Die Interviews des Jahres

Gesagt ist gesagt Geissler sprach vom "totalen Krieg", ein Trader hatte offene Worte und Sahra öffnete ihr Haar: Welche Gespräche von 2011 übrig blieben

./resolveuid/e6457b27700bdac6a8681b64440d9c80Geißler/Armbrüster

Geschlossene Diskurse

In den großen Interviews geht es um das Grundsätzliche: das Interview selbst, die Situation, in der man mit-einander zu sprechen versucht. Dahin ist ein Gespräch im Deutschlandfunk im August gelangt: Heiner Geißler 
will sich nicht auf die ergebnisorientierten Fragen von Moderator Tobias Armbrüster zu Stuttgart 21 einlassen, vor allem als es um den von ihm 
verwendeten Satz vom „totalen Krieg“ geht. Und so redet, fast über zehn 
Minuten, jeder für sich allein. Zwischendurch: Pausen, Stille. Irgendwann Geißler: „Machen Sie ein Interview mit mir? Armbrüster: „Ja, so 
war das verabredet“. Geißler: „Und das läuft jetzt live über den Sender?“ 
Armbrüster: „Ja, natürlich.“ MD


./resolveuid/4a756e7cc47f90565408c693c2c693c0Guttenberg/di Lorenzo

Offener Handel

Eigentlich wollte Giovanni di Lorenzo mit dem ersten Guttenberg-Interview nach dem Rücktritt des gefallenen CSU-Popstars Wasser auf die Geldmühlen des Verlages lenken, der die Zeit herausgibt. Doch das Gespräch, das – man sollte es so sagen: der frühere Minister mit dem Immer-noch-Chefredakteur führte, rief vielmehr Empörung und Abbestellungen 
hervor. Warum? Weil es nach dem aussah, was es war: ein medialer roter 
Teppich, auf dem ein Plagiator in die 
Politik zurück und ein Buch in die Bestsellerlisten finden sollten. Alles gar nicht so gemeint gewesen, hat 
di Lorenzo später versichert und ein bisschen Selbstkritik geübt. Herr Guttenberg blieb bei seinen Ausreden. TS


./resolveuid/1a4c732e784e34c9984a619e8092b5a6Perry/Harwood

Offenbar vergessen

Die Republikaner sind im Wahlkampf. Wer wird 2012 der Herausforderer von Barack Obama? Lange galt Rick Perry, Rechtsausleger und Gouverneur von Texas als ernsthafter Konkurrent von Mitt Romney, dem Kandidaten des Partei-Establishments. Bis ihm im 
November die Worte ausgingen: In 
einem TV-Duell kündigte Perry an, 
als Präsident drei Ministerien abzuschaffen. Er zählte die Ressorts an 
den Fingern ab: Nummer 1: Handel. Nummer 2: Bildung. Nummer 3: Pause. „Was war noch mal das Dritte?“, fragte er sich selbst. Trotz gütiger Vorschläge aus der Runde und auf Nachfrage 
von Moderator John Harwood musste er gestehen: „Ich kann das Dritte 
nicht benennen, sorry. Uups.“ JK


./resolveuid/7637ca8a753fb5d86365a66aa524da95Rastani/Croxall

Offene Worte

Gab es dieses Jahr wenigstens ein verständliches Interview zur Eurokrise? Ja. Am 26. September erklärte ein Börsenhändler namens Alessio Rastani der BBC in drei Minuten die Vorteile des angeschlagenen Euros. Freimütig bekannte er Interviewerin Maxine Croxall, dass er auf eine solche Krise seit „drei Jahren gehofft“ hatte. Weil er, wie alle Händler, an Krisen verdiene. „Regierungen regieren nicht die Welt, Goldman Sachs regiert die Welt.“ Wow. Das Video avancierte binnen Stunden zum YouTube-Hit. Die Aufmerksamkeit und die Empörung, die seine Worte auslösten, überraschten Rastani am meisten. Er habe doch nichts neues gesagt, meinte er. „Ich dachte, das wüssten schon alle.“ KRO


./resolveuid/a1cd9680569037d388ca758fa3473a33Wagenknecht/Steffen

Offene Haare

2011 war das Jahr der Sahra Wagenknecht. Kaum eine Politikerin wurde so häufig interviewt wie sie. Das lag weniger an der Nähe zu Oskar Lafontaine und schon gar nicht daran, dass die Linke so beliebt wäre. Es war Wagenknecht ganz allein, die zu einer kapitalismuskritischen Marke wurde, an der keiner vorbeikommt in Zeiten, in denen „alle Sozialisten sind“ (Newsweek). Ein Gespräch stach heraus – jenes, 
dass der Fotograf Alfred Steffen für die 
Reihe „Sagen Sie jetzt nichts“ des 
Magazins der Süddeutschen führte. 
Wagenknecht mit Zigarre und offenem Haar – derlei Spiel mit den „Konzernmedien“ verunsicherte manche Genossen. Der Nachfrage nach Gesprächen mit Wagenknecht schadete es nicht. TS

(Fotos: Screenshots/Der Freitag, AFP/Getty Images, Alfred Steffen [1])

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