sie sie verfolgt; als Mensch hat sie Verständnis für ihren Hunger nach einem besseren Leben.Mit ihrem unnachgiebigen Eintreten für das Recht hat sie sich nicht wenige Feinde gemacht. Es gab Morddrohungen. „Meine Sorge galt vor allem meinen beiden Kindern. Sie waren schon alt genug, um zu verstehen, dass sie ihre Mutter jeden Tag verlieren konnten“, sagt die Alleinerziehende. Selbst in der Zeit akuter Bedrohung suchte sie überall im Land die Nähe von Menschen und zog sich nicht in ihr Büro in Pretoria zurück. Sie erreichte auch jene, die sich nie im Leben nach Pretoria hätten aufmachen können oder nicht ohne die Gewissheit gekommen wären, dass ihnen im Haus des Public Protector zu ihrem Recht verholfen wird. Die elektronischen Schleusen am Eingang, die irgendwann notwendig wurden, haben Madonsela gestört. Sie wollte ein offenes Haus. Ihrer Einladung sind viele gefolgt, darunter auch Whistleblower. Zuletzt wurden von der Behörde 40.000 Fälle bearbeitet; angefangen hatte sie mit 5.000. „Habt keine Angst, großartig zu sein!“ Mit diesen Worten wollte Nelson Mandela Mut machen, die nach dem Ende der Apartheid gewonnene Freiheit zu nutzen. Thuli Madonsela hat das getan. Eine politische Karriere schwebt ihr dennoch nicht vor. Sie wird ab 2018 an der Universität von Stellenbosch unterrichten und forschen. Hören wird man von ihr, der Stillen, auch in Zukunft ganz gewiss.